9. Oktober 2025 Rede der Bundesentwicklungsministerin Reem Alabali Radovan anlässlich der Aktuellen Stunde im Bundestag „Zwei Jahre nach dem Hamas-Terror und Kriegsbeginn in Gaza – Chance auf Frieden in Nahost ergreifen“

Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrte Präsidentin,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

es hat fünf unendliche Tage gedauert, bis Michal Gewissheit hatte. Fünf Tage ohne Schlaf, fünf Tage voller Angst und Entsetzen, bis die Nachricht kam. Die schlimmste Nachricht, die eine Mutter bekommen kann:

Laor, ihr einziger Sohn, ist tot. Er hat das entsetzliche Massaker der Hamas am 7. Oktober nicht überlebt. Dieser gewaltsame Tod ihres Sohnes hat auch ihr eigenes Leben zerstört.

Genauso zerstört ist das Leben der palästinensischen Ärztin Alaa Al-Najjar. Während sie selber in der Notaufnahme des Nasser Krankenhauses in Khan Yunis in Gaza Menschenleben rettet, tötet ein israelischer Luftangriff neun ihrer zehn Kinder und ihren Mann. Der jüngste unter ihnen, Sidr, wurde nur sieben Monate alt.

Diese Geschichten sind so grausam. So grausam, dass es unerträglich ist, sie zu hören. Wie grausam muss es erst sein, sie zu erleben.

Der Terrorangriff der Hamas vor zwei Jahren hat unvorstellbares Leid über so viele Menschen gebracht.

Und dabei ist es völlig unerheblich, auf welcher Seite das Leid stattfindet. In diesem grausamen Leid sind alle Menschen gleich.

Der 7. Oktober hat den Nahen Osten verändert.

Klar ist dabei:

Israels Recht auf Verteidigung seiner Sicherheit und seiner Existenz ist unverhandelbar.

Unverhandelbar ist auch, dass von der Hamas nie wieder eine Bedrohung für Israel ausgehen darf.

Und unverhandelbar ist auch ein klares Bekenntnis gegen jeden Antisemitismus.

Genauso unverhandelbar ist: Die israelische Regierung muss sich an das Völkerrecht halten. Zivilist*innen dürfen nicht angegriffen werden. Und sie müssen ausreichend humanitäre Hilfe erhalten.

Nach zwei Jahren Krieg ist die Situation verheerender denn je.

Es zerreißt mir das Herz, dass nach 732 Tagen immer noch israelische Geiseln auf ihre Freilassung hoffen müssen. Darunter auch deutsche Staatsangehörige.

Dass israelische Familien um die über 1.200 von der Hamas getöteten Familienmitglieder trauern.

Es zerreißt mir das Herz, dass über 20.000 palästinensische Kinder in diesem Krieg getötet wurden. Dass über 400 Babys, die während des Krieges zur Welt kamen, nicht mal ein Jahr alt wurden. Kleine Kinder, die diesen Krieg weder ausgelöst noch angeheizt haben. Die einfach leben wollten. Friedlich und in Freiheit.

Es zerreißt mir das Herz, dass 20.000 Kinder eine bleibende Behinderung davontragen, dass ihre Gliedmaßen weggesprengt und zertrümmert wurden.

Und es zerreißt mir das Herz, dass das Sterben kein Ende findet. Dass so viele Menschen traumatisiert sind. Und dass es Generationen brauchen wird, diese Traumata zu überwinden.

Der Plan von US-Präsident Donald Trump ist ein Signal der Hoffnung. Es scheint endlich in greifbarer Nähe, wofür sich auch die Bundesregierung einsetzt:

Ein sofortiger Waffenstillstand.

Eine sofortige Freilassung der Geiseln.

Und eine Versorgung der Menschen in Gaza mit humanitärer Hilfe.

Diese Chance darf nicht vertan werden. Jeder Tag des Krieges, der Gewalt, des Leids kostet Leben. Das muss sofort aufhören!

Ich bin dankbar für den Vermittlungseinsatz von Ägypten, Katar und den Vereinigten Staaten.

Es besteht jetzt die einmalige Chance auf Frieden.

Das bedeutet auch, den Wiederaufbau Gazas vorzubereiten. Dafür habe ich im September in New York gemeinsam mit Ägypten, der Palästinensischen Behörde und den Vereinten Nationen zu ersten Gesprächen eingeladen. Viele weitere Gespräche zur Steuerung und Finanzierung des Wiederaufbaus stehen an.

Mit Außenminister Wadephul stehe ich dazu in engem Austausch.

Bereits im Moment der Waffenruhe stehen wir bereit zu helfen. Damit die Menschen Wasser und Energie haben, Lebensmittel herstellen können, medizinisch versorgt werden und in vorübergehenden Unterkünften leben können.

Und bei allem Bangen um Gaza dürfen wir die West Bank und Ost-Jerusalem nicht vergessen. Die Lage dort ist brandgefährlich.

Und eine stabile Palästinensische Behörde ist Voraussetzung für eine Zweistaaten-Lösung. Und deshalb werden wir sie auch unterstützen. Und Jo Wadephul hat es gerade gesagt: Für diese Zweistaaten-Lösung setzt sich auch die Bundesregierung weiterhin mit Nachdruck ein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Chance auf Frieden ist jetzt da.

Jetzt gerade in diesen Stunden. Jetzt gilt: Alle müssen Alles dafür tun, dass diese Chance Realität wird. Dass es eine echte Perspektive für eine friedliche Zukunft gibt. Für Israelis UND für Palästinenser*innen. Und für die gesamte Region.

Dafür müssen wir kämpfen.

Und wir werden unseren Beitrag leisten.

Vielen Dank.