Politische Situation Defizite bei Demokratie und Rechtsstaatlichkeit

Seit Nigeria 1960 unabhängig wurde, hat es zahlreiche politische Krisen durchlebt. Nach drei Jahrzehnten Militärherrschaft setzte 1999 ein Demokratisierungsprozess ein.

Tor in der nigerianischen Hauptstadt Abuja

Tor in der nigerianischen Hauptstadt Abuja

Tor in der nigerianischen Hauptstadt Abuja

Einen demokratischen Machtwechsel erlebte das Land erstmals 2015, als Muhammadu Buhari zum Staatspräsidenten gewählt wurde. 2019 wurde er in einem umstrittenen Wahlprozess im Amt bestätigt. 2023 gewann Bola Tinubu die Präsidentschaftswahl. Die Wahlbeteiligung betrug allerdings nur 29 Prozent. In einem Land mit rund 220 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern reichten Tinubu 8,8 Millionen Stimmen für den Sieg.

Insgesamt gelten die Wahlen in Nigeria bisher nur begrenzt als frei und fair. Unregelmäßigkeiten durch technische Mängel, Einschüchterungen und Stimmenkäufe sind weiterhin verbreitet. Dem politischen System fehlt es an einem echten Parteienwettbewerb, rechtsstaatlichen Kontrollmechanismen sowie an Transparenz und Rechenschaftspflichten.

Ein positives Zeichen für den Demokratisierungsprozess ist, dass die beiden unterlegenen Kandidaten der Präsidentschaftswahl 2023 zum Gewaltverzicht aufriefen, das Ergebnis nur mit juristischen Mitteln anfochten und die Abweisung ihrer Klage durch das Verfassungsgericht akzeptierten.

Zentrale Themen der Regierung Nigerias sind Sicherheit, Korruptionsbekämpfung und wirtschaftliche Reformen. Die Sicherheitslage hat sich in den vergangenen Jahren stetig verschlechtert.


Außenpolitisches Engagement

Nigeria versteht sich als aufstrebendes Schwellenland (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) und übernimmt auch Verantwortung auf der weltpolitischen Bühne, zum Beispiel bei Militär- und Polizeioperationen der Vereinten Nationen. Das internationale Friedensengagement ist allerdings in den vergangenen Jahren zurückgegangen, da sich Nigeria zunehmend auf die Sicherheitsherausforderungen im eigenen Land und in der Region konzentriert.

Als regionale Führungsmacht gestaltet Nigeria die Politik der Afrikanischen Union und der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen)) maßgeblich mit. Staatspräsident Tinubu wurde im Juli 2023 zum Vorsitzenden der ECOWAS gewählt. Nigeria setzt sich dafür, dass die Mitgliedsstaaten ihre Märkte zusammenführen und sich gemeinsam in den Bereichen Konfliktvermeidung und Krisenbewältigung engagieren.

Das Abkommen über die Afrikanische Freihandelszone (African Continental Free Trade Agreement, AfCFTA) hat Nigeria im November 2020 ratifiziert. Ein Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit der Europäischen Union hat Nigeria als einziges ECOWAS-Mitglied bislang nicht unterzeichnet.

Menschenrechte

Die Menschenrechtssituation in Nigeria hat sich seit Ende der Militärdiktatur im Jahr 1999 verbessert. Die Versammlungs-, Vereinigungs-, Meinungs- und Pressefreiheit sind weitgehend gewährleistet. Das Land verfügt über eine äußerst aktive Zivilgesellschaft (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) und eine vielfältige Medienlandschaft.

Dennoch ist der Schutz der Bürgerinnen und Bürger nicht ausreichend gesichert. Die Repressionen gegenüber Medienschaffenden haben in den vergangenen Jahren zugenommen. Auch gehen staatliche Sicherheitskräfte immer wieder mit Gewalt gegen Menschen vor, die sich regierungskritisch äußern, friedlich demonstrieren oder im Verdacht stehen, einer radikalen Gruppierung anzugehören.

In zwölf der nördlichen Bundesstaaten gilt das islamische Scharia-Recht. Zudem bleibt die verfassungsmäßig garantierte Religionsfreiheit von Millionen Menschen christlichen Glaubens in Nordnigeria beeinträchtigt. An der Todesstrafe hält Nigeria grundsätzlich fest.

Die Gleichberechtigung der Geschlechter ist zwar in der Verfassung verankert, doch im Alltag sind Frauen und Mädchen bei Bildungs- und Berufschancen, Besitzrechten und der politischen Teilhabe stark benachteiligt. 2015 wurde ein fortschrittliches Gesetz zum Schutz der Mädchen- und Frauenrechte verabschiedet, das unter anderem die bis dahin weit verbreitete Praxis der Genitalverstümmelung (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) verbietet. Doch weiterhin sind Frauen in hohem Maße häuslicher Gewalt, sexueller Belästigung und Vergewaltigungen ausgesetzt. Eine Verfassungsänderung, die eine Frauenquote im Parlament und in den Parteien vorsah, wurde im März 2022 mit deutlicher Mehrheit abgelehnt.

Die rechtliche Gleichstellung von LSBTIQ+ (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen)-Personen wird in Nigeria gesetzlich verweigert, homosexuelle Handlungen werden strafrechtlich verfolgt. Auch die Rechte anderer benachteiligter Gruppen bleiben eingeschränkt. Menschen mit Behinderungen sind zahlreichen Diskriminierungen ausgesetzt, obwohl die 2018 in nigerianisches Recht übertragene UN-Behindertenrechtskonvention starke Schutzvorgaben macht.

Stand: 02.02.2024