Trotz international verbindlicher Vorgaben hat die deutsche Bundesregierung lange auf das freiwillige Engagement der Unternehmen gesetzt. Doch die Ergebnisse des NAP-Monitorings waren ernüchternd: Weniger als 20 Prozent der Unternehmen erfüllen die Vorgaben. Auch bei der zweiten Befragung galten deutlich weniger als 50 Prozent der Unternehmen als sogenannte Erfüller.
Hintergrundinformationen Lieferketten und Lieferkettengesetz
Im Juni 2011 haben die Vereinten Nationen Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (Externer Link) verabschiedet. Sie sollen die Verletzung von Menschenrechten durch Wirtschaftsunternehmen verhindern und definieren die staatliche Schutzpflicht und die unternehmerische Verantwortung für die Achtung der Menschenrechte in globalen Lieferketten.
Freiwilliges Engagement
Um diese Leitprinzipien in Deutschland umzusetzen, hat die Bundesregierung zunächst auf freiwilliges Engagement gesetzt. Im Dezember 2016 hat sie den Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (Externer Link) (NAP) verabschiedet und einen Überprüfungsmechanismus eingerichtet. Das Ergebnis: Zu wenige Unternehmen erfüllen ihre menschenrechtliche Sorgfaltspflicht.
Unternehmensbefragung
Bei einer ersten Unternehmensbefragung 2019 füllten nur 400 von mehr als 3.000 angeschriebenen Unternehmen den Fragebogen aus. Die Auswertung ergab, dass nur 20 Prozent dieser 400 Unternehmen die Anforderungen des NAP erfüllten. An einer zweiten Unternehmensbefragung im Jahr 2020 beteiligten sich 450 von 2.250 kontaktierten Unternehmen und nur 17 Prozent von diesen erfüllten die Anforderungen.
Fazit: Gesetzliche Regelung
Der NAP sieht vor, dass die Bundesregierung weitere Schritte bis hin zu gesetzlichen Maßnahmen prüfen wird, wenn weniger als 50 Prozent der Unternehmen ihre menschenrechtliche Sorgfaltspflicht erfüllen. Auch im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD wurde vereinbart, dass eine gesetzliche Regelung auf den Weg gebracht werden soll, wenn die freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen nicht ausreicht.
Mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz setzt die Bundesregierung nun die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen und den Koalitionsvertrag verbindlich um.
Unser Ziel Faire und nachhaltige Lieferketten in Europa und weltweit
Das Ziel bleibt eine einheitliche europäische Regelung. Mit einem nationalen Gesetz können wir die EU-Gesetzgebung beeinflussen. Das ist auch im Interesse der deutschen Wirtschaft.
Faire Lieferketten in Europa
Viele Unternehmen verlangen selbst nach einem verbindlichen Rechtsrahmen für unternehmerische Sorgfaltspflichten.
Einige Länder, beispielsweise Großbritannien, Frankreich und die Niederlande haben bereits einen solchen Rahmen.
Im Zuge der deutschen EU-Ratspräsidentschaft 2020 hat die Bundesregierung die Initiative von EU-Justizkommissar Didier Reynders für eine verbindliche Regelung unternehmerischer Sorgfaltspflichten auf EU-Ebene und eine EU-Regulierung für entwaldungsfreie Lieferketten unterstützt.
EU-weite Regelungen können Rechtsklarheit, Rechtssicherheit, Transparenz und Wettbewerbsgleichheit für alle Unternehmen schaffen und zugleich helfen, eventuelle Missstände vor Ort zu beseitigen.
Bis zu einer übergreifenden europäischen Regelung will die Bundesregierung jedoch nicht warten und verabschiedet deshalb selbst ein Sorgfaltspflichtengesetz, das sich an internationalen Vorgaben wie den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und den OECD-Leitsätzen zur Förderung verantwortungsvoller Lieferketten für multinationale Unternehmen orientiert. So werden Standards gesetzt und die geplante EU-Gesetzgebung kann unterstützt und maßgeblich mitgestaltet werden.
Außerdem fordert Deutschland die überprüfbare Verankerung von Menschenrechts- und Umweltstandards in Handelsabkommen der EU. Dazu zählt, dass sanktioniert wird, wenn die entsprechenden Nachhaltigkeitskapitel in den Handelsabkommen missachtet werden.
Fairer Handel als Grundprinzip einer neuen WTO
Die Welthandelsorganisation (WTO) muss zu einer Fairhandelsorganisation weiterentwickelt werden. Bereits das Gründungsdokument – der Vertrag von Marrakesch – betont das Ziel nachhaltiger Entwicklung und den Schutz und die Erhaltung der Umwelt. Dieser Dreiklang fehlt jedoch im Welthandel bis heute. Selbst wenn Unternehmen die Umwelt zerstören oder ausbeuterische Kinderarbeit Teil der Produktion sind, werden sie handelsrechtlich behandelt wie jene, die alle Öko- und Sozialstandards einhalten.
Dies muss sich dringend ändern. Wer beispielsweise gegen internationale Standards, wie die ILO-Kernarbeitsnormen, das Pariser Klimaschutzabkommen oder aber die Konvention zum Schutz der Biodiversität verstößt, muss seinen Anspruch auf Gleichbehandlung verlieren.
Die Nichtbeachtung internationaler Standards muss zu Nachteilen im EU-Binnenmarkt führen dürfen. Gleichzeitig wird die Bundesrepublik Deutschland ihr Angebot auf Unterstützung bei der Einhaltung entsprechender Standards in Entwicklungs- und Schwellenländern weiter erhöhen.
Gründe für das Lieferkettengesetz
Weniger als 20 Prozent der Unternehmen erfüllen die Vorgaben
Mädchen in Nepal arbeiten in einer Ziegelei.
Häufig genannte Irrtümer über das Gesetz
„Deutschland will überall in der Welt die Einhaltung deutscher Sozialstandards erzwingen.“
Richtig ist: Es geht nicht um die Durchsetzung deutscher Vorgaben, sondern um die Einhaltung grundlegender und international anerkannter Menschenrechtsstandards.
„Der Staat schiebt die Verantwortung auf Unternehmen ab.“
Richtig ist: Der Schutz der Menschenrechte liegt in gemeinsamer Verantwortung von Staaten und Unternehmen. Es kommt auf die richtige Mischung zwischen freiwilligen und verbindlichen Ansätzen an und das Lieferkettengestz ist Teil davon.
„Bei Verstößen droht den Unternehmen strafrechtliche Verfolgung“
Richtig ist: Niemand muss ins Gefängnis. Ein Verstoß gegen die Berichtspflicht führt zu üblichem Bußgeld. Das Gesetz schafft keine neuen zivilrechtlichen Haftungsregelungen. Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften steht kein eigenes Klagerecht zu, sie können betroffene Personen nur bei ihrer Klage unterstützen.
„Das Gesetz benachteiligt deutsche Unternehmen.“
Richtig ist: Ein Sorgfaltspflichtengesetz schafft Wettbewerbsgleichheit unter deutschen Unternehmen. Um ein faires Geschäftsumfeld für alle herzustellen, wird parallel auch an einem EU-Rechtsrahmen und Regeln auf UN-Ebene gearbeitet.
„Das Gesetz schafft bei Unternehmen ein neues Bürokratie-Monster und verursacht höhere Kosten.“
Richtig ist: Das Gesetz verlangt ein systematisches Risikomanagement und die Unternehmen sollen elektronisch an das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA ) berichten, das die Angaben überprüft. Bestehende Berichtspflichten, beispielsweise im Rahmen der CSR-Richtlinie, werden berücksichtigt. Zudem hat eine Studie der EU-Kommission berechnet, dass die Kosten für Großunternehmen bei nur durchschnittlich 0,009 Prozent des Umsatzes liegen.
„Deutschen Unternehmen steht eine riesige Klagewelle bevor.“
Richtig ist: Es gilt das Subsidiaritätsprinzip – die Beweislast liegt bei den Klägern und diese müssen sich zunächst an ihren unmittelbaren Arbeitgeber vor Ort wenden.
„Das Gesetz belastet kleine und mittlere Unternehmen (KMUs).“
Richtig ist: KMUs sind von der Regelung ausgeschlossen, zunächst sind nur Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten davon unmittelbar betroffen (ab 2023), in einem weiteren Schritt (ab 2024) dann Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten.
„Deutsche Unternehmen unterliegen dadurch Doppelbelastungen in bestimmten Sektoren.“
Richtig ist: Die Umsetzung des Gesetzes wird bestehende Regelungen berücksichtigen und gegebenenfalls die Anerkennung von Berichten vorsehen.
„Das Gesetz hätte zur Folge, dass deutsche Unternehmen sich aus Entwicklungsländern zurückziehen werden.“
Richtig ist: Das Gesetz soll explizit den Grundsatz „Befähigung vor Rückzug“ befördern und die Bundesregierung wird Unternehmen dabei unterstützen, die Vorgaben – auch in Entwicklungsländern – umzusetzen.