Agenda 2030 Ernüchternde Halbzeitbilanz

Der jährliche SDG-Fortschrittsbericht des UN-Generalsekretärs erschien im Mai 2023 als Sonderausgabe zur „Halbzeit“ der Agenda 2030 (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen). Die Auswertung zeichnet ein düsteres Bild: Die Weltgemeinschaft ist demnach weit davon entfernt, ihre selbst gesteckten Ziele im Kampf gegen Armut, Hunger und Ungleichheit zu erreichen. In einem dringlichen Appell ruft UN-Generalsekretär António Guterres daher die Regierungen weltweit auf, ihre Anstrengungen zur Umsetzung der Agenda 2030 umgehend und deutlich zu verstärken.

Cover: The Sustainable Development Goals Report 2023

Die in den ersten Umsetzungsjahren erzielten Fortschritte – etwa bei der Bekämpfung der extremen Armut, der Reduzierung der Kindersterblichkeit und beim Zugang zu Elektrizität – sind laut dem Bericht größtenteils zu langsam erfolgt und nicht beständig genug.

In den vergangenen drei Jahren haben die Covid-19-Pandemie, der Angriffskrieg gegen die Ukraine und seine globalen Auswirkungen sowie klimabedingte Katastrophen die bereits vorher schon ins Stocken geratene Umsetzung der Agenda 2030 weiter verlangsamt. Zum Teil wurden Entwicklungsfortschritte sogar wieder zunichte gemacht. Die Auswirkungen dieser Schocks auf die Entwicklungsländer verschärfen sich laut Guterres durch ein ungerechtes globales Finanzsystem. Dieses ist kurzfristig orientiert, krisenanfällig und verstärkt Ungleichheiten.


UN-Generalsekretär António Guterres
Der mangelnde Fortschritt bei den SDGs ist universell, aber es ist überdeutlich, dass die Entwicklungsländer und die ärmsten und verletzlichsten Menschen der Welt die Hauptlast unseres kollektiven Versagens tragen. Dies ist eine unmittelbare Folge globaler Ungerechtigkeiten, die Hunderte von Jahren zurückreichen, sich aber bis heute fortsetzen.
UN-Generalsekretär António Guterres SDG-Fortschrittsbericht 2023
Standbild aus dem BMZ-Video: Halbzeitbilanz der Agenda 2030

Video Halbzeit der Agenda 2030

Das Bild zur Halbzeit der Agenda 2030 ist ernüchternd: Falls wir in diesem Tempo weitermachen, werden wir bis 2030 keines der 17 Ziele vollständig erreichen. Kriege, Pandemien, die Erderwärmung oder fehlender politischer Wille verlangsamen das Tempo und verschärfen die soziale Ungleichheit. Nur wenn wir jetzt schnell und entschlossen handeln, kommen wir wieder auf Kurs.

Entwicklungsziele im aktuellen Tempo mehrheitlich nicht erreichbar

Dem Bericht des UN-Generalsekretärs liegt eine vorläufige Auswertung von rund 140 der 169 Unterziele zugrunde, für die Daten vorliegen. Sie zeigt, dass die Weltgemeinschaft bei lediglich 15 Prozent der globalen Entwicklungsziele auf dem richtigen Weg ist. Bei etwa der Hälfte der Unterziele gibt es zwar Fortschritte, diese reichen aber nicht aus, um die SDGs bis 2030 zu erreichen. Bei mehr als 30 Prozent der Ziele gibt es keine Veränderung oder es werden sogar Rückschritte im Vergleich zu 2015 verzeichnet.

Setzt sich der derzeitige Trend fort, werden im Jahr 2030 immer noch 575 Millionen Menschen in extremer Armut leben. In Bezug auf den Hunger ist die Welt wieder auf das Niveau von 2005 zurückgefallen. Beim jetzigen Tempo würde es zudem fast 300 Jahre dauern, die geschlechtsspezifischen Ungleichheiten in der rechtlichen Absicherung zu beseitigen und diskriminierende Gesetze abzuschaffen.

Nach wie vor sei es schwierig, verlässliche Daten für alle 169 Ziele zu erhalten, betont António Guterres in seinem Bericht. Trotz vieler Fortschritte gebe es immer noch erhebliche Lücken bei der geografischen Abdeckung, der Aktualität und der Aufschlüsselung. Zu mehreren SDGs mit Querschnittscharakter (zum Beispiel SDG 5, 13 und 16) verfügen weniger als die Hälfte der 193 Länder über international vergleichbare Daten. Die Schließung von Datenlücken zählt Guterres daher zu den besonders wichtigen anstehenden Aufgaben der Vereinten Nationen.

Rettungsplan für die Menschheit und den Planeten

Mit Blick auf die Halbzeitbilanz schlägt der UN-Generalsekretär einen Rettungsplan für die Menschheit und den Planeten („Rescue Plan for People and Planet“) vor, der beim SDG-Gipfel im September 2023 in New York beschlossen werden soll.

Dieser soll im Kern folgende Punkte enthalten:

  • Mitgliedsstaaten sollen nationale Strategien zur Verringerung von Armut und Ungleichheit formulieren, die SDGs zu einem zentralen Thema ihrer Planungs- und Kontrollmechanismen machen und die Haushalte auf allen staatlichen Ebenen auf die Erreichung der Entwicklungsziele ausrichten.
  • Staaten und Finanzinstitutionen sollen Maßnahmen ergreifen, um den vom UN-Generalsekretär vorgestellten SDG-Stimulus (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) zu verwirklichen und die internationale Finanzarchitektur zu reformieren.
  • Es sollen Schwerpunkte auf Politik und Investitionen, die positive Effekte auf alle Ziele haben, gesetzt werden So sollen Staaten beispielsweise ihre Investitionen in die soziale Sicherung erhöhen, Maßnahmen zur Gleichstellung der Geschlechter ergreifen sowie die Nutzung von erneuerbaren Energien ausbauen.

Empfehlungen

Um die drei genannten Bereiche weiter zu konkretisieren, enthält der Bericht fünf Empfehlungen an die UN-Mitgliedsstaaten:

  1. Die Staaten sollen sich zur beschleunigten Umsetzung der Agenda 2030 bekennen und auf dem kommenden SDG-Gipfel eine ehrgeizige politische Erklärung abgeben.
  2. Sie sollen konkrete Maßnahmen ergreifen, um die extreme Armut zu bekämpfen, Ungleichheiten zu reduzieren und klima- und umweltschädliche Strukturen und Handlungsweisen abzuschaffen. Dabei soll ein besonderer Fokus auf die Förderung der Rechte von Frauen und Mädchen und die Selbstermächtigung besonders vulnerabler (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) Gruppen gelegt werden.
  3. Die UN-Mitgliedsstaaten sollen die öffentlichen Einrichtungen auf allen Ebenen stärken und ihre Rechenschaftspflicht erhöhen.
  4. Sie sollen sich erneut dazu verpflichten, die Addis-Abeba-Aktionsagenda (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) zur nachhaltigen Entwicklungsfinanzierung umzusetzen sowie ausdrücklich den vorgelegten SDG-Stimulus (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen)-Plan unterstützen.
  5. Sie sollen das System der Vereinten Nationen weiter stärken. Auf einem Zukunftsgipfel („Summit of the Future“) im Jahr 2024 sollen die Staaten ehrgeizige Verpflichtungen eingehen, etwa zu den Themen Jugendbeteiligung und neue Friedensagenda.

Stand: 14.07.2023