Tunesien Land im Umbruch
Doch das als Hoffnungsträger geltende Land in Nordafrika hat mit politischer Instabilität, sozialen Ungleichheiten und einer schweren Wirtschaftskrise zu kämpfen. Die Corona-Pandemie führte 2020 zu einem massiven Wirtschaftseinbruch (minus 8,8 Prozent) und verdeutlichte die Verschleppung notwendiger Strukturreformen.
Durch Machtkämpfe in der Staatsführung, häufige Regierungswechsel, eine stark zersplitterte Parteienlandschaft und eine weit verbreitete Korruption ist der Reformprozess ins Stocken geraten. Die Lebensumstände der Bevölkerung haben sich seit dem politischen Umbruch vor zehn Jahren nicht spürbar verbessert. Die erhoffte "Demokratiedividende" ist ausgeblieben. Immer wieder entlädt sich der Unmut in Streiks und teils gewaltsamen Protesten.
Ende Juli 2021 nahm Staatspräsident Kais Saied landesweite Proteste gegen die Politik und das Corona-Krisenmanagement der Regierung zum Anlass, die Regierungsgeschäfte zu übernehmen, den Premierminister sowie weitere Kabinettsmitglieder zu entlassen und die Arbeit des Parlaments für zunächst 30 Tage auszusetzen. Seitdem steht Tunesien am Scheideweg: Es gilt nun, die demokratischen Errungenschaften zu sichern, das Land auf eine wirtschaftlich und finanzpolitisch solide Grundlage zu stellen sowie die Corona-Pandemie dauerhaft einzudämmen.
Deutsche Entwicklungszusammenarbeit mit Tunesien
Deutschland hat großes Interesse an der Stabilisierung der Region in unmittelbarer Nachbarschaft zu Europa; Tunesien als Land im demokratischen Transformationsprozess ist hier ein strategisch wichtiger Partner. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat die Mittel für Tunesien nach dem politischen Umbruch von 2010/2011 daher deutlich erhöht. 2020 wurden 190,4 Millionen Euro neu zugesagt.
Den übergreifenden Rahmen des deutschen Engagements bildet die Reformpartnerschaft mit Tunesien als Element des Marshallplans mit Afrika. Sie wurde 2017 als bilateraler Beitrag zur G20 (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen)-Initiative "Compact with Africa" geschlossen und unterstützt konkrete Reformschritte im Finanz- und Bankensektor und im öffentlichen Sektor. Eine Ausweitung auf alle vereinbarten Arbeitsbereiche der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit ist geplant.
Zusammenarbeit in vier Kernthemen
Im Rahmen des Reformkonzepts BMZ 2030 wird die Entwicklungszusammenarbeit mit Tunesien derzeit strategisch neu aufgestellt. Mit den tunesischen Partnern soll eine Fokussierung in den kommenden Jahren auf folgende Kernthemen vereinbart werden:
- Ausbildung und nachhaltiges Wachstum für gute Jobs
Aktionsfelder: berufliche Bildung, Privatsektor- und Finanzsystementwicklung - Frieden und gesellschaftlicher Zusammenhalt
Aktionsfeld: gute Regierungsführung - Verantwortung für unseren Planeten – Klima und Energie
Aktionsfeld: erneuerbare Energie und Energieeffizienz - Schutz unserer Lebensgrundlagen – Umwelt und natürliche Ressourcen
Aktionsfeld: Wasser
Beschäftigungsförderung ist ein übergreifendes Ziel der Entwicklungszusammenarbeit. Entsprechende Projekte werden insbesondere in den strukturschwachen Regionen im Hinterland gefördert, um vor Ort Lebensperspektiven zu schaffen und irregulärer Migration vorzubeugen.
Corona-Soforthilfe
Die Corona-Pandemie hat Tunesien hart getroffen. Nachdem das Land die erste Infektionswelle im Frühjahr 2020 durch harte Einschränkungen gut gemeistert hatte, stiegen die Infektionszahlen ab Sommer 2020 stark an. Im Frühjahr 2021 war das tunesische Gesundheitssystem stark überlastet.
Das BMZ hat ein Corona-Soforthilfeprogramm mit Tunesien aufgelegt. Durch Umsteuerung und die Bewilligung zusätzlicher Haushaltsmittel konnte das BMZ 43 Millionen Euro zur Bewältigung der Corona-Pandemie zur Verfügung stellen. Diese Mittel flossen unter anderem in medizinische Hygieneartikel sowie Notfallgeneratoren und Beatmungsgeräte für Krankenhäuser. Unterstützt wurden außerdem Sozialtransfers für bedürftige Familien und die Impfstoffkampagne.