2. Juni 2025 Rede von Bundesentwicklungsministerin Reem Alabali-Radovan zur Eröffnung der Hamburg Sustainability Conference 2025

Entwicklungsministerin Reem Alabali-Radovan bei ihrer Rede bei der Hamburg Sustainability Conference 2025

Entwicklungsministerin Reem Alabali-Radovan bei ihrer Rede bei der Hamburg Sustainability Conference 2025

Entwicklungsministerin Reem Alabali-Radovan bei ihrer Rede bei der Hamburg Sustainability Conference 2025

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Frau Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank,
sehr geehrter Achim Steiner,
sehr geehrter Michael Otto,
Excellencies,
sehr geehrte Damen und Herren,

Hamburg wird oft als Tor zur Welt beschrieben. Als weltoffen. Als bedeutender Handelsstandort mit einem der größten Häfen Europas. Wer an Hamburg denkt, hat riesige Containerschiffe vor Augen, die Waren nach Deutschland und von Deutschland in die weite Welt bringen. Der Hafen ist Sinnbild für die globalisierte Welt. Für die weltweite Vernetzung, die unser Leben heute prägt. Sie bringt gesellschaftlichen Fortschritt, von dem viele Menschen profitieren.

Heute und morgen treffen sich hier in Hamburg die Weltoffenen. Diejenigen, die wissen: den großen Herausforderungen unserer Zeit können wir nur gemeinsam begegnen. Weil wir voneinander abhängen. Weil Kriege, Pandemien oder die Klimakrise nicht an Grenzen halt machen. Weil wir darauf angewiesen sind zusammenzuarbeiten.

Deshalb bedeutet es mir sehr viel, Sie im Namen des Bundesentwicklungsministeriums, des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen UNDP, der Stadt Hamburg und der Michael-Otto-Stiftung heute hier zur zweiten Hamburg Sustainability Conference – zur HSC – begrüßen zu dürfen.

Es sind wieder rund 1.600 internationale Entscheider*innen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft angereist. Aus rund 110 Ländern des Nordens, Südens, Westens und Ostens. Zu einer Konferenz, bei der wir nicht übereinander, sondern miteinander sprechen. Bei der es um den vertrauensvollen Dialog und partnerschaftliche Zusammenarbeit geht. Eine Konferenz, deren Programm über Ländergrenzen hinweg, gestaltet wurde. Mit einem gemeinsamen Auftrag: bei den von allen Staaten gemeinsam vereinbarten Zielen für nachhaltige Entwicklung – den SDGs – nicht nachzulassen, weiter zu kommen.

Schon bei der ersten HSC im Oktober 2024 war klar: die internationalen Probleme werden größer, nicht kleiner. Weltweit sehen sich immer mehr Menschen zur Flucht gezwungen. Weil die Folgen des Klimawandels immer stärker zu spüren sind. Ganz besonders von den Allerärmsten. Ungleichheiten innerhalb von Gesellschaften verschärfen sich weiter. Und weil Kriege und Konflikt zunehmen.

Seit mehr als drei Jahren führt Russland seinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Und meine Damen und Herren: die Bilder aus Gaza lassen niemanden kalt. Tausende unschuldige Zivilisten – Männer, Frauen, Kinder – sind in den vergangenen Monaten ums Leben gekommen. Viele unter Trümmern. Kinder, die hungern. Familien, die keinen Zugang zu sauberem Wasser, zu Medikamenten, nicht einmal zu Brot haben. Krankenhäuser ohne Strom, ohne Verbandsmaterial – ohne Hoffnung.

Was wir dort sehen, ist eine menschengemachte humanitäre Katastrophe – und sie verschärft sich mit jedem Tag.

Der Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober war ein barbarischer Akt. Der Schutz der eigenen Bevölkerung ist ein legitimes Ziel – militärisch wie politisch. Doch jedes staatliche Handeln unterliegt dem Völkerrecht.

Es kann und darf kein militärisches Ziel geben, das rechtfertigt, dass Kinder verhungern, dass Mütter ihre verletzten Kinder nicht behandeln lassen können, dass ganze Familien unter Trümmern begraben werden. Keine politische Strategie darf dazu führen, dass humanitäre Hilfe blockiert wird.

Die israelische Regierung muss den Zugang für humanitäre Organisationen unverzüglich ermöglichen – vollständig und dauerhaft. Es geht um Leben. Es geht um jeden Tag, jede Stunde.

Die Geiseln, die noch immer von der Hamas festgehalten werden, müssen freigelassen werden – ohne Bedingungen!

Ein sofortiger Waffenstillstand ist dringend notwendig. Ohne Waffenruhe gibt es keinen Schutz der Zivilbevölkerung, keine sichere Versorgung, keine Perspektive auf politische Lösungen. Die fortgesetzte Gewalt zerstört nicht nur Leben, sondern auch jede Aussicht auf Frieden.

Wir müssen auch über unsere eigene Verantwortung sprechen. Wenn der Zugang zu Hilfsgütern dauerhaft blockiert wird – wenn das Völkerrecht missachtet wird –, dann dürfen wir nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Dann müssen wir über Konsequenzen sprechen.

Und das werden wir gemeinsam in der Bundesregierung tun.

Die Gewalt muss enden. Die Menschen in Gaza brauchen Hilfe, nicht irgendwann – sondern jetzt! Und es muss das gelten, was uns verbindet: das Völkerrecht. Mehr noch – unsere gemeinsame Menschlichkeit!

Meine Damen und Herren, die Herausforderungen sind riesig. Und deshalb dürfen wir nichts unversucht lassen, eine bessere, eine gerechtere Welt für alle zu schaffen.

Doch die regelbasierte internationale Ordnung wird aktiv untergraben. Traditionelle Foren zum Ausgleich unterschiedlicher Interessen sind oft blockiert. Das gilt heute mehr noch als im letzten Oktober, als die erste HSC stattfand. Selten zuvor standen die Entwicklungspolitik und die gesamte internationale Zusammenarbeit so unter Druck wie heute. Weltweit, auch hier in Deutschland, wird die Entwicklungszusammenarbeit infrage gestellt. Und die nationalistischen Tendenzen entscheidender Partner, besonders der Rückzug der USA, treffen die Entwicklungspolitik mit voller Härte. Mit lebensbedrohlichen Folgen für zahlreiche Menschen weltweit.

Umso wichtiger ist ein Format wie die HSC. Ein Format, das diesen Attacken etwas entgegenhält und eine einfache Erkenntnis stärkt: Es geht uns allen besser, wenn wir miteinander arbeiten und nicht gegeneinander. Dafür setzen wir den Rahmen: Mit einer Konferenz, die den geopolitischen Spannungen und dem Vertrauensverlust im multilateralen System Rechnung trägt.
Worauf also kommt es bei dieser HSC besonders an?

Erstens legen wir dieses Mal noch mehr Wert auf den geschützten Raum. Auf den hochrangigen Austausch im vertraulichen Rahmen. Weil so freier ausgelotet werden kann, wie Kompromisslinien aussehen könnten. Wo Schmerzpunkte liegen. Und weil es leichter fällt, die Perspektive des Gegenübers anzuerkennen, wenn Gespräche nicht unter den Augen der Weltöffentlichkeit stattfinden.

In einem solchen geschützten Rahmen werde ich mich zum Beispiel heute an einer Diskussion über die Frage beteiligen, wie eine zukunftsfähige Weltwirtschaftsordnung aussehen kann. Eine, die kooperativ ist und denjenigen Ländern Chancen bietet, die bisher nicht davon profitieren konnten. Die Armut und Ungleichheit überwinden kann. Wie wichtig diese Debatte ist, zeigen die aktuellen Turbulenzen in der Handelspolitik. Sie treffen alle Länder. Aber die ärmsten Länder am härtesten.

Neben den vertraulichen Formaten geht von dieser HSC – zweitens – ein starkes Zeichen für die Stärkung des multilateralen Systems aus: Von der „Allianz zur Unterstützung des UN-Entwicklungssystems“, einer Koalition von Staaten, die auf Initiative des Bundesentwicklungsministeriums bei der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar entstanden ist. Sie unterstützen die vom Generalsekretär der Vereinten Nationen angestoßenen UN80-Reformprozess mit einem klaren Votum: die VN-Säule für nachhaltige Entwicklung muss gleichberechtigt neben den anderen VN-Säulen erhalten bleiben. Und handlungsfähige Vereinte Nationen, davon bin ich überzeugt, gibt es nur dann, wenn die Staaten des Globalen Südens eine noch stärkere Rolle darin spielen.

Und nicht nur in den Vereinten Nationen. Es kommt auf nicht weniger als auf eine inklusive Weltordnung an. Um die partnerschaftlichen und strategischen Beziehungen mit dem Globalen Süden auszubauen, wird die Bundesregierung deshalb eine Nord-Süd-Kommission ins Leben rufen.

Drittens ist die HSC ein Ort, an dem neue, zum Teil unkonventionelle Allianzen entstehen. Allianzen derjenigen, die bereit sind voranzuschreiten auf dem Pfad der nachhaltigen Entwicklung.

Wie zum Beispiel mit der Hamburg Declaration on Responsible AI for the SDGs, die bei der HSC verabschiedet wird. Das Besondere: nicht nur Staaten, sondern auch Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Privatwirtschaft und internationale Organisationen haben sich auf Nachhaltigkeits-Prinzipien für künstliche Intelligenz verständigt. Denn nur gemeinsam können wir dafür sorgen, dass die KI unserem Planeten und den Menschen nützt, vor allem auch jenen im Globalen Süden.

Ein anderes Beispiel ist die Pathfinders Global Alliance against Inequality, die sich morgen hier bei der HSC gründen wird. Ihre Mitglieder wollen sich in multilateralen Organisationen und Foren gemeinsam dafür einsetzen, Ungleichheit zu reduzieren. Zum Beispiel bei der Financing for Development Conference FfD4 in Sevilla nächsten Monat. Oder beim World Social Summit in Qatar. Das Besondere an dieser Allianz: Wissenschaftler*innen begleiten sie und untersuchen, welche Bedingungen Lösungsansätze erfüllen müssen, damit sie funktionieren. Dabei kann es beispielsweise um die Frage gehen, wer wie und wann an Veränderungsprozessen beteiligt werden sollte.

Die HSC steht auch für Allianzen, die dafür sorgen, dass die nötigen Investitionen fließen, um die SDGs und auch die Klima- und Biodiversitätsziele zu erreichen.

So wie die bei der letzten HSC initiierte Hamburg Sustainability Platform. Ihr Ziel: Mehr Investitionen zu mobilisieren, indem öffentliche und private Gelder schneller und effizienter gebündelt werden. Seit der letzten HSC haben die beteiligten Partner – zum Beispiel – an der Gründung eines Unternehmens gearbeitet, das voraussichtlich Ende des Jahres seine Arbeit am ersten standardisierten Finanzprodukt aufnehmen soll. Mit großem Potenzial: Im Verlauf der nächsten Jahre sollen damit mehrere Milliarden US Dollar für nachhaltige Investitionen zusätzlich generiert werden können.

Und eine Allianz soll Investitionen für nachhaltige Entwicklung in die Städte bringen. Mein Ministerium und die Weltbank bündeln dafür Kräfte mit UN Habitat, weiteren Staaten und multilateralen Entwicklungsbanken. Ihr gemeinsames Ziel: an guten Rahmenbedingungen für Investitionen in Städten arbeiten. Dazu gehört zum Beispiel, dass Städte kreditwürdiger werden oder dass Städteverwaltungen mehr Finanzwissen erlangen.

Warum das so wichtig ist? Weil in zwanzig Jahren siebzig Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben werden. Städte müssen beispielsweise widerstandsfähig gegen Extremwetterereignisse gemacht werden. Ohne dabei die Belange der Ärmsten aus den Augen zu verlieren. Denn sie sind es, die oft an schutzlosen Orten siedeln.

Es ist eindrucksvoll, wie vielfältig die Themen sind, die heute und morgen in Hamburg angepackt werden. Dafür danke ich all jenen, die die HSC mit großem Engagement vorbereitet haben!

Ganz entscheidend dabei, diese Konferenz aus der Taufe zu heben, waren Sie, lieber Achim Steiner. Dass Ihr Wirken bei UNDP in Kürze endet, wird eine schmerzliche Lücke hinterlassen. Denn Sie sind eine starke deutsche Stimme in den Vereinten Nationen. Und zugleich der Inbegriff einer internationalen Persönlichkeit. Nie war die Haltung, mit der Sie Politik gemacht haben, wichtiger als heute. Dafür danke ich Ihnen herzlich.

Sehr geehrte Damen und Herren, mein Ziel ist: Wer in Zukunft an Hamburg denkt, denkt an das Signal, das von der HSC ausgeht: Internationale Zusammenarbeit funktioniert. Internationale Zusammenarbeit schafft Win-win-Situationen.

In diesem Sinne wünsche ich uns allen eine fruchtbare Konferenz!