17. September 2025 Rede der Bundesentwicklungsministerin Reem Alabali Radovan anlässlich der Haushaltsdebatte 2025 im Bundestag

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Es gilt das gesprochene Wort!
Eine druckbare Version der Rede (PDF 120 KB, barrierefrei) finden Sie hier (Externer Link).

Sehr geehrter Herr Präsident,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Kürzungen, die wir als Bundesregierung in allen Bereichen vornehmen müssen, sind schmerzhaft.

Sie betreffen viele Menschen direkt - besonders in der Entwicklungszusammenarbeit.

Hier haben wir harte Einschnitte umgesetzt, um dem Konsolidierungsdruck zu entsprechen: Mein Etat sinkt um rund 910 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr. Angesichts zunehmender Krisen investiert Deutschland damit in der internationalen Zusammenarbeit weit weniger, als eigentlich dringend gebraucht wird.

Genau jetzt zeigt sich: Entwicklungszusammenarbeit ist lebensnotwendig.

Die drastischen Folgen des amerikanischen Rückzugs machen das sehr deutlich.

Klar ist aber auch: Die deutsche Entwicklungspolitik bleibt handlungsfähig. Wir sind weit von amerikanischen Verhältnissen entfernt. Und das ist gut und richtig so.

Denn Entwicklungspolitik ist Präventionsarbeit, Zukunftsarbeit. Entwicklungspolitik ist Friedenspolitik: Wenn sie wegfällt, spitzen sich Krisen, Krankheiten und Konflikte zu.

Und wir wissen: Die Krisen machen nicht an Grenzen halt. Sie betreffen auch uns in Deutschland.

Ein Beispiel: In Kenia sind über 700.000 Geflüchtete – viele aus Somalia – direkt von den US-Kürzungen beim Welternährungsprogramm betroffen. In den Camps Kakuma und Dadaab erhalten sie nur noch ein Drittel der erforderlichen Lebensmittelration. Die Folgen sind akut: Hunger und Mangelernährung steigen drastisch. Die Spannungen wachsen, viele Menschen müssen weiterfliehen. Die Region wird zunehmend destabilisiert.

Lassen Sie mich das ganz klar aussprechen: Das ist menschlich nicht hinnehmbar. Und es entspricht auch nicht dem deutschen Sicherheitsinteresse.

Ich bin deshalb erleichtert, dass wir die drastischen Kürzungen beim Welternährungsprogramm im finalen Haushaltsentwurf 2025 abmildern konnten. Und ich danke ausdrücklich den Kolleg*innen Gräßle und Döring für den gemeinsamen Einsatz in diesem Sinne.

Kein Kind auf der Welt sollte an Hunger sterben!

Auch deshalb ist die Lage in Gaza so erschütternd: Weil die dortige Hungersnot menschengemacht ist. In Gaza verhungern Menschen, obwohl sie die Hilfsgüter auf der anderen Seite des Zaunes sehen können. Und die Situation hat sich seit gestern nochmal verschärft. Die Offensive in Gaza-Stadt ist der falsche Weg. Die israelische Regierung muss die jüngste Invasion stoppen und dauerhaft ausreichend internationale Hilfe in den Gazastreifen lassen.

Und völlig klar ist: Gleichzeitig muss die Hamas ihre Waffen niederlegen und endlich alle Geiseln bedingungslos freilassen! Es braucht einen sofortigen Waffenstillstand.

Bei meiner Reise in die Region habe ich es erlebt: Die Lage wird aktuell mit jedem Tag verheerender. Und nicht nur in Gaza. In Ramallah habe ich eine Mädchenschule besucht, die das BMZ unterstützt. Ich habe gesehen, welchen Unterschied wir mit der deutschen Entwicklungszusammenarbeit vor Ort machen können. Gerade in Krisengebieten. Wir schaffen Perspektiven für die Kinder und Jugendlichen vor Ort. Doch diesen Kindern und Jugendlichen droht ihre Zukunft geraubt zu werden.

Die Westbank und Ostjerusalem – und damit die ganze Region - nähert sich einem Kipppunkt. Aufgrund ausbleibender Zahlungen drohen die staatlichen Strukturen in den palästinensischen Gebieten vollends zu kollabieren. Dies muss verhindert werden, da sind wir uns in der Bundesregierung einig. Denn die Auswirkungen wären unvorstellbar – nicht nur für die Menschen in der Region, in den palästinensischen Gebieten, sondern für die gesamte Region. Auch das Ziel einer Zwei-Staaten-Lösung würde damit endgültig zunichte gemacht werden – und damit die einzig gangbare Lösung für Frieden in der Region.

Die internationale Gemeinschaft muss daher dringend und sofort dafür sorgen, dass es nicht zum kompletten Kollaps der Palästinensischen Behörde kommt. Nur so bleibt überhaupt eine Grundlage für einen zukünftigen palästinensischen Staat im Rahmen einer verhandelten Zwei-Staaten-Lösung. Und nur so besteht eine Hoffnung auf Frieden und Zukunft.

Insgesamt gilt: Jeder Euro, den wir weltweit klug in die Entwicklungszusammenarbeit investieren, fördert Sicherheit und Frieden – auch für uns in Europa und in Deutschland.

Also, lassen Sie uns die deutsche Entwicklungszusammenarbeit gemeinsam verlässlich aufstellen – im Interesse der Ärmsten der Welt, gegen die Krisen in der Welt und im Interesse Deutschlands.

Vielen Dank.