12. September 2025 Rede von Bundesentwicklungsministerin Reem Alabali Radovan bei der Veranstaltung: „Neue Allianzen für Frauengesundheit – gemeinsam für globale Gerechtigkeit“ der German Health Alliance (GHA) des Bundesverbands der Deutschen Industrie e.V. (BDI)
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Frau Petersen,
sehr geehrter Herr van Beek,
sehr geehrte Frau Plöger,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
wenn eine Frau einen Herzinfarkt erleidet, dann ist ihr Risiko, daran zu sterben, um 20 Prozent höher als bei einem Mann. Denn Ursachen und Symptome sind bei Frauen anders als bei Männern. Doch an den Frauen wird weniger geforscht.
Das trifft auch auf die Medikamentenforschung zu. Obwohl inzwischen viel über die Gender Health Gap diskutiert wird, sind die Probanden immer noch zu 70 Prozent Männer. Doch Medikamente wirken bei Frauen anders. Welche Rolle zum Beispiel das geringere Gewicht oder die Hormone von Frauen dabei spielen, wird viel zu wenig erforscht.
Das betrifft uns Frauen hier in Deutschland. Doch ungleich stärker sind Frauen in den Ländern des Globalen Südens von der Gender Health Gap betroffen. Sie erkranken zum Beispiel überdurchschnittlich oft an Infektionskrankheiten.
In Ostafrika und im südlichen Afrika ist die Wahrscheinlichkeit, sich mit HIV-zu infizieren, für junge Frauen und Mädchen dreimal so hoch wie für Männer. Das liegt auch daran, dass sie stärker von Armut betroffen sind und arme Menschen häufiger krank werden. Oft haben Frauen auch weniger Möglichkeiten, sich zu informieren oder sich behandeln zu lassen. Und vielfach sind es Männer, die entscheiden, ob Frauen Gesundheitsdienstleistungen in Anspruch nehmen dürfen oder nicht.
Dass mit Frauen die Hälfte der Menschheit im Schatten steht, bei der Gesundheit und in vielen weiteren Lebensbereichen, ist dramatisch. Und es sollte selbstverständlich sein, das zu ändern. Doch das ist es nicht für alle. Im Gegenteil: Wir haben es mit einer weltweiten Anti-Gender-Bewegung zu tun, die die Errungenschaften für die Gleichstellung der Geschlechter zurückdreht. Die die körperliche Selbstbestimmung von Frauen weiter einschränken will.
Die US-Regierung unter Donald Trump spielt dabei eine unrühmliche Rolle. Aber auch in Europa und in Deutschland haben wir politische Parteien, die eine frauenfeindliche Politik vertreten.
Der Rückzug von USAID aus der globalen Gesundheitsfinanzierung hat die Situation noch verschärft, gerade für Frauen und Mädchen aus den Ländern des Globalen Südens. Lokale Frauenrechtsorganisationen oder UN-Programme im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit kämpfen mit drastisch reduzierten Budgets. Mit der Folge, dass Frauen ohne gesundheitliche und rechtliche Beratung bleiben oder in Kriegsgebieten nach sexualisierter Gewalt nicht versorgt werden können.
Das dürfen wir nicht hinnehmen. Die deutsche Entwicklungspolitik steht weiter für die Gesundheit, Rechte und körperliche Selbstbestimmung von Mädchen und Frauen ein. Da ist auch der Koalitionsvertrag eindeutig. Und ganz besonders jetzt, wo der Gegenwind so rau ist, brauchen wir starke Allianzen. Die heutige Veranstaltung, meine Damen und Herren, kommt deshalb zum richtigen Zeitpunkt.
Wer also sind die Allianzpartner der deutschen Entwicklungspolitik bei der Frauengesundheit? Lassen Sie mich ein paar Beispiele nennen.
Gemeinsam mit gleichgesinnten progressiven Staaten setzen wir der Anti-Gender-Bewegung etwas entgegen. Mit im Boot sind neben zahlreichen EU-Staaten auch Norwegen, das Vereinigte Königreich, Kanada und diverse Staaten des Globalen Südens, wie zum Beispiel Mexiko oder Südafrika. Bei internationalen Verhandlungen sprechen wir bei diesem Thema mit einer Stimme. Und wir stimmen uns dazu ab, wie wir den Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen für Frauen, Kinder und Familien über zivilgesellschaftliche Organisationen bestmöglich unterstützen können.
Von großer Bedeutung sind auch unsere multilateralen Partner wie der Globale Fonds, die Impfallianz Gavi und der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen UNFPA [Aussprache: Ju-en-eff-pie-ej]. Gemeinsam setzen wir uns für die Stärkung von Gesundheitssystemen und Geschlechtergerechtigkeit ein. Dabei geht es zum Beispiel darum, dass Länder mit niedrigen Einkommen Systeme zur Beschaffung von Verhütungsmitteln aufbauen. Oder darum, den HPV-Impfstoff gegen Gebärmutterhalskrebs in nationale Impfprogramme aufzunehmen.
Mein Ziel ist es, im Bereich Gesundheit zukünftig noch stärker auf die Zusammenarbeit mit europäischen und multilateralen Partnern zu setzen. Denn mit ihnen können wir die begrenzten öffentlichen Mittel für unsere entwicklungspolitischen Ziele vervielfachen und mehr Menschen erreichen. Wichtig dabei ist, dass die multilateralen Partner ihre Unterstützung noch stärker an die jeweiligen Bedarfe in den Partnerländern anpassen und sich besser untereinander abstimmen. Dafür setzt sich Deutschland ein. Als größter Geber im Bereich Gesundheit haben wir Einfluss, den wir nutzen werden.
Last but not least ist die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft ein Schwerpunkt meiner Politik. Viele Vertreter*innen der Privatwirtschaft sind heute hier. Ich freue mich, Sie hier zu begrüßen.
Sie sind es, die Innovationskraft, Know-how und Investitionsmittel mitbringen. Sie entwickeln Impfstoffe, liefern den großen Gesundheitsfonds Geräte und Medikamente und sorgen für funktionierende Lieferketten. Sie haben Interesse an nachhaltiger wirtschaftlicher Entwicklung und funktionierenden Märkten. Und Sie wissen so gut wie ich, dass es auch der Wirtschaft nützt, wenn Frauen ihre Potentiale ausschöpfen können. Dafür müssen sie gesund sein.
Deutschland unterstützt die Privatwirtschaft beispielsweise im Rahmen einer Team Europe Initiative dabei, die Impfstoff- und Pharmaproduktion in Afrika aufzubauen.
Ein weiteres Beispiel ist der Women's and Children's Health Technology Fund, in den das Bundesentwicklungsministerium investiert. Dieser Fonds unterstützt Unternehmen dabei, innovative Produkte zu entwickeln, die direkt der Gesundheit von Frauen, Kindern und Jugendlichen zugutekommen. So wurde zum Beispiel ein Tampon zur Marktreife gebracht, der neben seiner eigentlichen Bestimmung auch Geschlechtskrankheiten diagnostizieren kann.
Die German Health Alliance ist selbst das beste Beispiel für das, worum es heute in der globalen Gesundheitspolitik gehen muss: Um Partnerschaften ganz unterschiedlicher Akteure. Um verschiedene Blickwinkel und gemeinsame Schlagkraft in rauen Zeiten.
Ich freue mich, meine Damen und Herren, dass wir heute Allianzen für die Frauengesundheit stärken und neue begründen. Die heute veröffentlichte Studie wird uns wichtige Hinweise dafür mit auf den Weg geben.
Lassen Sie uns die Gender Health Gap gemeinsam schließen.
Vielen Dank.