Sicherheitslage Konflikte in vielen Landesteilen

Große soziale Ungleichheiten und mangelnde Zukunftsperspektiven sorgen für Spannungen innerhalb der nigerianischen Gesellschaft und tragen dazu bei, dass das Land immer wieder von gewalttätigen Auseinandersetzungen erschüttert wird. Einige Landesteile sind der staatlichen Kontrolle entzogen.

Binnenvertriebene in der ostnigerianischen Stadt Yola, die vor Boko Haram geflohen sind

Binnenvertriebene in der ostnigerianischen Stadt Yola, die vor Boko Haram geflohen sind

Binnenvertriebene in der ostnigerianischen Stadt Yola, die vor Boko Haram geflohen sind

Häufig werden soziale und wirtschaftliche Konflikte ethnisch oder religiös instrumentalisiert. In Nigeria leben mehr als 250 ethnische Gruppen, der Norden des Landes ist vorwiegend muslimisch, der Süden stärker christlich geprägt. Erhebliche Unterschiede zwischen extremem Reichtum (Wirtschaftszentren, Süden des Landes) und bitterer Armut (auf dem Land, im Norden des Landes) sowie die spürbaren Folgen des Klimawandels gefährden die gesamtgesellschaftliche Stabilität.

Bedingt durch Terrorismus und organisierte Bandenkriminalität hat sich die Sicherheitslage seit 2020 kontinuierlich verschlechtert. Die Zahl der Angriffe durch die Terrorgruppe „Boko Haram“ ist zwar in den vergangenen Jahren zurückgegangen. Doch dafür hat sich die Organisation „Islamischer Staat Provinz Westafrika“ (Islamic State West Africa Province, ISWAP), eine Abspaltung von Boko Haram, im Nordosten Nigerias weiter ausgebreitet.

Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen)) bezifferte die Zahl der nigerianischen Binnenvertriebenen im Dezember 2023 auf rund 3,5 Millionen Menschen – davon 2,3 Millionen im Nordosten des Landes. Mehr als 340.000 Nigerianerinnen und Nigerianer haben in den Nachbarländern Schutz gesucht. Nach Angaben des UN-Büros für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) sind rund acht Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen.


Kampf um Ressourcen

Regional ausgeweitet haben sich Konflikte zwischen Hirten und Bauern in Zentralnigeria. Die Wanderhirten ziehen traditionell vom Norden des Landes in Richtung Süden, um ihre Rinder weiden zu lassen und Fleisch in die Schlachthöfe des Südens zu bringen. Die früheren Weidekorridore gibt es jedoch nicht mehr – das Land ist inzwischen entweder bebaut oder wird landwirtschaftlich genutzt.

Der Streit um Land und Ressourcen könnte zu einer ethno-religiösen Spaltung der Gesellschaft führen, da muslimische Hirten vorwiegend christlichen Farmern gegenüberstehen. Die fortschreitende Wüstenbildung in Nordnigeria, das starke Bevölkerungswachstum und die wirtschaftliche Perspektivlosigkeit der Jugend tragen zur Verschärfung des Konflikts bei. So sorgten im Dezember 2023 und im Januar 2024 mehrere koordinierte Angriffe bewaffneter Gruppen auf vorwiegend christliche Siedlungen im Bundesstaat Plateau international für Entsetzen. Mehr als 250 Menschen wurden getötet, Tausende vertrieben, zahlreiche Schulen, religiöse Einrichtungen und Privathäuser wurden zerstört.

Hohes Eskalationspotenzial

Als kritisch für die allgemeine Sicherheitslage bewerten Experten auch die wachsende Bandenkriminalität (Viehdiebstähle, Überfälle, Entführungen) im Nordwesten des Landes. Die Banden werden zunehmend von islamistischen Organisationen unterwandert, sodass die Grenzen zwischen Kriminalität und Terrorismus immer stärker verschwimmen.

Angespannt bleibt die Lage auch in den Ölfördergebieten des Niger-Deltas. Dort kämpfen Milizen für mehr Teilhabe der Bevölkerung am Rohstoffreichtum des Landes. Ursprünglich politische, wirtschaftliche und soziale Anliegen werden hier zunehmend von kriminellen Interessen überlagert.

Ein weiterer Konfliktherd schwelt im Südosten des Landes, wo sich separatistische Gruppen für die Unabhängigkeit der Provinz Biafra einsetzen. Ähnliche Bestrebungen hatten Ende der 1960er Jahre zu einem fast drei Jahre andauernden Bürgerkrieg geführt.

Eine sicherheitspolitische Herausforderung stellt außerdem die Piraterie im Golf von Guinea dar. Die nigerianische Marine ist nur begrenzt in der Lage, Schiffe und ihre Besatzungen vor Überfällen und Entführungen zu schützen.

Stand: 02.02.2024