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Türkei Herausforderung Flucht gemeinsam meistern
Engagement des Entwicklungsministeriums (BMZ) für die vom Erdbeben betroffenen Menschen in der türkisch-syrischen Grenzregion
Am 6. Februar 2023 ereigneten sich in der Türkei und in Syrien zwei Erdbeben der Stärke 7,8 und 7,7 auf der Richterskala mit katastrophalen Auswirkungen. Diese forderten 60.000 Todesopfer, Millionen Menschen wurden obdachlos. Auch das Ausmaß der materiellen Zerstörung ist immens: Alleine in der Türkei sind über 500.000 Wohneinheiten zerstört. In Hatay (einer von zwölf betroffenen türkischen Provinzen) wurden bis zu 80 Prozent der öffentlichen Infrastruktur vernichtet. In Syrien sind insbesondere die an Hatay angrenzenden Provinzen Afrin, Harim und Latakia schwer betroffen. Die Weltbank und die Vereinten Nationen schätzen die Kosten in der Türkei auf über 100 Milliarden Euro; in Syrien schätzen die Vereinten Nationen die Kosten der Beseitigung der Erdbebenschäden auf über 15 Milliarden Euro.
Die internationale Gemeinschaft reagierte auf das Erdbeben mit großer Solidarität. Über 11.000 Hilfskräfte aus über 80 Staaten waren vor Ort (vor allem in die Türkei), in großem Umfang wurden humanitäre- und technische Hilfsguter der Türkei und Syrien zur Verfügung gestellt. Am 20.März 2023 fand eine durch die EU organisierte Geberkonferenz für die Opfer der Erdbeben statt, auf der Zusagen von rund sieben Milliarden Euro getätigt wurden – davon rund 2,6 Milliarden Euro an Zuschüssen an die Türkei und an Syrien. Die Bundesregierung war mit einer Zusage von 238 Millionen Euro (davon 210 Millionen Euro humanitäre Hilfe des Auswärtigen Amts und 28 Millionen Euro Mittel des BMZ) unter den größten bilateralen Gebern der Konferenz.
Das Erdbeben traf eine bereits zuvor von einer humanitären Krise gezeichnete Gegend: So lebten circa 4,7 bis 5,0 Millionen syrische Geflüchtete beziehungsweise Binnenvertriebene in der Erdbebenregion (circa 3,0 Millionen in Syrien und 1,7 bis 2,0 Millionen in Türkei. Vor diesem Hintergrund war das BMZ bereits vor dem Erdbeben in dieser Region umfassend engagiert.
So wurden in Syrien 2023 rund neun Millionen Euro für mehrjährige Projekte zur Verfügung gestellt, mit denen beispielsweise der Gesundheitssektor in Nordwestsyrien gestützt oder die landwirtschaftliche Produktion gefördert wird. In Reaktion auf das Erdbeben hat das BMZ im Jahr 2023 darüber hinaus 19,5 Millionen Euro für gezielte und teils mehrjährige Maßnahmen, zum Beispiel zur Wiederherstellung kritischer Infrastruktur für die Daseinsvorsorge der Bevölkerung im Erdbebengebiet, zur Verfügung gestellt, unter anderem zur Reparatur von Schäden an Krankenhäusern, Schulen, Wasserleitungen und Bäckereien.
In der Türkei wurden 2023 Mittel in Höhe von 24,7 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Unsere Maßnahmen zielen insbesondere auf den verbesserten Zugang zu Bildungsangeboten (Schulbildung, berufliche Ausbildung, non-formale Bildung) und Beschäftigungsförderung sowie soziale Kohäsion. Wichtigste Partner sind neben den Kommunen vor allem internationale Organisationen (UNICEF, ILO), lokale Nichtregierungsorganisationen und Wirtschaftsverbände. Zudem erfolgten Umwidmungen bestehender Zusagen wegen der Beben in Höhe von 13,5 Millionen Euro unter anderem für Lebensmittelhilfe, Ausstattung von Notunterkünften, Hygienemaßnahmen und psychosoziale Betreuung von Opfern, vor allem Mädchen und Frauen.
Für 2024 sind zusätzliche Zusagen für eine Weiterführung des Engagements in der Türkei (überwiegend im Erdbebengebiet) und Nordwestsyrien sowie bedarfsgerechte Wiederherstellungsmaßnahmen in Planung. Mit der Türkei verhandeln zudem die Weltbank und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) über Kredite zum Wiederaufbau.
Die Türkei ist ein wichtiges Bindeglied zwischen Europa und Asien sowie zur islamischen Welt. Sie zählt zu den Schwellenländern (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen), deren Wirtschaft sich in den vergangenen Jahren sehr dynamisch entwickelt hat. Geopolitisch spielt die Türkei eine wichtige Rolle, da sie an mehrere Regionen grenzt, die immer wieder Spannungen ausgesetzt sind: den Balkan, die Kaukasus-Region sowie den Nahen und Mittleren Osten.
Die deutsche entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit der Türkei begann im Jahr 1958 und wurde 2008 mit einer letzten Zusage abgeschlossen. Aktuell unterstützt Deutschland das Land bei der Versorgung der Menschen, die vor dem Krieg in Syrien in die Türkei geflohen sind. Eine Wiederaufnahme der regulären bilateralen Entwicklungszusammenarbeit ist nicht vorgesehen.
Deutsches Engagement Bildung und Beschäftigung
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat seit 2015 etwa 801 Millionen Euro für strukturbildende Maßnahmen zur Unterstützung der syrischen Geflüchteten und der türkischen aufnehmenden Gemeinden zur Verfügung gestellt.
Schulangebote und berufliche Bildung
Das Engagement des BMZ konzentriert sich auf die Unterstützung der Geflüchteten und der aufnehmenden Gemeinden in den Bereichen Schulbildung, berufliche Ausbildung, Beschäftigungsförderung sowie sozialer Zusammenhalt: Durch Schulangebote soll eine „verlorene Generation“ an syrischen Flüchtlingskindern verhindert werden, die nur Krieg kennt und mangels Bildung keine positiven Lebensperspektiven entwickeln kann. Außerdem soll einer möglichen Radikalisierung von Jugendlichen vorgebeugt werden.
Gewaltprävention und sozialer Austausch sind ein Querschnittsanliegen der BMZ-Vorhaben. Dadurch, dass von den Maßnahmen immer sowohl Flüchtlinge als auch türkische Aufnahmegemeinden profitieren, wird der Austausch zwischen den Gruppen gestärkt und Missgunst vorgebeugt.
Berufsbildung und Maßnahmen zur beruflichen Qualifizierung sind der Grundstein für den Einstieg ins Berufsleben und ein selbstständiges Leben unabhängig von fremder Hilfe. Im Rahmen der Beschäftigungsinitiative Nahost werden seit Mitte 2016 kurzfristige und langfriste Beschäftigungsverhältnisse geschaffen, damit Familien sich selbst versorgen können und eine Bleibeperspektive haben. Ein wichtiger Partner bei der Umsetzung ist das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF).
Job-Offensive
Die von Deutschland unterstützten Maßnahmen zur Beschäftigungsförderung richten sich sowohl an Flüchtlinge als auch an Einheimische, die aufgrund des Flüchtlingszustroms Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt haben. Sie können ein schnell verfügbares Einkommen erzielen, indem sie im Rahmen sogenannter Cash-for-Work-Maßnahmen leichte Tätigkeiten in ihrer Gemeinde übernehmen, etwa Handwerksarbeiten, Aufgaben in der Abfallentsorgung oder bei der Instandhaltung von öffentlichen Gebäuden und Grünflächen. Außerdem werden Löhne finanziert, vor allem für zusätzliches Lehrpersonal.
Durch Beschäftigungsförderung sind seit 2016 über 100.000 Beschäftigungen entstanden und der Schulunterricht für fast 350.000 Kinder wurde sichergestellt.
Europäisches Engagement
Die bilaterale Zusammenarbeit Deutschlands mit der Türkei erfolgt zusätzlich zum europäischen Engagement im Rahmen des EU-Türkei-Aktionsplans vom November 2015 und der EU-Türkei-Erklärung vom März 2016. Die Vorhaben werden eng abgestimmt, um Doppelstrukturen zu vermeiden und einen Mehrwert zu erzeugen.
Die Bundesrepublik beteiligt sich finanziell an der EU-Fazilität für Flüchtlinge in der Türkei und weiteren Maßnahmen und ist Mitglied in der Koordinierungsgruppe zur Umsetzung der Vereinbarungen zwischen der Europäischen Union und der Türkei.
Zudem ist die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in der Türkei aktiv.
Entwicklungspolitische Kennzahlen
- Türkei
- Deutschland
Allgemeine Informationen
Hinweise für die Nutzung
Klicken Sie sich durch die oben angeordneten verschiedenen Rubriken und finden Sie aktuelle Zahlen aus der Türkei sowie – zum Vergleich – aus Deutschland.
Weitere Informationen zu den einzelnen Daten und die Quellenangabe können Sie mithilfe des i-Zeichens abrufen.
Gesamtbevölkerung
Erläuterung und Quellenangabe
Die Angabe zur Gesamtbevölkerung basiert auf der faktischen Definition von Bevölkerung, die alle Einwohnerinnen und Einwohner, die in einem Land ansässig sind, unabhängig von ihrem rechtlichen Status oder ihrer Staatsangehörigkeit umfasst. Die Zahlen geben die Schätzungen zur Jahresmitte wieder.
Quelle: Globale Entwicklungsdaten der Weltbank (Externer Link)
Fläche
Erläuterung und Quellenangabe
Gesamtfläche eines Landes (in Quadratkilometern) einschließlich der Gebiete unter Binnengewässern und einigen Küstenwasserstraßen.
Quelle: Globale Entwicklungsdaten der Weltbank (Externer Link)
Rang im HDI
Erläuterung und Quellenangabe
Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) veröffentlicht jährlich einen Bericht über die menschliche Entwicklung. Der darin enthaltene Index der menschlichen Entwicklung (englisch: Human Development Index, HDI) erfasst die durchschnittlichen Werte eines Landes in grundlegenden Bereichen der menschlichen Entwicklung. Dazu gehören zum Beispiel die Lebenserwartung bei der Geburt, das Bildungsniveau sowie das Pro-Kopf-Einkommen. Aus einer großen Zahl solcher Einzelindikatoren wird eine Rangliste errechnet.
SDG-Trends für die Türkei
- Auf Kurs oder Bewahrung
- Leichte Verbesserung
- Stillstand
- Abnehmend
- Informationen nicht verfügbar