Girlande mit kleinen Fahnen der Türkei

Aktuelle politische Situation Macht des Präsidenten stark ausgeweitet

Mit Blick auf den angestrebten Beitritt zur Europäischen Union hatte die türkische Regierung ab 2002 zahlreiche Reformschritte in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte unternommen.

Unter Präsident Recep Tayyip Erdoğan ist diese Reformpolitik jedoch zum Stillstand gekommen – in ihren jüngsten Länderberichten, so auch 2020, benennt die EU deutliche Rückschritte bei der rechtsstaatlichen und demokratischen Entwicklung des Landes. Unter anderem wurde die Unabhängigkeit der Justiz und die Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit stark eingeschränkt, ebenso der Handlungsspielraum zivilgesellschaftlicher Organisationen.

Im Juni 2018 trat eine Verfassungsänderung in Kraft, die die parlamentarische Demokratie durch ein Präsidialsystem ersetzte. Die Macht des Staatspräsidenten wurde stark erweitert, das Amt des Ministerpräsidenten abgeschafft. Präsident Erdoğan wurde im Sommer 2018 im Amt bestätigt.

Zehntausende entlassen oder in Haft

Nachdem im Juli 2016 Teile des Militärs geputscht hatten, verhängte die Regierung den Notstand. Als dieser nach zwei Jahren auslief, wurde eine Reihe von Sicherheitsgesetzen verabschiedet, die Sonderbefugnisse des Notstandsrechts in permanentes Recht überführten. Nach türkischen Regierungsangaben wurden seit dem Putschversuch mehr als 125.000 Staatsbedienstete aus dem Dienst entlassen, mehr als 30.000 Personen befanden sich zum Jahresbeginn 2019 wegen des Vorwurfs, eine Terrororganisation zu unterstützen, in Haft. Die Massenentlassungen und häufigen Umstrukturierungen in den zuständigen Behörden sowie die Verlagerung vieler Entscheidungskompetenzen auf die Zentralregierung in Ankara haben die entwicklungspolitische Zusammenarbeit wiederholt erschwert und zu Verzögerungen geführt.