18. Juni 2025 Rede von Bundesentwicklungsministerin Reem Alabali Radovan zum Engagementabend und zur Engagementpreisverleihung
Entwicklungsministerin Reem Alabali Radovan während ihrer Rede zum Engagementabend und zur Engagementpreisverleihung am 18. Juni 2025
Es gilt das gesprochene Wort!
Liebe Gäste,
herzlich willkommen hier im BMZ. Was für ein wunderbares Bild, ich freue mich schon länger auf diesen Abend. Viele bekannte Gesichter sind hier, viele neue Gesichter. Ich freue mich darauf, Sie wiederzutreffen, und Sie kennenzulernen.
„Die Zivilgesellschaft zerbricht, wenn wir die Klappe halten“.
Das hat Jakob Springfeld gesagt, ein junger Aktivist und Autor aus Sachsen, der sich gegen Rechtsextremismus einsetzt.
Und es ist gut und richtig, dass hier heute so viele Menschen zusammenkommen, die nicht „die Klappe halten“. Die ihre Meinung sagen. Die tatkräftig mit anpacken, die Dinge verändern und Verantwortung übernehmen. Sie sind diejenigen, die Herausforderungen mit Mut und mit Weitblick angehen.
Denn die Herausforderungen in unserer Welt werden nicht kleiner, im Gegenteil – sie wachsen.
Weltweit sehen sich immer mehr Menschen zur Flucht aus ihrer eigenen Heimat gezwungen. Weil Kriege und Konflikte zunehmen. Weil die Klimakrise immer stärker zu spüren ist. Insbesondere von den Allerärmsten.
Ungleichheiten innerhalb von Gesellschaften, zwischen Männern und Frauen verschärfen sich weiter. Seit mehr als drei Jahren führt Russland einen fürchterlichen Angriffskrieg gegen die Ukraine und gerade jetzt in diesen Tagen, nach drei Jahren, erleben wir die schlimmsten Angriffe auf die Ukraine. Im Sudan und in Gaza herrschen furchtbare Kriege und humanitäre Katastrophen. Was wir dort sehen, gerade in Gaza, ist eine menschengemachte Katastrophe – und sie verschärft sich mit jedem Tag.
Und natürlich möchte ich die aktuelle Lage adressieren. Mich besorgt die Lage im Nahen Osten ungemein. Ich weiß, dass viele von Ihnen auch Familie und Freunde und Bekannte haben – im Iran, oder in Israel, oder wie ich im Irak. Und dass es keine einfachen Stunden und Tage sind, gerade für die Menschen, die sich Sorgen machen um ihre Angehörigen, um ihre Freunde. Und für mich ist ganz klar, die gegenseitigen Angriffe Israels und Irans müssen aufhören. Es darf nicht weiter zu einer Eskalation kommen. Die Bundesregierung setzt hier vor allem auf die Krisendiplomatie.
Meine Damen und Herren, die Herausforderungen sind also riesig und ich habe nur einen Ausschnitt genannt. Und genau deshalb dürfen wir nichts unversucht lassen, eine bessere, und eine gerechtere Welt für alle zu schaffen.
Das heißt: Wir dürfen eben nicht „die Klappe halten“. Und wir werden es auch nicht.
Nur, wenn möglichst viele Menschen in Deutschland und weltweit Verantwortung übernehmen, wenn sie mitreden und tatkräftig mit anpacken, können sie die Gesellschaft mitgestalten, etwas verändern. Nur dann können sie denjenigen entgegentreten, die zivilgesellschaftliche Handlungsräume einschränken wollen. Die anderen Menschen Angst machen wollen, sich einzubringen. Die ihnen das Recht absprechen wollen, den Mund aufzumachen.
Der neue Atlas der Zivilgesellschaft von Brot für die Welt zeigt, wie die Zivilgesellschaft weltweit unter Druck gerät: Nur etwa drei Prozent der Menschheit weltweit lebt in einem Land mit uneingeschränkten zivilgesellschaftlichen Freiheiten mit freier Meinungsäußerung. Fast drei Viertel der Menschheit in Ländern mit unterdrückter Zivilgesellschaft. Sie dürfen sich nicht zusammenschließen, sie dürfen ihre Meinung nicht kundtun. Sie dürfen nicht so zusammenkommen, wie wir es hier heute Abend ganz selbstverständlich machen.
Das ist nicht nur für die betroffenen Menschen und Länder ein Problem, sondern auch für die deutsche Entwicklungspolitik. Denn internationale Zusammenarbeit braucht eine starke Zivilgesellschaft.
Sie, liebe Gäste der Zivilgesellschaft spielen dabei eine zentrale Rolle. Sie fördern das Wissen und das Verständnis, warum es internationale Zusammenarbeit braucht. Sie fördern den weltweiten Zusammenhalt, sie fördern, dass Menschen in Deutschland verstehen, dass alles mit allem zusammenhängt. Dass die Welt nur im Miteinander funktioniert, nicht im Gegeneinander.
Sie übersetzen internationale und abstrakte Themen in die Lebensrealitäten der Menschen in Deutschland. Sie erklären, was unser Smartphone mit den Kindern im Kongo zu tun hat. Sie erklären, was der Konflikt im Sahel mit dem Fachkräftemangel im Mecklenburg-Vorpommern zu tun hat.
Mit der Verleihung des Engagementpreises heute Abend würdigen wir Menschen, die sich genau für diese Themen einsetzen. Die in besonderer Weise für internationale Solidarität, für den Gedanken der „einen Welt“ stehen. Die Preisträger*innen sind gute Beispiele dafür, was das Engagement Einzelner bewirken kann. Und sie stehen für ganz viele Menschen in Deutschland, die genau wie Sie für entwicklungspolitische Themen brennen.
Dieser persönliche Einsatz jedes und jeder Einzelnen stärkt das Verständnis bei den Menschen dafür, warum internationale Zusammenarbeit und warum internationale Solidarität so wichtig sind, gerade jetzt. Warum es wichtig ist, nachhaltige Entscheidungen im Alltag zu treffen und sich aktiv für eine gerechtere Welt einzusetzen. Das macht unsere Gesellschaft empathischer, weltoffener und inklusiver. Und es wirkt Rassismus, Sexismus und der Anfälligkeit für Fake News und Desinformation entgegen.
Deshalb spielt die Zivilgesellschaft, deshalb spielen Sie alle so eine wichtige Rolle, um unsere Demokratie auch hier in Deutschland zu schützen und zu stärken. Und unsere Demokratie verdient es, geschützt und gestärkt zu werden.
Auch ich kenne die populistischen Anfeindungen und verdrehten Argumente gegen Weltoffenheit, gegen Toleranz. Ich weiß, wie kräftezehrend die Auseinandersetzung ist, die Sie tagtäglich führen müssen. Darum ist mir dieser Abend heute auch so wichtig. Um zu zeigen, dass wir viele sind. Und dass wir nicht nur für andere einstehen, sondern uns auch gegenseitig unterstützen.
Gerade dort, wo demokratische Strukturen zurückgedrängt werden, braucht es möglichst viele Menschen, die sich dagegen auflehnen. Die Haltung zeigen und mit anpacken. Die Verantwortung übernehmen, die Ungerechtigkeiten aufzeigen, Allianzen schmieden und sich dagegen einsetzen. Die benachteiligten Menschen weltweit zeigen: Ihr seid nicht allein. Ihr habt unsere Solidarität und unsere Unterstützung.
Und deshalb danke ich Ihnen – für Ihren Einsatz für unsere Gesellschaft und für Ihren Einsatz für eine bessere Welt. Für die Ausdauer, für Ihr Herzblut, aber auch für die Bereitschaft, sich in den rauen Wind zu stellen und gegen Hass, Hetze und Rassismus, Antisemitismus und alle Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit einzustehen.
Den diesjährigen Preisträger*innen danke ich besonders, denn sie setzen sich in vielfältiger Weise dafür ein, dass alle Menschen weltweit in Würde leben können.
Götz Böhm zum Beispiel, der sich bei Brot für die Welt engagiert.
Und Alicia Amancio, die sich als Aktivistin für Jugendbeteiligung und Inklusion in der internationalen Klimapolitik einsetzt.
Beate Ebert engagiert sich seit Jahren für Mädchen und Frauen in Sierra Leone.
Gisbert Kunze setzt sich für die schulische und berufliche Bildung von Mädchen und jungen Frauen in Burkina Faso ein.
Und die Auszeichnung für sein Lebenswerk erhält Professor Martin Kollmann, der als Facharzt für Augenheilkunde und internationale Gesundheit ein Vorreiter im Einsatz gegen vernachlässigte Krankheiten ist.
Ich gratuliere Ihnen allen ganz herzlich. Für Ihr Engagement, für Ihren Einsatz, für Ihre Arbeit, aber auch für ihren Mut, diese Wege zu gehen, egal ob seit 30 oder seit sieben Jahren. Und uns allen hier wünsche ich einen inspirierenden Abend, ich freue mich auf den Austausch mit Ihnen.
Vielen Dank!