Nach dem schweren Erdbeben in Nepal 2015 werden mit Unterstützung der Internationalen Organisation für Migration (IOM) im Ort Chautara Trümmer beseitigt.

Katastrophenrisikomanagement Katastrophen verhindern – nachhaltige Entwicklung ermöglichen

Die zerstörerischen Auswirkungen von Naturereignissen haben in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zugenommen. Der entwicklungspolitische Ansatz des Katastrophenrisikomanagements hilft, die fatalen Folgen solcher Ereignisse zu mindern. Er hat das Ziel, so weit wie möglich zu verhindern, dass extreme Naturereignisse zu Katastrophen führen. Katastrophenrisikomanagement rettet Menschenleben und hilft, die bereits erzielten Fortschritte in Entwicklungsländern abzusichern.

In den vergangenen Jahren war vor allem bei der Häufigkeit und Stärke klima- und wetterbedingter Katastrophen ein starker Anstieg zu beobachten. Auch die Zahl der Krankheitsfälle und Todesopfer durch Infektionskrankheiten wie Ebola oder SARS stieg. Die Corona-Pandemie mit ihren gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen für die gesamte Weltbevölkerung hat die negativen Konsequenzen solcher Katastrophen drastisch verdeutlicht.


Katastrophe: eine gravierende Störung der Funktionsfähigkeit einer Gemeinschaft oder Gesellschaft, die hohe menschliche, ökonomische und ökologische Verluste verursacht und die Fähigkeit der betroffenen Gemeinschaft oder Gesellschaft übersteigen kann, diese aus eigener Kraft zu bewältigen
Definition der Vereinten Nationen
Trocknende Gummihandschuhe in einer deutschen Einrichtung zur Versorgung von Ebola-Patienten in Monrovia, Liberia

In den Industriestaaten werden gesundheitliche und materielle Schäden durch Katastrophen größtenteils von Versicherungen und sozialen Sicherungssystemen aufgefangen. Entwicklungsländern fehlen in den meisten Fällen die Mittel, um akute Notlagen allein zu bewältigen. Werden Wohnhäuser, Straßen, Schulen, Krankenhäuser, Fabriken, Ackerland, Wasser- und Stromleitungen zerstört, verlieren die Menschen ihre Lebens- und Arbeitsgrundlagen und geraten in existenzielle Not.

Extreme Naturereignisse führen oft zunächst zu tragischen Verlusten von Menschenleben und anschließend zu einer Kette von Folgeproblemen: Armut, Ungleichheit, Unterernährung, Obdachlosigkeit, Seuchenausbrüche, Flucht und Migration oder auch bewaffnete Konflikte. Die Widerstandsfähigkeit (Resilienz (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen)) besonders verletzlicher Bevölkerungsgruppen wird durch diese Folgeprobleme zusätzlich beeinträchtigt und ihre Chancen auf bessere und gerechtere Lebensverhältnisse sinken.

Katastrophenrisikomanagement: bestehende Risiken verringern, neue verhindern

Symbolbild: Mehrer Bände einer Lexikonausgabe aus den 1970er Jahren (Bildausschnitt)
Einige der globalen Entwicklungsziele als Sitzkissen bei einer Konferenz

Ob sich Naturereignisse wie Stürme oder Erdbeben zu einer Katastrophe ausweiten, hängt unter anderem davon ab, wie verwundbar (vulnerabel (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen)) eine Gesellschaft ist. Wichtige Faktoren, die das Katastrophenrisiko beeinflussen, sind – neben der geografischen Lage – zum Beispiel politische Stabilität, Wirtschaftskraft, soziale Verhältnisse und Umweltbedingungen.

Um der Entstehung und den negativen Auswirkungen von Katastrophen entgegenzuwirken, hat die deutsche Entwicklungszusammenarbeit das Konzept des Katastrophenrisikomanagements entwickelt. Ziel ist zu verhindern, dass Extremereignisse Menschenleben gefährden, wirtschaftliche und ökologische Schäden anrichten und die erzielten Entwicklungsfortschritte in den Partnerländern immer wieder zunichtemachen.

Katastrophenrisikomanagement bedeutet, die grundlegenden Risikofaktoren einer Gesellschaft zu analysieren, um dann bestehende Risken zu verringern und die Entstehung neuer Risiken zu verhindern. Es steigert die Fähigkeit von Menschen, Institutionen, Gemeinden oder Staaten, akute Belastungen durch Krisen, Konflikte oder extreme Naturereignisse rechtzeitig und effizient zu bewältigen, sich an wiederkehrende Belastungen anzupassen und diese schließlich dauerhaft zu überwinden.

Die internationale Handlungsgrundlage für Katastrophenrisikomanagement bildet das 2015 verabschiedete Sendai-Rahmenwerk für Katastrophenvorsorge 2015–2030.

Auch die Agenda 2030 betont die Bedeutung von Katastrophenrisikomanagement für eine nachhaltige Entwicklung (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen). Sie nimmt an verschiedenen Stellen direkten Bezug auf das Sendai-Rahmenwerk und nutzt zum Teil die gleichen Indikatoren zur Fortschrittsmessung.

Vier der 17 Entwicklungsziele benennen ausdrücklich die Auswirkungen von Katastrophen: Keine Armut (Ziel 1), Kein Hunger (Ziel 2), Nachhaltige Städte und Gemeinden (Ziel 11) sowie Maßnahmen zum Klimaschutz (Ziel 13).

Ganzheitlicher Ansatz

Cover Katastrophenrisikomanagement

Katastrophenrisikomanagement

Risiken erkennen, Katastrophen vorbeugen, Resilienz stärken

Dateityp PDF | Sachstandsdatum 05/2022 | Dateigröße 4 MB, Seiten 36 Seiten | Zugänglichkeit barrierefrei
Umfassendes Risikomanagement

Umfassendes Risikomanagement

Der Ansatz der deutschen Entwicklungszusammenarbeit im Umgang mit Katastrophen- und Klimarisiken | BMZ fundiert

Dateityp PDF | Sachstandsdatum 05/2019 | Dateigröße 7 MB, Seiten 28 Seiten | Zugänglichkeit barrierefrei
Ausgetrockneter Ackerboden in Tunesien

Katastrophenrisikomanagement ist ein Querschnittsthema, das in viele Bereiche der deutschen Entwicklungszusammenarbeit hineinwirkt. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz, der eine Vielzahl an Strategien und Instrumenten aus den Bereichen Politik und Wirtschaft, Armutsbekämpfung und soziale Sicherung, Stadtentwicklung, Umwelt und Anpassung an den Klimawandel, Bildung und Gesundheit miteinander verknüpft.

Die Regierungen der Partnerländer werden dabei unterstützt, Risiken wie den Klimawandel, Bevölkerungswachstum oder Pandemien in ihrer nationalen Katastrophen-, Klima-, Stadt- und Entwicklungspolitik stärker zu berücksichtigen. Ziel ist, die Resilienz der betroffenen Gesellschaften zu erhöhen, damit sie aus sich selbst heraus die Kraft entwickeln können, Krisen zu überwinden und Entwicklungserfolge nachhaltig abzusichern.

Besondere Aufmerksamkeit widmet die deutsche Entwicklungszusammenarbeit dabei stark gefährdeten Personen und Bevölkerungsgruppen: Frauen, Kinder, ältere Menschen, LSBTIQ+ (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen)-Personen, Indigene, Menschen mit Behinderungen und extrem arme Menschen müssen aktiv in die Prozesse des Katastrophenrisikomanagements eingebunden und ihre spezifischen Bedürfnisse und Fähigkeiten besonders bedacht werden.

Auf internationaler Ebene setzt sich das BMZ dafür ein, die Kohärenz (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) zwischen internationalen Abkommen wie der Agenda 2030 (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen), dem Pariser Klimaabkommen (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) und dem Sendai-Rahmenwerk für Katastrophenvorsorge (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) zu erhöhen. Um die Partnerländer bei der Umsetzung dieser Abkommen zu entlasten, müssen Zuständigkeiten geklärt, Daten ausgetauscht, Berichtssysteme aufeinander abgestimmt und Finanzierungsinstrumente angeglichen werden.

Zu den wichtigsten internationalen Partnern des BMZ im Bereich des Katastrophenrisikomanagements zählt die Globale Fazilität zur Verringerung und Bewältigung von Katastrophen (GFDRR (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen)) sowie das Büro der Vereinten Nationen zur Reduzierung von Katastrophenrisiken (UNDRR (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen)).

Instrumente der Entwicklungszusammenarbeit

Nach einem Erdbeben durchsucht ein freiwilliger Rettungshelfer in Pedernales, Ecuador, die Trümmer eines Hauses (April 2016).
Nach einem Erdbeben durchsucht ein freiwilliger Rettungshelfer in Pedernales, Ecuador, die Trümmer eines Hauses (April 2016).

Ein wichtiges Anliegen des BMZ ist es, dass im Katastrophenfall kurz-, mittel- und langfristige Hilfsmaßnahmen gut aufeinander abgestimmt werden, also die humanitäre Hilfe des Auswärtigen Amtes mit der Entwicklungszusammenarbeit und langfristigen Vorhaben verknüpft werden, zum Beispiel mit der strukturbildenden Übergangshilfe. Für ein wirksames Katastrophenrisikomanagement müssen Akteure aus Staat und Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) auf lokaler und nationaler Ebene eng zusammenarbeiten.

Folgende Instrumente des Katastrophenrisikomanagements kommen in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit zum Einsatz:

  • Berechnung der Wahrscheinlichkeit extremer Naturereignisse und der Verwundbarkeit einer Gesellschaft
  • Ermittlung verschiedener Wege, die Folgen einer Katastrophe möglichst schnell zu überwinden
  • enge Einbindung der Bevölkerung vor Ort
  • technische Maßnahmen (zum Beispiel Bau von Deichen, Schutzmauern oder sicherer Schulinfrastruktur)
  • ökosystembasierte Ansätze (beispielsweise Anlegen von Mangrovenwäldern als Flut- und Erosionsschutz)
  • Gesetze und Verordnungen (unter anderem Landnutzungsbeschränkungen in Überschwemmungsgebieten und an Steilhängen, klimaresiliente Stadtentwicklung, Bauvorschriften in Erdbebengebieten, Aufbau einer sozialen Grundsicherung)
  • Informations- und Sensibilisierungskampagnen, Unterstützung lokaler Gruppen und Organisationen, die sich für ein gemeindeorientiertes Katastrophenrisikomanagement einsetzen
  • Einrichtung von Frühwarnsystemen (beispielsweise für Naturgefahren wie Tsunamis oder zur Eindämmung von Pandemien)
  • Erstellung von Notfall- und Evakuierungsplänen, etwa für Krankenhäuser, Schulen und touristische Einrichtungen
  • Aus- und Fortbildung des Personals in Rettungsdiensten und im Katastrophenschutz
  • Anlegen von Nahrungsmittel- und Medikamentenreserven
  • Auf- und Ausbau von anpassungsfähig gestalteten sozialen Sicherungssystemen und -programmen
  • Aufbau einer verbesserten Infrastruktur, die die Existenzgrundlage der betroffenen Gesellschaft nachhaltig sichert und eine erneute Zerstörung verhindert (zum Beispiel Schutz neu angelegter Straßen oder Anbauflächen vor Überschwemmungen oder Erdrutschen)
  • Wiederaufbau über öffentliche Beschäftigungsprogramme
  • Stärkung der sozialen und ökonomischen Resilienz der Bevölkerung durch gesellschaftliche Transformationsprozesse (beispielsweise Mediationen bei aufkommenden Verteilungskonflikten)
  • Aufbau von Versicherungen und Risikofonds, die das finanzielle Risiko vom einzelnen Betroffenen auf die Gemeinschaft verlagern; mehr dazu finden Sie hier

BMZ-Publikationen

Cover Katastrophenrisikomanagement

Katastrophenrisikomanagement

Risiken erkennen, Katastrophen vorbeugen, Resilienz stärken

Dateityp PDF | Sachstandsdatum 05/2022 | Dateigröße 4 MB, Seiten 36 Seiten | Zugänglichkeit barrierefrei
Umfassendes Risikomanagement

Umfassendes Risikomanagement

Der Ansatz der deutschen Entwicklungszusammenarbeit im Umgang mit Katastrophen- und Klimarisiken | BMZ fundiert

Dateityp PDF | Sachstandsdatum 05/2019 | Dateigröße 7 MB, Seiten 28 Seiten | Zugänglichkeit barrierefrei
Strategie der strukturbildenden Übergangshilfe

Strategie der strukturbildenden Übergangshilfe

Krisen bewältigen, Resilienz stärken, Perspektiven schaffen

Dateityp PDF | Sachstandsdatum 07/2020 | Dateigröße 613 KB, Seiten 24 Seiten | Zugänglichkeit barrierefrei
Klimaschutz – die Überlebensfrage der Menschheit

Klimaschutz – die Überlebensfrage der Menschheit

BMZ-Positionspapier

Dateityp PDF | Sachstandsdatum 04/2019 | Dateigröße 693 KB, Seiten 16 Seiten | Zugänglichkeit barrierefrei

Weiterführende Informationen