Welttag gegen weibliche Genitalverstümmelung Zunahme der Fälle in Pandemie. Deutschland setzt auf ganzheitliche Ansätze zur Überwindung

Pressemitteilung vom 4. Februar 2022 | Berlin – Die Corona-Pandemie hat bei der Überwindung von weiblicher Genitalverstümmelung für Rückschritte gesorgt.

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Mädchen in einer Schulklasse in Bangui, Zentralafrikanische Republik. Es sind nur die Hinterköpfe der Mädchen abgebildet, man sieht keine Gesichter.

Anlässlich des Welttags gegen weibliche Genitalverstümmelung am 6. Februar sagte Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze:

„Durch die Corona-Pandemie mussten wir im Kampf gegen weibliche Genitalverstümmelung herbe Rückschläge einstecken. Es wird geschätzt, dass durch die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung wie Schulschließungen und das Aussetzen von Präventionsprogrammen etwa zwei Millionen Frauen und Mädchen bis 2030 zusätzlich betroffen sind. Deshalb werden wir unsere Bemühungen zur Überwindung dieser Menschenrechtsverletzung weiter ausbauen!“

Weibliche Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation, kurz FGM) ist eine schwere Form von geschlechtsbasierter Gewalt und stellt eine schwere Menschenrechtsverletzung dar mit schwerwiegenden, meist lebenslangen körperlichen und psychischen Folgen für die überlebenden Frauen und Mädchen. Weltweit leben gegenwärtig mindestens 200 Millionen Frauen und Mädchen mit den körperlichen, psychischen und sozialen Folgen von FGM.

Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze: „Das Thema zeigt sehr klar, was wir mit feministischer Entwicklungspolitik meinen: Es reicht nicht, die Symptome zu bekämpfen. Sondern wir müssen ganz grundsätzlich diskriminierende Machtstrukturen und schädliche soziale Normen identifizieren und überwinden. Denn trotz vielfach bestehender gesetzlicher Verbote bleibt FGM fest in Traditionen und Glaubensvorstellungen vieler Gesellschaften verankert. Deswegen stellen wir im Dialog mit unseren Partner*innen im Globalen Süden und unter Beteiligung auch von traditionellen und religiösen Autoritäten und der älteren Generation diese diskriminierenden Normen und Rollenbilder in Frage und rücken den Schutz der Rechte von Frauen und Mädchen in den Vordergrund. Die Menschenrechte sind unteilbar, für alle Geschlechter.“

Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit setzt auf ganzheitliche Ansätze im Kampf gegen FGM. Dabei gehen Aufklärung, Sensibilisierung und Dialog einher mit der Stärkung staatlicher und zivilgesellschaftlicher Organisationen sowie Politikberatung auf allen politischen Ebenen. Durch langfristige Ansätze, die möglichst alle relevanten Bevölkerungsgruppen vor Ort einbeziehen, können nachhaltige Normen- und Verhaltensänderungen erreicht werden. Traditionelle und religiöse Autoritäten sowie die ältere Generation spielen eine besondere Rolle und können einen positiven Wandel begünstigen, um nachhaltige Verhaltensänderungen anzustoßen.

Wichtig ist zudem, die Arbeit in eine generelle Prävention geschlechtsbasierter Gewalt einzubetten. Außerdem ist der Zugang zu Bildung für Mädchen und die Behandlung von FGM als Thema an den Schulen von großer Bedeutung. Das BMZ unterstützt die Bekämpfung geschlechtsbasierter Gewalt durch finanzielle Mittel in Höhe von rund 37 Millionen Euro. Zusätzlich werden gezielte finanzielle Mittel für die Überwindung weiblicher Genitalverstümmelung bereitgestellt. So unterstützt das BMZ das Regionalvorhaben „Verbesserung der Prävention von weiblicher Genitalverstümmelung in Ostafrika“ in Somaliland, Sudan und Äthiopien mit 5,9 Millionen Euro und zivilgesellschaftliche Träger im Bereich FGM mit rund 2,8 Millionen Euro.


Hintergrund und Beispiele zum Thema FGM

Straßenplakat in Uganda mit Warnung vor Genitalverstümmelung

Straßenplakat in Uganda mit Warnung vor Genitalverstümmelung

Straßenplakat in Uganda mit Warnung vor Genitalverstümmelung

Die Überwindung von FGM erfordert beständiges und langfristiges Engagement: In den 30 Ländern mit zuverlässigen Daten zu FGM ist der Anteil der Frauen, die von FGM betroffen sind, in den letzten 30 Jahren um insgesamt 15 Prozent gesunken. In einigen Ländern jedoch sind weiterhin fast jedes Mädchen und jede Frau von FGM betroffen, beispielsweise in Somalia (99 Prozent) oder in Mali (89 Prozent).

Weibliche Genitalverstümmelung ist sowohl Ausdruck als auch Ursache von Geschlechterungleichheit und eine schwere Menschenrechtsverletzung. Sie verletzt unter anderem das Recht auf Sicherheit und persönliche Freiheit, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, das Recht auf Gesundheit sowie die Rechte von Kindern, da Mädchen oft schon in sehr jungen Jahren von FGM betroffen sind. Zu den lebenslangen gesundheitlichen Folgen von FGM gehören Geburtskomplikationen, chronische Schmerzen und Menstruationsbeschwerden. FGM führt auch zu einem erhöhten Infektionsrisiko, einschließlich HIV sowie zu Traumatisierung und schweren psychischen Belastungen.

Darüber hinaus trägt FGM in erheblichem Maße zur Müttersterblichkeit bei. Neben den schweren körperlichen, physischen und sozialen Folgen bringt FGM große wirtschaftliche Kosten mit sich: Die betroffenen Frauen können oft gar nicht oder nur eingeschränkt Einkommen schaffenden Maßnahmen nachgehen und sind ausgeschlossen von politischer Teilhabe. Die WHO geht aktuell von jährlichen Zusatzkosten in Höhe von 1,4 Milliarden US-Dollar aus, die durch gesundheitliche Komplikationen in den 27 meistbetroffenen Ländern verursacht werden. Durch die Auswirkungen der weltweiten Corona-Pandemie besteht die Gefahr, dass erreichte Fortschritte zunichte gemacht werden. Studien gehen davon aus, dass bis 2030 zwei Millionen Frauen und Mädchen zusätzlich von weiblicher Genitalverstümmelung betroffen werden könnten.

Beispiel Mali: Unter Einbeziehung von traditionellen und religiösen Autoritäten konnten in einem Land, in dem circa 89 Prozent der Frauen von weiblicher Genitalverstümmelung betroffen sind, Dialogräume geschaffen werden, in denen die Teilnehmer*innen tief verwurzelte Überzeugungen und schädliche soziale Normen hinterfragten.

Beispiel Ägypten: In Kooperation mit UNICEF und UNFPA wird der sogenannte Generationendialog unterstützt, in dessen Rahmen geschlechts- und generationsübergreifende Dialogformate entstehen, die Prozesse des sozialen Wandels mitgestalten.