Rückblick und Ausblick Die Geschichte des Ministeriums
1952–1970 Erste entwicklungspolitische Aktivitäten
Die Bundesrepublik Deutschland engagierte sich 1952 erstmals konkret für Entwicklungspolitik, indem sie sich am "Erweiterten Beistandsprogramm der Vereinten Nationen für wirtschaftliche Entwicklung unterentwickelter Länder und Regionen" beteiligte. Weitere Aktivitäten folgten und Schritt für Schritt wurde die Entwicklungspolitik zu einer neuen Staatsaufgabe – was schließlich 1961 zur Gründung eines eigenen Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) führte. Als "Geburtstag" des BMZ gilt der 14. November 1961. An diesem Tag wurde Walter Scheel zum ersten Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit ernannt.
Scheel übernahm keine leichte Aufgabe: Das BMZ spielte innerhalb der Bundesregierung zunächst nur eine koordinierende Rolle. Die Zuständigkeit für technische Unterstützung und Beratung sowie Kapitalhilfe lag weiterhin beim Auswärtigen Amt beziehungsweise beim Wirtschafts- und Finanzministerium.
Erst in den 1970er Jahren ging die Verantwortung für die technische (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) und finanzielle Zusammenarbeit (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) endgültig auf das BMZ über. Die Federführung für die Entwicklungspolitik der Europäischen Union wurde erst 1998 auf das BMZ übertragen.
Marie Schlei, Bundesentwicklungsministerin von 1976 bis 1978, bei einer Grundsteinlegung für ein Projekt in Kenia
Und auch außenpolitisch war der deutschen Entwicklungspolitik ein enger Rahmen vorgegeben: Im Zuge des "Kalten Krieges" versuchten die westlichen Staaten ebenso wie die Länder des Ostblocks ihren Einflussbereich stetig auszuweiten – auch in den Entwicklungsländern.
So war die Bundesrepublik einem gewissen Druck der Bündnispartner ausgesetzt, sich stärker international zu engagieren, um den Einfluss des Ostblocks einzudämmen. Das führte zum Beispiel dazu, dass die Bundesrepublik die Entwicklungszusammenarbeit mit Ländern einstellte, die diplomatische Beziehungen zur DDR aufnahmen ("Hallstein-Doktrin").
Hans-Jürgen Wischnewski, Entwicklungsminister von 1966 bis 1968, beim Besuch einer technischen Schule in Thailand.
Inhaltlich war die Politik des BMZ in den 1960er Jahren auf die Förderung der Wirtschaft, die Integration der Entwicklungsländer in den Weltmarkt und die Wahrung eigener Außenhandelsinteressen ausgerichtet. Die Überzeugung jener Zeit war, dass wirtschaftliches Wachstum längerfristig auch den ärmeren Bevölkerungsschichten zugutekommen würde und dass eine Mittelschicht entstehen würde, die dann einen politischen Wandel zu mehr Demokratie und Partizipation durchsetzen könnte.
1970–1990 Partnerschaftlicher Ansatz der Entwicklungspolitik
In den 1970er Jahren kamen in den westlichen Industrieländern immer mehr Zweifel an diesem rein wachstumsorientierten Entwicklungsmodell auf, da es damit nicht gelang, ein weiteres Anwachsen der Armut zu verhindern. In der deutschen Gesellschaft formierte sich eine "Dritte-Welt-Bewegung", die ein neues Verhältnis zwischen reichen und armen Staaten einforderte: weg von der reinen Geber- und Empfängerrolle, hin zu einer Partnerschaft Gleichberechtigter.
Das BMZ richtete sein Augenmerk nun stärker auf die Grundbedürfnisse der Menschen, etwa nach Nahrung, Bildung und Gesundheit. Auch die Rolle der Frauen geriet ins Blickfeld – ihr Potenzial, zur Entwicklung beizutragen, war bis dahin vernachlässigt worden. Noch vermied die Entwicklungspolitik es jedoch konsequent, sich in innenpolitische Angelegenheiten der Partnerländer einzumischen.
Bundesminister Jürgen Warnke (rechts) und Costa Ricas Außenminister Carlos José Gutierrez tauschen 1985 im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit in Bonn nach Unterzeichnung eines Finanzhilfeabkommens zwischen beiden Ländern die Urkunden aus.
Auch die sogenannte multilaterale Zusammenarbeit gewann in den 1970er und 1980er Jahren stark an Bedeutung. So unterstützte die Bundesrepublik europäische Abkommen mit Entwicklungsländern in Afrika, der Karibik und im Pazifik, die Finanzhilfen und Handelserleichterungen vorsahen (Lomé-Abkommen).
Auch die Strukturanpassungsprogramme des Internationalen Währungsfonds (IWF (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen)) und der Weltbank (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) für hochverschuldete Länder fanden in der deutschen Politik breite Zustimmung. Sie knüpften die Vergabe neuer Kredite an umfangreiche Auflagen wie Marktliberalisierung und Sparmaßnahmen im Staatshaushalt. Und ab Mitte der 1980er berücksichtigte das BMZ bei seiner Politik einen weiteren neuen Aspekt: Nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 wurden Umweltbelange stärker thematisiert.
1949–1990 Entwicklungspolitik in der DDR
Die Deutsche Demokratische Republik (DDR) hat ihr Engagement in Entwicklungsländern stets als "solidarische Unterstützung" verstanden und sich dadurch bewusst von der westdeutschen und westeuropäischen "Entwicklungshilfe" abgegrenzt. Dementsprechend hat sich das Engagement der DDR weitgehend auf sozialistische Länder wie zum Beispiel Angola, Mosambik, Äthiopien und Kuba beschränkt.
Schon in den 1960er Jahren engagierte sich die DDR in vielen der gerade unabhängig gewordenen afrikanischen Staaten. Ein wichtiges Ziel dieses Engagements war, von möglichst vielen Staaten eine offizielle diplomatische Anerkennung zu erhalten – die Bundesrepublik versuchte gleichzeitig, dies zu verhindern. In Afrika entstand dadurch ein gewisser Wettbewerb der west- und ostdeutschen Weltanschauungen.
Ein Schwerpunkt der DDR-Entwicklungspolitik war die Zusammenarbeit im Bildungssektor. Insgesamt haben mehr als 30.000 junge Menschen aus Entwicklungsländern in der DDR studiert, rund 200.000 erhielten eine Aus- oder Weiterbildung.
Im Rahmen der Wiedervereinigung wurde ein "entwicklungspolitischer Runder Tisch" eingerichtet, der die Entwicklungszusammenarbeit der beiden deutschen Staaten zusammenführen sollte. Die Herausforderung war, laufende Programme geregelt zu Ende zu führen. Schüler, Studenten oder Auszubildende aus Entwicklungsländern, die sich in der DDR aufhielten, wurden zum Beispiel zunächst weiter betreut. Um ihre Wiedereingliederung im Heimatland zu erleichtern, wurden unter anderem Existenzgründungsprogramme ins Leben gerufen.
Für die weitere Förderung von Projekten und Programmen wurden nach der Wiedervereinigung bestimmte Bedingungen an die Partnerländer gestellt – zum Beispiel eine demokratische Gesellschaftsordnung. Viele der von der ehemaligen DDR geförderten Länder konnten deshalb nach 1990 nicht mehr weiter unterstützt werden. Einzelne Vorhaben wurden weitergeführt – ein Beispiel dafür ist ein Berufsbildungsprogramm im Jemen.
Ein Erbe der DDR-Zeit sind viele bis heute bestehende sehr gute Kontakte zu Expertinnen und Experten in den Partnerländern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, die ihre Ausbildung in der DDR erhalten haben.
1990–2000 Neue Herausforderungen nach den politischen Umbrüchen in Europa
Bundesentwicklungsminister Carl-Dieter Spranger 1995 in Albanien
Die revolutionären Veränderungen in Osteuropa, die Auflösung der Sowjetunion und damit der Wegfall des Ost-West-Konflikts und auch das Ende des Apartheid-Systems in Südafrika befreiten die deutsche Entwicklungspolitik Anfang der 1990er Jahre von strategischen und ideologischen Fesseln. Doch neue Konflikte brachten neue Herausforderungen mit sich: Die Kriege im ehemaligen Jugoslawien, der Staatszerfall in Somalia und der Völkermord in Ruanda stellten die internationale Staatengemeinschaft vor die Frage, wann und wie in Konflikte eingegriffen werden kann und muss.
Auch das BMZ verabschiedete sich nun vom Grundsatz der Nichteinmischung und formulierte eine stärker werteorientierte Politik. Demokratie, gute Regierungsführung und die Einhaltung der Menschenrechte wurden zu wichtigen Faktoren in der Zusammenarbeit mit den Partnerländern.
Die 1990er Jahre waren die Zeit der großen Weltkonferenzen. Dazu zählten die Umweltkonferenz von Rio de Janeiro 1992, die Weltkonferenz für Menschenrechte in Wien 1993, die Bevölkerungskonferenz in Kairo 1994, der Weltsozialgipfel in Kopenhagen 1995 und die Weltfrauenkonferenz in Peking im gleichen Jahr. Diese Konferenzen waren wichtige Schritte zu der Erkenntnis, dass die Probleme einer globalisierten Welt nicht von einzelnen Staaten gelöst werden können sondern abgestimmte globale Lösungen erfordern.
2000–2014 Zukunftspolitik im Zeichen der Millenniumsentwicklungsziele
Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul bei der Verabschiedung der ersten 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Freiwilligendienstes "weltwärts" 2008 in Berlin
Der weltpolitische Ansatz führte im Jahr 2000 zur Millenniumserklärung (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) von New York. Die Staatengemeinschaft nahm sich vor, gemeinsam gegen drängende globale Probleme wie Armut, Hunger, Kindersterblichkeit, Bildungsmangel und Infektionskrankheiten vorzugehen. 2001 wurden acht konkrete Ziele vereinbart, die bis 2015 erreicht werden sollen – die Millenniumsentwicklungsziele (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) (MDGs). Sie haben seitdem die internationale und die deutsche Entwicklungspolitik bestimmt.
Politische und kulturelle Konflikte, Nahrungsmittelkrisen, die sichtbar werdenden Folgen des Klimawandels und die globale Wirtschafts- und Finanzkrise prägten das erste Jahrzehnt des neuen Jahrtausends. Angesichts dieser neuen Herausforderungen wurde der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung zum Leitprinzip für die Arbeit des BMZ: Entwicklung muss wirtschaftlich effizient, sozial gerecht und ökologisch tragfähig sein, um dauerhaft Frieden und Wohlstand für alle zu schaffen. Ziel ist eine soziale und ökologische Marktwirtschaft, durch die auch die Menschen in den Entwicklungsländern von der Globalisierung profitieren.
Innerhalb der Bundesregierung wird nachhaltige Entwicklung (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) heute als Querschnittsaufgabe der Außen-, Wirtschafts-, Umwelt- und Sicherheitspolitik angesehen. Das BMZ setzt sich dafür ein, durch eine abgestimmte Politik der einzelnen Bundesressorts die Effizienz, Wirksamkeit, Transparenz und Sichtbarkeit der entwicklungspolitischen Aktivitäten zu verbessern.
Diesem Ziel diente zum Beispiel auch eine Strukturreform der deutschen Entwicklungszusammenarbeit: Verschiedene Durchführungsorganisationen (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) der technischen Zusammenarbeit wurden 2011 unter dem Dach der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen)) vereint. Zivilgesellschaftliche (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) und kommunale Aktivitäten fördert das BMZ seit 2012 zentral über die Servicestelle Engagement Global. Und der Erfolg der entwicklungspolitischen Maßnahmen wird nun durch das unabhängige Deutsche Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit (DEval) analysiert und bewertet.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesentwicklungsminister Gerd Müller mit Teilnehmern des Zukunftsforums bei der Übergabe der Zukunftscharta im November 2014 in Berlin
Großen Wert legt das BMZ heute darauf, in einen gesellschaftlichen Dialog einzutreten: Die Politik braucht die Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger, der Vereine, gemeinnützigen Organisationen und Stiftungen, der Kirchen, der Wissenschaft und der Wirtschaftsunternehmen. Nur gemeinsam lässt sich eine Entwicklungspolitik gestalten, die den Menschen und seine Würde in den Mittelpunkt stellt und Wohlstand für alle zum Ziel hat. Ein Forum für einen solchen gesellschaftlichen Dialog und charakteristisch für die neu ausgerichtete deutsche Entwicklungszusammenarbeit war zum Beispiel das Diskussionsforum "Zukunftscharta EineWelt – unsere Verantwortung", zu dem das BMZ im Jahr 2014 eingeladen hat. Die Öffentlichkeit konnte sich an diesem Forum mit Ideen für die zukünftige Gestaltung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit beteiligen.
Seit 2015 17 Ziele für eine bessere Welt
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller beim Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung 2015 in New York
Im Jahr 2015 hat die Weltgemeinschaft zwei wichtige Fahrpläne für die nächsten Jahre verabschiedet, mit denen sie die Herausforderungen, die die gesamte Menschheit betreffen, gemeinsam angehen will:
Im September 2015 einigten sich alle 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen auf einen Vertrag, in dem es um die Zukunft der Menschheit geht: die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen). Menschen auf der ganzen Welt haben an der Formulierung des Textes mitgewirkt. In seinem Mittelpunkt stehen 17 Entwicklungsziele für eine bessere und gerechtere Welt (englisch: Sustainable Development Goals, SDGs). Die 17 Ziele gelten universal und für alle Länder gleichermaßen. Sie reichen von der Beseitigung des weltweiten Hungers über die Stärkung von nachhaltigem Konsum und nachhaltiger Produktion bis hin zu Maßnahmen für den Klimaschutz.
Im Dezember 2015 wurde auf der Weltklimakonferenz in Paris das erste universell verbindliche Klimaabkommen verabschiedet. Im Pariser Klimaabkommen (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) hat sich die Staatengemeinschaft vorgenommen, den durchschnittlichen weltweiten Temperaturanstieg auf deutlich unter zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu halten und Anstrengungen zu unternehmen, ihn auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.
Deutschland unterstützt die gemeinsame Umsetzung der Agenda 2030 und des Pariser Klimaabkommens durch zahlreiche entwicklungspolitische Initiativen in den Partnerländern und durch intensives Engagement auf internationaler Ebene.
Wichtige Arbeitsschwerpunkte der deutschen Entwicklungszusammenarbeit sind dabei die ländliche Entwicklung und Ernährungssicherung, die Achtung der Menschenrechte und gute Regierungsführung, Frieden, Energie und Klimaschutz sowie die Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards, unter anderem in internationalen Lieferketten.