Fußgänger auf der Friedensbrücke in Tiflis, Georgien

Politische Situation Machtkämpfe hemmen den Reformprozess

Georgien ist eine parlamentarische Demokratie und wird seit 2012 von der derzeitigen Regierungspartei „Georgischer Traum“ regiert. Auch die unabhängige Präsidentin Salome Surabischwili ist seit 2019 mit Unterstützung des „Georgischen Traums“ im Amt.

Menschen auf dem Freiheitsplatz der georgischen Hauptstadt Tiflis während der Rosenrevolution im Oktober 2003

Menschen auf dem Freiheitsplatz der georgischen Hauptstadt Tiflis während der Rosenrevolution im Oktober 2003

Menschen auf dem Freiheitsplatz der georgischen Hauptstadt Tiflis während der Rosenrevolution im Oktober 2003

Mit der „Rosenrevolution“ 2003 begannen in Georgien unter dem damaligen Staatspräsidenten Michail Saakaschwili von der „Vereinten Nationalen Bewegung“ die Umsetzung von ambitionierten Reformen und der Kampf gegen die weit verbreitete Korruption.

Autoritäre Tendenzen der Regierung und wachsende Unzufriedenheit in der Bevölkerung führten 2012 bei den Parlamentswahlen zu einem Machtwechsel zugunsten der bisherigen Oppositionspartei „Georgischer Traum“. Diese konnte sich seither bei allen Wahlen durchsetzen, zuletzt bei den Parlamentswahlen im Oktober 2020 und den Kommunalwahlen im Oktober 2021. Die Wahlen in Georgien verliefen laut Beobachtung durch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) rechtmäßig, wenn auch mit kleineren Unregelmäßigkeiten (unter anderem Vorwürfe der Einschüchterung und des Stimmenkaufs).

Die Parlamentswahlen 2020 führten zu einem sechsmonatigen Boykott der Parlamentsarbeit durch die Opposition, der „Vereinten Nationalen Bewegung“, die Wahlbetrug vermutete. Auf Vermittlung des EU-Ratspräsidenten Charles Michel im Frühjahr 2021 wurden erste Schritte zur Wiederaufnahme der Zusammenarbeit zwischen beiden Parteien vereinbart, mit der Verpflichtung, umfassende Reformen im Wahlrecht und Justizwesen anzugehen. Im Juli 2021 distanzierte sich die Regierungspartei jedoch vom sogenannten Michel-Plan, so dass die Situation der politischen Polarisierung zwischen Regierungs- und Oppositionspartei derzeit festgefahren ist.


Polarisierung in Politik und Gesellschaft

Die fortschreitende politische Polarisierung zwischen den zwei großen Parteien „Georgischer Traum“ und „Vereinte Nationale Bewegung“ sowie ihren Anhängern erschwert die Umsetzung der Reformpläne und lähmt das Land. Die einstige Vorreiterrolle in der Region mit starker Reformorientierung gerät damit ins Wanken, obwohl gerade im Justizbereich dringende weitere Reformen notwendig sind.

Die politische Polarisierung wirkt sich auch auf Zivilgesellschaft (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) und Medien aus: Nichtregierungsorganisationen (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) sowie Presse und Rundfunk spielen eine wichtige Rolle im politischen Alltag Georgiens, positionieren sich aber meist deutlich für oder gegen die Regierung.

Die politischen und bürgerlichen Rechte sind in Georgien zwar gegeben (zum Beispiel Versammlungs- und Meinungsfreiheit), allerdings ist der Schutz von Minderheiten ein Problem in Georgien, insbesondere von LGBTIQ-Vertretern. Internationale Entrüstung haben die gewaltsamen Ausschreitungen mit 55 Verletzten rund um den Pride-Marsch von LGBTIQ-Aktivisten am 5./6. Juli 2021 in Tiflis hervorgerufen, bei welchem Polizei und Regierung den Angriffen auf LGBTIQ-Aktivisten und Journalisten weitgehend tatenlos zusahen und die Schuld teilweise sogar der Pride-Bewegung selbst zuwiesen.

Partnerschaft mit westlichen Staaten

Fahnen von Georgien und der Europäischen Union wehen vor der Regierungskanzlei in Tiflis, Georgien.

Fahnen von Georgien und der Europäischen Union wehen vor der Regierungskanzlei in Tiflis, Georgien.

Fahnen von Georgien und der Europäischen Union wehen vor der Regierungskanzlei in Tiflis, Georgien.

Georgien sucht die Partnerschaft mit westlichen Staaten und bemüht sich intensiv darum, Mitglied der EU zu werden. Auch die Mitgliedschaft in der NATO bleibt ein Ziel. Seit 2009 gehört Georgien ebenso wie die weiteren postsowjetischen Staaten Armenien, Aserbaidschan, Ukraine, Moldau und Belarus (Teilnahme derzeit ausgesetzt) zur Östlichen Partnerschaft als Teil der Nachbarschaftsinitiative der Europäischen Union.

Im Juni 2014 unterzeichneten die EU und Georgien ein Assoziierungs- und Freihandelsabkommen, das am 1. Juli 2016 in Kraft trat. Es verpflichtet Georgien zu umfangreichen politischen Reformen in den Bereichen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, Schutz der Menschenrechte und Korruptionsbekämpfung. Außerdem enthält das Abkommen Vorgaben zur Angleichung von rechtlichen und wirtschaftlichen Standards, etwa im Handel, im Steuer- und Wettbewerbsrecht, in Energiefragen und im Umwelt- und Klimaschutz. Als Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine hat Georgien, ebenso wie Ukraine und Moldau, im März 2022 einen EU-Beitrittsantrag gestellt. Dieser war ursprünglich erst für 2024 geplant gewesen.

Stand: 08.06.2022