Rückblick und Ausblick
Die Geschichte des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)
Die Bundesrepublik Deutschland engagiert sich seit mehr als 60 Jahren in der Entwicklungspolitik. Als Gründungsdatum des heutigen BMZ gilt der 14. November 1961, der Tag der Ernennung Walter Scheels zum ersten Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit.
Das 1961 neu gegründete „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit“ bündelte die Zuständigkeiten im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit, die bis dahin bei verschiedenen Ministerien angesiedelt gewesen waren.
Vereidigung Walter Scheels als Bundesminister, 1961
Vereidigung Walter Scheels als Bundesminister, 1961
Das 1961 neu gegründete „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit“ bündelte die Zuständigkeiten im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit, die bis dahin bei verschiedenen Ministerien angesiedelt gewesen waren.
Walter Scheel und seine Nachfolgerinnen und Nachfolger übernahmen eine schwierige Aufgabe, denn das BMZ hatte innerhalb der Bundesregierung zuerst nur eine koordinierende Rolle. Weitergehende Kompetenzen für die technische und finanzielle Zusammenarbeit erhielt das BMZ ab den frühen 1970er Jahren. Die Federführung für die Entwicklungspolitik im Rahmen der Europäischen Union ging 1998 auf das BMZ über.
Wenige Jahre zuvor hatten die zusätzlichen Aufgaben und ein umfassenderes Verständnis von Entwicklung bereits zu einer Erweiterung des Namens des Ministeriums geführt. Seit dem 23. Januar 1993 heißt es Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Bundeskanzler Konrad Adenauer mit US-Präsident John F. Kennedy in Washington D.C. am 16. November 1962
Weltbankpräsident Robert McNamara trifft Bundeskanzler Helmut Schmidt und Bundesminister Egon Bahr im Palais Schaumburg in Bonn, 1975
Weltbankpräsident Robert McNamara trifft Bundeskanzler Helmut Schmidt und Bundesminister Egon Bahr im Palais Schaumburg in Bonn, 1975
Seit der Gründung des Ministeriums besteht die Aufgabe des BMZ in der Gestaltung und Umsetzung der Entwicklungspolitik Deutschlands. In der Umsetzung gibt es zwei zentrale Wege:
Die direkte, bilaterale Zusammenarbeit mit Partnerländern im Globalen Süden. Hierfür vereinbart das Ministerium auf Basis von Regierungsabkommen gemeinsame Ziele und Maßnahmen mit den Partnerländern.
Die Kooperation mit internationalen Organisationen, unter anderem mit der Weltbank, den Vereinten Nationen oder der Internationalen Entwicklungsorganisation (IDA).
Bundesminister Carl-Dieter Spranger bei der Veranstaltung „Hört den Schrei der Armen“ des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat der katholischen Kirche im Jahr 1993
Bundesminister Carl-Dieter Spranger bei der Veranstaltung Hört den Schrei der Armen des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat der katholischen Kirche im Jahr 1993
Die praktische Durchführung von Entwicklungsprojekten vor Ort übernehmen die staatlichen Durchführungsorganisationen oder nicht staatliche Organisationen, die das BMZ beauftragt und fördert.
Schon kurz nach seiner Gründung erweiterte das BMZ gezielt seine Förderungen auf nicht staatliche Akteure. Dazu gehören etwa politische Stiftungen, Nichtregierungsorganisationen und weitere zivilgesellschaftliche Akteure sowie die kirchlichen Hilfswerke. Sie erreichen aufgrund ihrer eigenen, langjährig gewachsenen Kontakte und Netzwerke oft ein anderes Spektrum an Partnern und Zielgruppen als die staatliche bilaterale Zusammenarbeit.
Buchtipp
Sechzig Jahre deutsche Entwicklungspolitik
Durch private Initiative eines kleinen Teams von Mitarbeitenden des BMZ ist anlässlich des 60. Jubiläums des BMZ das Lesebuch „Sechzig Jahre deutsche Entwicklungspolitik. Das BMZ von 1961 bis 2021“ erschienen. Erhältlich ist das Buch beim Verlag (Externer Link) und im Buchhandel.
Konzeptionell verfolgte die bundesdeutsche Entwicklungspolitik in den 1960er Jahren den Ansatz, in verschiedenen Teilen der Welt wirtschaftliches Wachstum zu fördern, das längerfristig den ärmeren Bevölkerungsschichten zugutekommen sollte.
Ziel war es, zur Entwicklung einer Mittelschicht beizutragen, die einen politischen Wandel zu mehr Demokratie und Partizipation durchsetzen würde.
Entsprechend setzte das BMZ in den 1960er Jahren einen Schwerpunkt auf die Förderung der Wirtschaft, die Integration der sogenannten Entwicklungsländer in den Weltmarkt und die Wahrung eigener Außenhandelsinteressen.
Dieses Engagement in Abstimmung mit den westlichen Bündnispartnern diente vor allem dazu, den Einfluss der Sowjetunion in der sogenannten Dritten Welt einzudämmen.
Das führte zum Beispiel dazu, dass die Bundesrepublik im Zuge der bis 1969 gültigen Hallstein-Doktrin die Entwicklungszusammenarbeit mit Ländern einstellte, die diplomatische Beziehungen zur DDR aufnahmen.
Gleichzeitig diente dieses Engagement in Abstimmung mit den westlichen Bündnispartnern dazu, den Einfluss der Sowjetunion in der sogenannten Dritten Welt einzudämmen.
Das führte zum Beispiel dazu, dass die Bundesrepublik im Zuge der bis 1969 gültigen Hallstein-Doktrin die Entwicklungszusammenarbeit mit Ländern einstellte, die diplomatische Beziehungen zur DDR aufnahmen.
Bundesminister Hans-Jürgen Wischnewski beim Besuch einer technischen Schule in Thailand, 1967
Bundesminister Hans-Jürgen Wischnewski beim Besuch einer technischen Schule in Thailand, 1967
Partnerschaftliche Zusammenarbeit
Die mit der Ölkrise 1973 einsetzende Wirtschaftskrise und das Aufkommen einer Dritte-Welt-Bewegung in der Bundesrepublik Deutschland in den 1970er Jahren führten zu einer neuen Sicht auf Wachstum und zu einer generellen Neubewertung des Verhältnisses zu Entwicklungsländern.
Dies war der Beginn eines neuen Ansatzes, in dem das BMZ die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Ländern betonte, also ihre eigenen Interessen stärker in den Blick nahm, und Themen wie Ernährung, Bildung, Gesundheit, Umweltschutz und die Rolle von Frauen im Entwicklungsprozess teils ganz neu aufgriff.
Marie Schlei, Bundesentwicklungsministerin von 1976 bis 1978, bei einer Grundsteinlegung für ein Projekt in Kenia
Marie Schlei, Bundesentwicklungsministerin von 1976 bis 1978, bei einer Grundsteinlegung für ein Projekt in Kenia
Auch die multilaterale Zusammenarbeit gewann für die Bundesrepublik in den 1970er und 1980er Jahren weiter an Bedeutung. Die Bundesrepublik beteiligte sich aktiv an der Ausgestaltung europäischer Abkommen wie der Abkommen von Lomé mit Entwicklungsländern in Afrika, der Karibik und im Pazifik, die Finanzhilfen und Handelserleichterungen vorsahen.
Weltbankpräsident Robert McNamara trifft Bundeskanzler Helmut Schmidt und Bundesminister Egon Bahr im Palais Schaumburg in Bonn, 1975
Weltbankpräsident Robert McNamara trifft Bundeskanzler Helmut Schmidt und Bundesminister Egon Bahr im Palais Schaumburg in Bonn, 1975
Die Strukturanpassungsprogramme des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank für hochverschuldete Länder fanden in der deutschen Politik breite Zustimmung. Diese knüpften die Vergabe neuer Kredite an umfangreiche Auflagen wie Marktliberalisierung und Sparmaßnahmen im Staatshaushalt.
Das Ende des Ost-West-Konflikts läutete in den 1990er Jahren eine neue Ära multilateraler Initiativen als Ergebnis großer Konferenzen der Vereinten Nationen ein.
Zu den Weltkonferenzen der 1990er Jahre zählen unter anderem die UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro (1992), die Konferenz für Bevölkerung und Entwicklung in Kairo (1994), die Weltfrauenkonferenz in Peking (1995) und der Welternährungsgipfel in Rom (1996).
Das BMZ engagierte sich intensiv bei der Vorbereitung und in den Verhandlungen dieser Weltkonferenzen, deren Ergebnisse das Wirken des Ministeriums inhaltlich und organisatorisch nachhaltig prägten. Außerdem setzte sich das BMZ zu dieser Zeit international als Vorreiter für den neuen Ansatz einer partizipativen und selbsthilfeorientierten Armutsbekämpfung ein, der im Jahr 2000 als zentraler Aspekt in die Millenniumserklärung und 2015 in die Agenda 2030 einfloss.
Auch internationale Entwicklungsorganisationen und Finanzierungsinstrumente wie der Europäische Entwicklungsfonds, die Weltbank und regionale Entwicklungsbanken sowie Unterorganisationen der Vereinten Nationen wurden gestärkt. Für das BMZ bedeutete das einen Zuwachs an Gestaltungsmöglichkeiten.
In den 1990er Jahren setzte sich die internationale Gemeinschaft insbesondere mit neuartigen Krisen und Konflikten in Entwicklungs- und Schwellenländern in Afrika und in den früheren Ost-Block-Staaten auseinander. So stellten die Kriege im ehemaligen Jugoslawien, der Zerfall der Staatlichkeit in Somalia und der Völkermord in Ruanda die internationale Gemeinschaft vor die Frage, wann und wie in Konflikte eingegriffen werden kann und muss.
In der praktischen Entwicklungszusammenarbeit spielten deshalb fortan neue Ansätze zur Krisen- und Konfliktprävention und zur Friedensförderung eine wichtige Rolle. Demokratieförderung, gute Regierungsführung, Partizipation und die Einhaltung der Menschenrechte rückten noch stärker in den Fokus der Entwicklungszusammenarbeit mit Staaten und zivilgesellschaftlichen Akteuren.
Die großen politischen Umbrüche sowie verstärkte wirtschaftliche Verflechtung bildeten von den 1990er Jahren an den Ausgangspunkt einer dynamischen Globalisierung, die bis heute anhält.
Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung als Leitprinzip
Um das Jahr 2000 herum erweiterte sich das Arbeits- und Themenspektrum des BMZ um die Entschuldung der ärmsten Länder, Ernährungssicherheit, die sichtbar werdenden Folgen des Klimawandels und die globale Wirtschafts- und Finanzkrise.
Angesichts der neuen Herausforderungen wurde der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung zum Leitprinzip für die Arbeit des BMZ. Das heißt: Entwicklung muss die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit umfassen, um dauerhaft Frieden und Wohlstand für alle zu schaffen – sie muss wirtschaftlich effizient, sozial gerecht und ökologisch tragfähig sein.
Die deutsche Entwicklungspolitik leistet seit Langem einen engagierten Beitrag zur Umsetzung grundlegender internationaler Vereinbarungen und Abkommen. Seit der Jahrtausendwende zählte dazu insbesondere die Millenniumserklärung aus dem Jahr 2000. Darin haben die Vereinten Nationen gemeinsame Handlungsfelder für die internationale Politik definiert und darauf basierend anschließend die Millenniumsentwicklungsziele für die Zeit bis 2015 vereinbart – unter anderem zur Halbierung der extremen Armut, zur Reduzierung der Kindersterblichkeit, zur Grundbildung, zur Stärkung der Frauenrechte und zum Umweltschutz.
Globale Abkommen, neue Herausforderungen
Einige der globalen Entwicklungsziele als Sitzkissen bei einer Konferenz
2015 wurden zwei wichtige globale Abkommen geschlossen: Im September vereinbarten alle 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Im Mittelpunkt stehen 17 Entwicklungsziele für eine bessere und gerechtere Welt (englisch: Sustainable Development Goals, SDGs).
Wasserknappheit und Dürre gehören zu den schwerwiegenden Folgen des Klimawandels.
Nur kurze Zeit später, im Dezember 2015, verabschiedete die Weltklimakonferenz in Paris das erste universell verbindliche Klimaabkommen. Die Staatengemeinschaft verpflichtet sich darin, den durchschnittlichen weltweiten Temperaturanstieg auf deutlich unter zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu halten und Anstrengungen zu unternehmen, ihn auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.
Deutschland unterstützt die Umsetzung von Agenda 2030 und Pariser Klimaabkommen durch intensives Engagement auf internationaler Ebene und umfassende entwicklungspolitische Initiativen mit den Partnerländern.
Der Aufbau sozial und ökologisch nachhaltiger Lieferketten und eine engere Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, den Kommunen und der Zivilgesellschaft rückten in den Vordergrund.
Die Covid-19-Pandemie (ab 2020) und der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine (ab 2022) stellten die Partnerländer vor neue Herausforderungen. Um künftigen Pandemien vorzubeugen, setzt sich die deutsche Entwicklungspolitik dafür ein, die Schnittstellen zwischen den Bereichen Gesundheit und Biodiversität stärker in den Blick zu nehmen (One Health). Weitere Schwerpunkte des BMZ sind der sozial gerechte Übergang zu einer klima- und ressourcenschonenden Wirtschaftsweise (Just Transition), eine zukunftsweisende Transformation der Agrar- und Ernährungssysteme und eine verantwortungsvolle Flucht- und Migrationspolitik.
Als neuer Politikansatz hielt zudem die feministische Entwicklungspolitik Einzug ins BMZ. Sie stellt die Menschenrechte mit den damit verbundenen Prinzipien der Chancengleichheit und Partizipation in den Mittelpunkt und zielt darauf ab, diskriminierende (Macht-) Strukturen und soziale Normen zu überwinden.
Seit der Gründung des Bundesentwicklungsministeriums vor mehr als 60 Jahren hat sich der Charakter der Entwicklungspolitik geändert: Das BMZ arbeitet heute eng mit selbstbewussten und gleichberechtigten Partnern im Globalen Süden zusammen, um globalen und lokalen Herausforderungen zu begegnen und sich für gemeinsame Werte und Interessen einzusetzen. Diese vertrauensvolle Partnerschaft ist wichtiger denn je: Konflikte, Kriege und durch den Klimawandel ausgelöste Umweltkatastrophen treten immer häufiger auf, die Zahl der Hungernden steigt ebenso an wie die Zahl der Menschen auf der Flucht. Den aktuellen Krisen kann nur begegnet werden, wenn weltweit eng und solidarisch zusammengearbeitet wird.