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Soziale Situation Armut und Ernährungsunsicherheit nehmen wieder zu

Unter der Regierung von Luiz Inácio Lula da Silva (2003 bis 2010) und Dilma Rousseff (2010 bis 2016) erzielte Brasilien beachtliche gesellschaftspolitische Erfolge: Es wurden Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen, die Mindestlöhne und -renten wurden kontinuierlich erhöht, die Einkommen stiegen. Brasilien legte das größte Armutsbekämpfungsprogramm der Welt auf und ließ in großem Stil Sozialwohnungen errichten. Zudem wurden große Landesteile an das Stromnetz angeschlossen und die Reform der Landbesitzverhältnisse wurde vorangetrieben.

Während 1990 noch knapp ein Viertel der brasilianischen Bevölkerung in extremer Armut lebte, lag dieser Wert 2014 bei nur noch 3,3 Prozent, stieg allerdings bis 2019 wieder auf 5,4 Prozent an. Die Corona-Pandemie traf benachteiligte und vulnerable (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) Bevölkerungsgruppen besonders stark und sorgte für einen weiteren Anstieg der Armut. Deutlich verschlechtert hat sich auch der Zugang der Bevölkerung zu ausreichender Ernährung. Laut einer Studie vom Frühjahr 2022 ist für mehr als 125 Millionen Menschen – also für mehr als die Hälfte der Bevölkerung – die Ernährungssicherheit nicht gewährleistet. Rund 30 Millionen Menschen leiden demnach an Hunger.

Zwar milderten umfassende Sozialschutzprogramme die Auswirkungen der Pandemie ab. Doch damit stieg auch die Abhängigkeit vieler Haushalte von staatlichen Sozialleistungen. Zudem trieben die Maßnahmen – ebenso wie die Überbrückungshilfen für Unternehmen (siehe: Wirtschaftliche Situation) – die Staatsverschuldung in die Höhe.

Die Weltbank (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) rechnet damit, dass die positive Wirkung der Corona-Programme nur von kurzer Dauer sein wird und die Wiederbelebung des Arbeitsmarktes den Rückgang der staatlichen Transferleistungen möglicherweise nicht vollständig ausgleichen kann – mit wieder steigender Armut als Folge. Ein Gleichgewicht zwischen dem Schutz der armen Bevölkerung und der nachhaltigen Stabilisierung der öffentlichen Finanzen herzustellen, zähle, so die Weltbank, zu den zentralen politischen Herausforderungen der kommenden Jahre.

Extreme Ungleichheit

Zwischen den Regionen und innerhalb der brasilianischen Bevölkerung sind erhebliche Unterschiede in der Besitz- und Einkommensverteilung zu verzeichnen. Brasiliens Gini-Koeffizient (Externer Link), der die Ungleichheit in der Einkommensentwicklung misst, ist einer der höchsten der Welt. Sozial und wirtschaftlich besonders benachteiligt sind indigene und afrobrasilianische Bevölkerungsgruppen.


Stand: 19.01.2023