Hintergrund Die Bildungssituation in den Entwicklungsländern

Daten aus dem Weltbildungsbericht für die UNESCO

Die ärmsten Länder der Welt liegen auf dem Weg zu einer chancengerechten und hochwertigen Bildung weit zurück. Im Jahr 2020 besuchten 260 Millionen Kinder im Grund- und Sekundarschulalter keine Schule. Viele Mädchen und Jungen werden zwar eingeschult, brechen die Grundschule dann jedoch vorzeitig ab. In den afrikanischen Ländern südlich der Sahara schließen nur zwei von drei Kindern die Grundschule erfolgreich ab. 2019 besuchten 195 Millionen Jugendliche keine weiterführende Schule. Mehr als 132 Millionen Jugendliche und junge Erwachsene hatten keine Möglichkeit, eine Hochschulreife oder einen berufsqualifizierenden Schulabschluss zu erreichen. Die Corona-Pandemie hat die Situation noch verschlechtert.

Insgesamt steigt weltweit jedoch die Nachfrage nach tertiärer Bildung: Mehr 235 Millionen Menschen sind in Hochschulen eingeschrieben. Das sind mehr als doppelt so viele wie noch im Jahr 2000. Doch während 78 Prozent der Bevölkerungen in Europa und Nordamerika Angebote zu tertiärer Bildung wahrnehmen können, sind es in Subsahara-Afrika nur neun Prozent.

Nach Schätzungen der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen)) verfügen viele Kinder und Jugendliche am Ende der unteren Sekundarschule nicht über grundlegende Lesefähigkeiten. In jüngster Zeit sind kaum noch Fortschritte bei der Alphabetisierung von Jugendlichen und Erwachsenen zu verzeichnen. Weltweit können unter den Erwachsenen ab 15 Jahren 17 Prozent der Frauen und zehn Prozent der Männer nicht lesen und schreiben.


Bildungsziele: Rückblick und Aussichten

Schülerin einer Mädchenschule in Irbid, Jordanien

Schülerin einer Mädchenschule in Irbid, Jordanien

Schülerin einer Mädchenschule in Irbid, Jordanien

Im Jahr 2000 verabschiedete die internationale Gemeinschaft auf dem Weltbildungsforum in Dakar den Aktionsplan „Bildung für alle“ (Education for All, EFA). Als Zieldatum wurde – ebenso wie für die im gleichen Jahr formulierten Millenniumsentwicklungsziele (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) – das Jahr 2015 gesetzt. Doch trotz erheblicher Fortschritte in einzelnen Ländern fiel die Gesamtbilanz negativ aus: Keines der EFA-Ziele wurde bis 2015 erreicht. Selbst das grundlegende Ziel, dass alle Kinder auf der Welt eine Grundschule besuchen und abschließen, wurde verfehlt.

Die EFA Fast Track Initiative wurde 2011 in „Global Partnership for Education“ (Globale Partnerschaft für Bildung, GPE (Externer Link)) umbenannt. Als Nachfolge der internationalen Bildungsinitiative strebt die GPE an, allen Kindern weltweit den Zugang zu qualitativ hochwertiger und kostenfreier Grundbildung zu ermöglichen.

Vor diesen Herausforderungen steht die Staatengemeinschaft nun auch bei der Umsetzung der Ende 2015 beschlossenen Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen). Die EFA- und die Millenniumsziele legten den Schwerpunkt auf den Zugang zu Bildung und formulierten so vor allem quantitative Vorgaben. In der Agenda 2030 wird zusätzlich die Bildungsqualität in den Mittelpunkt gerückt.

Für benachteiligte Bevölkerungsgruppen ist der Zugang zu Bildung besonders schwierig. Zu diesen Gruppen zählen insbesondere Mädchen und Frauen, Menschen in Armut, Angehörige indigener Völker, religiöse, ethnische und sprachliche Minderheiten und Menschen mit Behinderungen. Besonders benachteiligt sind außerdem Menschen in Regionen, die von Konflikten betroffen sind, und Menschen auf der Flucht.

Die Einschulung von Mädchen scheitert in zahlreichen Ländern an der traditionellen Rollenverteilung – viele Mädchen müssen zu Hause im Haushalt mitarbeiten. Auch eine frühe Heirat, eine frühe Schwangerschaft oder unzureichende sanitäre Verhältnisse können Mädchen vom Schulbesuch abhalten. Je ärmer die Familien sind, desto schlechter sind die Bildungschancen der Mädchen.

Kinder mit Behinderungen werden in weiten Teilen der Welt oft gar nicht eingeschult. Und selbst wenn sie eine Schule besuchen, erleben sie dort meistens keine Erfolge und müssen die Einrichtung bald wieder verlassen.

Im April 2020 waren infolge der Corona-Pandemie etwa 1,6 Milliarden Schülerinnen, Schüler und Studierende von Schul- und Hochschulschließungen betroffen. Der Umstieg auf Fernlernlösungen hat die Ungleichheiten verschärft. Nur 25 Prozent der Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen investierten in digitale Lernangebote (im Vergleich zu 96 Prozent der Länder mit hohem Einkommen). Insgesamt hatten mehr als 463 Millionen Kindern aufgrund fehlender digitaler Infrastruktur, Lerninhalte und digitalkompetenter Lehrkräfte keinen Zugang zu Online-Lernangeboten. Insbesondere Mädchen blieben infolge der Krise häufiger zu Hause als Jungen.

Zudem werden zahlreiche Kinder durch Krisen und Konflikte am Schulbesuch gehindert. So entstehen „verlorene Generationen“ und der Übergang zu weiterführenden Bildungsmaßnahmen wird erschwert.

Fehlender Unterricht in der Muttersprache kann Bildungschancen ebenfalls einschränken. Millionen Kinder sprechen zu Hause eine andere Sprache als in der Schule – die Lernbarrieren sind für sie besonders hoch.

Zwei Lehrerinnen unterrichten syrische Kinder in einer Vorschule in einem Lager für Geflüchtete in der Türkei

Zwei Lehrerinnen unterrichten syrische Kinder in einer Vorschule in einem Lager für Geflüchtete in der Türkei

Zwei Lehrerinnen unterrichten syrische Kinder in einer Vorschule in einem Lager für Geflüchtete in der Türkei

Zahlreiche Kinder werden durch Krisen und Konflikte am Schulbesuch gehindert. In vielen Bürgerkriegsländern sind Schulen zerstört. Die Mehrzahl der Menschen, die durch bewaffnete Auseinandersetzungen zur Flucht gezwungen werden, sind Frauen und Kinder.

Laut einem Bericht des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) von 2022 können nur etwa zwei Drittel der geflüchteten Kinder im Grundschulalter eine Schule besuchen. Mit zunehmendem Alter werden die Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen auf der Flucht immer schlechter: Weniger als 40 Prozent der Jugendlichen auf der Flucht haben demnach Zugang zu einer weiterführenden Schule. Während weltweit im Schnitt 34 Prozent der Menschen die Möglichkeit haben, an einer Hochschule zu studieren, liegt der Anteil bei Flüchtlingen bei lediglich sechs Prozent.

Viele Menschen in Entwicklungsländern können das Geld für Schulgebühren, Bücher und andere Unterrichtsmaterialien, Schuluniformen und für den Transport zur Schule nicht aufbringen. Ihre Kinder bleiben daher der Schule fern oder brechen sie vorzeitig ab. Besonders häufig trifft dies Mädchen.

In Ländern, die die Schulgebühren abgeschafft haben, ist ein deutlicher Anstieg der Einschulungszahlen zu verzeichnen. Zahlreiche Familien sind zudem darauf angewiesen, dass ihre Kinder zum Einkommen beitragen. Nach Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) müssen etwa 160 Millionen Kinder arbeiten. Ihnen bleibt häufig keine Zeit für den Schulbesuch.

Leeres Klassenzimmer in Sokodé, Togo

Leeres Klassenzimmer in Sokodé, Togo

Leeres Klassenzimmer in Sokodé, Togo

Die Verwirklichung der allgemeinen Schulpflicht scheitert in vielen Ländern am Geld. In den meisten Entwicklungsländern sind in den Staatshaushalten die Budgets für Bildung zu gering, um den Bedarf zu decken. Zudem behindern hohe Staatsschulden, schlechte Regierungsführung, Korruption und mangelnde Management- und Organisationsfähigkeiten die Bereitstellung eines flächendeckenden und hochwertigen Bildungsangebots.

Nach Berechnungen der UNESCO werden durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie die jährlichen Kosten zur Erreichung von SDG 4 in Ländern mit niedrigem Einkommen von 149 Milliarden US-Dollar im Jahr 2012 auf voraussichtlich 504 Milliarden US-Dollar bis 2030 ansteigen. Die Regierungen sind daher aufgefordert, ihre Eigeneinnahmen zu erhöhen und mehr Geld in Bildung zu investieren. Als Richtwert gilt, dass mindestens vier bis sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) beziehungsweise 15 bis 20 Prozent des nationalen Haushaltes in den Bildungssektor fließen sollten.

Die gesamten globalen Bildungsausgaben stiegen in den letzten zehn Jahren vor Ausbruch der Covid-19-Pandemie stetig an, von vier Billionen US-Dollar im Jahr 2010 auf 4,9 Billionen US-Dollar im Jahr 2018, und stagnierten mit dem Ausbruch der Pandemie.

Selbst wenn die Entwicklungsländer ihre eigenen Haushaltsmittel für Bildung deutlich steigern, bleibt nach Berechnungen der UNESCO eine Finanzierungslücke von jährlich 148 Milliarden US-Dollar, um die Bildungsziele der Agenda 2030 zu erreichen. Vor allem die ärmsten Länder sind also auf Unterstützung von außen angewiesen, in erster Linie in Form steigender Zusagen für entwicklungspolitische Bildungsprogramme. Tatsächlich haben die Industrieländer in den vergangenen Jahren ihre Entwicklungszusammenarbeit im Bildungsbereich jedoch vermindert und auch nicht immer die Länder unterstützt, die am dringendsten Hilfe benötigen.

Die Qualität des Unterrichts ist in vielen Entwicklungsländern schlecht. Selbst nach Abschluss der Grundschule fehlen vielen Kindern Basiskenntnisse im Lesen, Schreiben und Rechnen. In vielen Lehrplänen fehlen klare Ziele. Sie sind fachlich überladen und entsprechen nicht den Lernbedürfnissen der Grundschülerinnen und Grundschüler. Kulturelle und regionale Unterschiede werden oft nicht genügend berücksichtigt. Viele Lehrpläne vermitteln außerdem verzerrte oder stereotype Rollenbilder von Frauen und Männern.

Ein häufig auftretendes Problem ist auch, dass die Unterrichtszeiten und -inhalte sich zu wenig an der Lebenssituation der Kinder und Jugendlichen orientieren und die Lehrmethoden und -inhalte veraltet sind. Gruppenarbeit, selbstständiges Lernen, kritisches und problemlösendes Denken, der Umgang mit neuen (digitalen) Techniken und die Vermittlung von Alltagsfähigkeiten („life skills“) werden nicht ausreichend gefördert. Den Jugendlichen fehlen damit entscheidende Kenntnisse und Fähigkeiten, um sich später im Arbeitsmarkt orientieren und behaupten zu können.

Vor allem im ländlichen Raum, aber auch in städtischen Armutsgebieten ist das Netz der Grundschulen nicht dicht genug. Kinder in ländlichen Regionen müssen oft extrem weite Schulwege zurücklegen. Häufig dürfen Mädchen weiter entfernte Schulen nicht besuchen, da die Eltern Sorge um ihre Sicherheit haben.

Die Arbeitsbedingungen für die Lehrkräfte sind in Entwicklungsländern häufig unzumutbar: Viele von ihnen müssen in zwei oder drei Schichten am Tag unterrichten – und das in großen Klassen und bei geringer Bezahlung. Die Ausstattung vieler Schulen ist schlecht. Unterrichtsmaterialien fehlen oder sind ebenso veraltet wie das Mobiliar.

Der digitale Wandel brachte Chancen, aber auch Herausforderungen mit sich. Die Ausstattung der Schulen, die Kapazitäten der Lehrkräfte und die Qualität der Bildung konnten in vielen Fällen nur schwer mit der technischen Entwicklung mithalten. Es mangelt an Computern und Internetanschlüssen – in den am wenigsten entwickelten Ländern verfügen viele Schulen nicht einmal über einen Stromanschluss.

Viele Lehrkräfte werden zudem schlecht ausgebildet und nicht genügend auf ihre Aufgaben vorbereitet. Das häufig geringe Ansehen des Lehrberufs, unsichere Beschäftigungsverhältnisse durch befristete Verträge und die oftmals abgelegenen ländlichen Standorte machen den Beruf wenig attraktiv.

Um weltweit eine hochwertige Grund- und Sekundarschulbildung zu ermöglichen, werden nach aktuellen Prognosen der UNESCO bis zum Jahr 2030 fast 69 Millionen neue Lehrkräfte benötigt. Am größten ist der Mangel an Lehrerinnen und Lehrern in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara: Dort werden bis 2030 rund 17 Millionen neue Lehrkräfte gebraucht. An zweiter Stelle steht Südasien, wo insbesondere in den weiterführenden Schulen qualifiziertes Lehrpersonal fehlt.

Die bestehenden weiterführenden Bildungs- und Ausbildungsangebote reichen in vielen Entwicklungsländern nicht aus und sind zudem häufig weder am gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Bedarf noch an den Bedürfnissen der Jugendlichen ausgerichtet.

Ein System der beruflichen Bildung ist in vielen Staaten nur in Ansätzen vorhanden. Die Unterrichtsangebote sind meist zu theoretisch und orientieren sich zu wenig an den Anforderungen des Arbeitsmarktes. So steigt weltweit etwa die Notwendigkeit, mit den wandelnden Bedingungen des digitalen Arbeitsmarktes Schritt halten zu können.

Hochschulen und Universitäten sind in Entwicklungsländern materiell und finanziell schlecht ausgestattet. Nur wenige sind in der Lage, ihre Forschungs- und Lehraufgaben angemessen wahrzunehmen. Hochschulen sind jedoch wichtig für das gesamte Bildungssystem, für die Ausbildung von Fach- und Führungskräften und für die Lösung entwicklungsrelevanter Aufgaben in Wirtschaft, Staat und Gesellschaft.

Stand: 08.01.2024