Körperliche Selbstbestimmung und reproduktive Gesundheit
Durch den Ansatz der feministischen Entwicklungspolitik stärkt die deutsche Entwicklungszusammenarbeit die Möglichkeiten von Frauen und Mädchen selbstbestimmt über ihr Leben entscheiden zu können: Sie verbessert ihren Zugang zu Aufklärung und Informationen, zu Verhütungsmitteln sowie zu Gesundheitsdiensten, die eine professionelle Betreuung rund um Schwangerschaft und Geburt ermöglichen. Das kommt der gesamten Gesellschaft zugute und macht sie gerechter, nachhaltiger und erfolgreicher.
Körperliche Selbstbestimmung muss selbstverständlich sein – für alle.
Hintergrund Zahlen und Fakten
Die Menschenrechte im Bereich der reproduktiven Gesundheit, Sexualität und Familienplanung sind bei weitem nicht für alle gesichert. Frauen, Mädchen und LSBTIQ+-Personen (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) sind besonders stark betroffen:
- Täglich sterben nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) fast als 800 Frauen an Komplikationen während der Schwangerschaft und Geburt. Das sind etwa 290.000 pro Jahr – mehr als 90 Prozent dieser Todesfälle ereignen sich in Ländern des Globalen Südens (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen).
- Laut einer wissenschaftlichen Studie sind weltweit rund 40 Prozent aller Schwangerschaften unbeabsichtigt. Sechs von zehn ungeplanten Schwangerschaften werden abgebrochen – davon fast die Hälfte unter gefährlichen Bedingungen. Ein maßgeblicher Anteil der Müttersterblichkeitsfälle steht im Zusammenhang mit nicht fachgerecht durchgeführten Schwangerschaftsabbrüchen.
- Schätzungsweise 270 Millionen Frauen weltweit, die eine Schwangerschaft vermeiden möchten, haben keinen Zugang zu modernen Mitteln der Familienplanung.
- Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass mehr als 200 Millionen Mädchen und Frauen in Asien, dem Mittleren Osten und Afrika von einer Genitalverstümmelung (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) betroffen sind.
- Viele Mädchen und Frauen erleiden sexualisierte oder physische Gewalt – Schätzungen der WHO deuten darauf hin, dass weltweit fast ein Drittel aller Frauen im Laufe ihres Lebens davon betroffen sind.
- In 67 Ländern sind gleichgeschlechtliche Partnerschaften unter Strafe gestellt. In elf dieser Länder kann sogar die Todesstrafe verhängt werden.
- Weltweit heiraten jedes Jahr rund zwölf Millionen Mädchen unter 18 Jahren. Für die meisten Mädchen bedeutet dies das Ende ihrer Ausbildung. Frühe Geburten wirken sich negativ auf ihre Gesundheit und die ihrer Kinder aus.
- 2021 infizierten sich etwa 1,5 Millionen Menschen neu mit HIV. Besonders betroffen sind junge Frauen, Männer, die Sex mit Männern haben, Menschen, die Drogen nehmen, Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter und deren Klienten, Menschen in Gefängnissen und Personen mit Transgeschlechtlichkeit.
- In vielen Ländern ist der Zugang zu Impfstoffen, die gegen sexuell übertragbare Infektionen mit den krebsauslösenden Humanen Papillomviren (HPV) oder Hepatitis-B-Viren schützen können, stark eingeschränkt.
Wartende Patientinnen in der Geburtsstation des Nkhoma-Krankenhauses in Malawi
Deutsches Engagement Weltweit für körperliche Selbstbestimmung und reproduktive Gesundheit
In Kairo entschied sich die Staatengemeinschaft, auf einen politischen Ansatz überzugehen, der sich weniger an der Bevölkerungspolitik von Staaten als am einzelnen Menschen und seinen Rechten orientiert.
Der Schutz dieser Rechte ist nicht nur wichtig für jede Einzelne und jeden Einzelnen. Er hat auch positive Wirkungen auf ganze Gesellschaften. So haben umfassende Sexualaufklärung und der Zugang zu selbstbestimmter Familienplanung in der Regel auch einen Einfluss auf die Geburtenraten.
Für viele Entwicklungsländer ist es eine große Herausforderung, ihrer wachsenden Bevölkerung gute Lebensbedingungen zu ermöglichen. Ein langsameres Bevölkerungswachstum kann für die Menschen in diesen Ländern die Chance auf eine bessere Zukunft erhöhen. Gleichzeitig stellen junge Menschen eine große Ressource für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung dar. Gezielte Investitionen in Gesundheit, Bildung und Beschäftigung sowie Rechtssicherheit für junge Frauen und Männer ermöglichen eine nachhaltige Bevölkerungsentwicklung und die Chance für beschleunigtes wirtschaftliches Wachstum.
Internationale Zusammenarbeit
Ein wichtiger Schwerpunkt des Entwicklungsziels 3 zu Gesundheit liegt darauf, die Zahl der Todesfälle von Müttern, Neugeborenen und Kindern weiter zu vermindern. Auch die Beendigung der HIV-Epidemie ist Teil des dritten Entwicklungsziels.
Die Bundesregierung setzt sich zusätzlich auch für Aspekte der sexuellen und reproduktiven Gesundheit ein, die nicht in die Ziele für nachhaltige Entwicklung aufgenommen wurden. Dazu gehören der Zugang von Jugendlichen zu umfassender Sexualaufklärung und die Beendigung jeglicher Diskriminierung wegen der persönlichen sexuellen Orientierung.
Partnerschaften
Deutschland engagiert sich auf internationaler Ebene in verschiedenen Foren und Partnerschaften. Dazu gehören zum Beispiel die Partnerschaft für die Gesundheit von Müttern, Neugeborenen und Kindern (Externer Link) (Partnership for Maternal, Newborn and Child Health, PMNCH), die Initiative „Family Planning 2030 (Externer Link)“ und die „Every Woman Every Child“-Kampagne des UN-Generalsekretärs.
Große Fortschritte und vielversprechende Ansätze
Obwohl noch zahlreiche Herausforderungen bestehen, wurden in vielen Bereichen der sexuellen und reproduktiven Gesundheit große Fortschritte erreicht. Einige Beispiele:
- Die Zahl der Todesfälle von Müttern in Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt ist zwischen 2000 und 2020 um 34 Prozent gesunken. Dies wurde vor allem durch einen verbesserten Zugang zu Gesundheitsdiensten und zu professioneller Geburtsbegleitung erreicht.
- Immer mehr Menschen erhalten Zugang zu Informationen über Methoden der Familienplanung und zu umfassender Sexualaufklärung. Die Zahl der Frauen, die moderne Familienplanungsmethoden verwenden, hat sich von 1990 bis 2021 fast verdoppelt – von 467 Millionen auf 874 Millionen.
- Durch die Kombination von verschiedenen Präventionsmethoden und durch eine Ausweitung der antiretroviralen Therapie von Infizierten wurde die Zahl der Neuinfektionen mit HIV und die Zahl der Todesfälle durch Aids stark verringert.
Das Zusammenspiel verschiedener Faktoren hat die Fortschritte im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit möglich gemacht. Dazu gehören die Entwicklung von neuen oder wirksameren Medikamenten und Methoden zur Prävention, Diagnostik oder Behandlung, sowie ihre Verbreitung, genauso wie die Ausbildung von Fachkräften und andere Maßnahmen zur Stärkung von Gesundheitssystemen.
Wichtig ist auch eine gute und engagierte Regierungsführung, die das Recht auf Selbstbestimmung fördert, Korruption und Ineffizienz minimiert, Bürger und Patienten beteiligt und die richtigen Ziele formuliert und konsequent verfolgt. Dabei dürfen sich die Bemühungen nicht auf den Gesundheitssektor beschränken, sondern müssen auch andere Bereiche einschließen. So hat insbesondere der Zugang von Mädchen zu Bildung vielfältige positive Wirkungen auf ihre sexuelle und reproduktive Gesundheit und stärkt gleichzeitig ihre Rechte und Teilhabe.
Umfassendes deutsches Engagement für körperliche Selbstbestimmung und Gesundheit
Die Initiative „Selbstbestimmte Familienplanung und reproduktive Gesundheit für alle“ bündelt viele Programme der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Zwischen 2011 und 2021 wurden dafür mehr als 1,2 Milliarden Euro zugesagt, vor allem für Maßnahmen zur Vermeidung unbeabsichtigter Schwangerschaften und zur Förderung sicherer Schwangerschaften und Geburten.
Zurzeit werden im Rahmen der Initiative mehr als 20 Partnerländer in Afrika und Asien unterstützt. Weitere Länder werden durch Regionalvorhaben und die Arbeit von kirchlichen und anderen Nichtregierungsorganisationen erreicht. Beispielsweise erhielten dank der Initiative bis 2020 rund 37 Millionen Paare Zugang zu modernen Verhütungsmitteln und konnten unbeabsichtigte Schwangerschaften verhindern. Die Initiative wurde bis 2025 verlängert.
Zudem unterstützt das BMZ die Internationale Föderation für Familienplanung (International Planned Parenthood Federation (Externer Link), IPPF). Die Mitgliedsorganisationen dieses Dachverbands ermöglichen Menschen in 170 Ländern direkten Zugang zu Methoden der Familienplanung und zu Gesundheitsdiensten. Die IPPF ist international eine wichtige Stimme für sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte.
Deutschland ist außerdem ein wichtiger Geber für große Gesundheitsfonds, etwa für die Global Financing Facility (Externer Link) (GFF), die Impfallianz GAVI (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) oder den Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria (GFATM).
Zwischen 2002 und 2022 hat Deutschland etwa 5,1 Milliarden US-Dollar in den GFATM eingezahlt und ist damit viertgrößter staatlicher Geber des Fonds. Das Engagement der Impfallianz GAVI für Grundimmunisierung und Gesundheitssystemstärkung hat Deutschland seit 2006 mit mehr als 1,36 Milliarden Euro unterstützt und ist der viertgrößte staatliche Geber der Impfallianz.
Zusammenarbeit konkret Mosambik: Sexualaufklärung in Berufsbildungszentren
In Mosambik werden sehr viele Mädchen vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet und schwanger. Ungeplante Schwangerschaften sind ein häufiger Grund für junge Frauen, vorzeitig ihre Schul- oder Berufsausbildung abzubrechen. Damit die Frauen ihr Recht auf Selbstbestimmung ausüben können, benötigen sie Sexualaufklärung und Zugang zu Verhütungsmitteln.
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstützt Mosambik dabei, an fünf Berufsbildungszentren Sexualaufklärung einzuführen. Dazu bietet die Initiative Pro-Educação den Auszubildenden Zugang zu Verhütungsmitteln und berät sie zu Lebens- und Familienplanung, Schwangerschaft und sexuell übertragbaren Krankheiten. Gleichzeitig werden auch Lehrkräfte und Eltern sowie traditionelle Gemeindevorstände über Sexualität, Familienplanung und die Folgen von ungeplanten Schwangerschaften informiert. Seit 2019 arbeitet Pro-Educação daran, Sexualaufklärung in die Lehrpläne der Grund- und Berufsbildung zu integrieren und dadurch die Chancen der jungen Frauen auf eine lebenswerte Zukunft zu erhöhen.
Stand: 28.04.2023