9. Juli 2025 Rede von Bundesentwicklungsministerin Reem Alabali Radovan zum Haushaltsgesetz 2025 vor dem Deutschen Bundestag

Standbild: Ministerin Reem Alabali Radovan bei ihrer Rede im Bundestag am 9. Juli 2025

Es gilt das gesprochene Wort!
Eine druckbare Version der Rede (PDF 77 KB, barrierefrei) finden Sie hier (Externer Link).

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir leben in einer Zeit globaler Umbrüche und Herausforderungen, die uns alle betreffen. Der Krieg im Sudan ist ein Beispiel, das uns die Dringlichkeit und die Tragweite vor Augen führt. Es ist die größte humanitäre Krise der Welt. Seit mehr als zwei Jahren tobt dort ein verheerender Konflikt. Mehr als 12 Millionen Menschen sind auf der Flucht, die Hälfte der Bevölkerung leidet akut an Hunger, und 17 Millionen Kinder haben keinen Zugang zu Bildung. Täglich sterben Kinder und erleben sexualisierte Gewalt. Diese Zahlen sind nicht nur erschreckend – sie sind ein Weckruf.

Eine ganze Generation wird weder lesen noch schreiben können. Eine ganze Generation wird traumatisiert sein von der Gewalt in ihrer Heimat. Für ihr Leben gezeichnet. Es ist unvorstellbar, was das für die Zukunft des Sudans bedeutet.

Das Überleben der Menschen im Sudan hängt an der internationalen Unterstützung, die sie erhalten. Im Februar 2025 endete ein Großteil dieser Unterstützung abrupt, als die neue US-Regierung alle Programme von USAID gestoppt hat. Lebensmittellieferungen, Bildungsprogramme, Impfprogramme.

Hier macht die deutsche Entwicklungspolitik einen Unterschied. Gemeinsam mit Unicef haben wir zum Beispiel zahlreiche so genannte Makannas etabliert. Schutzorte, an denen Kinder lernen können, wo sie gesundheitlich und psychologisch unterstützt werden. Schwer mangelernährte Kinder können dort mit therapeutischer Zusatznahrung ernährt werden. Makannas sind sichere Orte, die ein bisschen Zukunft ermöglichen zwischen all dieser schrecklichen Gewalt. 220.000 Kinder und Jugendliche erreichen wir bisher damit. Sie erhalten Zugang zu Bildung und ihre Traumata werden bearbeitet. Damit sie die Zukunft des Sudan irgendwann selbst bestimmen können.

Das macht einen entscheidenden Unterschied für viele Menschen. Aber klar ist auch: Es kann und wird den Wegfall der US-Gelder aber nicht wettmachen.

Und der Sudan ist kein Einzelfall. Insgesamt sind 14 Millionen Menschen durch die Kürzungen von USAID mit dem Tod bedroht. Weltweit sehen wir, wie Krisen, Konflikte und Klimawandel Lebensgrundlagen zerstören. Die globale Ordnung steht vor einer Zerreißprobe.

Und gleichzeitig wird die Entwicklungszusammenarbeit auch hier in Deutschland hinterfragt: Sind die Mittel nötig? Sind sie effizient eingesetzt? Und ist sie überhaupt noch sinnvoll?

Und meine Antwort ist klar: Ja, sie ist sinnvoll! Und gerade jetzt so notwendig. Entwicklungspolitik ist wichtig für die Menschen vor Ort, aber auch für uns. Denn die Krisen dieser Welt machen nicht an Grenzen halt. Sie betreffen uns alle: wirtschaftlich, sicherheitspolitisch und menschlich.

Aber ich nehme diese Kritik ernst. Wir werden die Entwicklungspolitik zukunftsfähig machen. Deshalb habe ich im BMZ einen Prozess gestartet, damit wir Zeichen setzen: Wo können wir am meisten bewirken? Wo werden wir am dringendsten gebraucht? Und wo müssen wir uns zurückziehen, um unsere Kräfte zu bündeln? Diese Priorisierung ist hart, aber notwendig.

Gleichzeitig müssen wir so stark sein wie nie. Deutschland ist nach dem Rückzug der USA einer der größten Akteure in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit. Wir bleiben starker Vorkämpfer für Multilateralismus. Viele schauen auf uns, wenn es darum geht, Orientierung zu geben, globale Standards zu setzen, Partnerschaften zu stärken und gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Ein Beispiel dafür sind die Ergebnisse von Sevilla. Dort habe ich letzte Woche auf Einladung der UN zur internationalen Entwicklungsfinanzierung gesprochen. Und gemeinsam haben wir uns darauf geeinigt, privates Kapital und auch die Superreichen stärker zur Verantwortung zu ziehen.

Unsere Entwicklungspolitik muss neue Wege gehen, muss gezielter, effizienter und innovativer sein. Wir werden unsere Partnerschaften mit der deutschen Wirtschaft ausbauen, um nachhaltige Investitionen in den Globalen Süden zu fördern. Das sichert Arbeitsplätze in Deutschland und Wertschöpfung in den Partnerländern.

Wir werden unsere Zusammenarbeit mit multilateralen Organisationen intensivieren, um Synergien zu nutzen und Doppelstrukturen zu vermeiden. Und wir werden strukturelle Änderungen vornehmen, um agiler zu werden, aber – und das ist mir sehr wichtig – ohne unsere Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit zu gefährden. Denn Entwicklungspolitik ist kein Nice-to-have. Sie ist ein zentraler Bestandteil unserer integrierten Sicherheitspolitik. Ein Garant der Friedenspolitik.

Und die Bundesregierung ist sich einig, dass wir im Fall von unerwarteten Krisen jederzeit handlungsfähig und verlässlich bleiben müssen. Wir brauchen die Möglichkeiten, besonders vulnerable Menschen schnellstmöglich in Krisen zu unterstützen.

Wie die Kinder im Sudan – sowie die in der Ukraine, dem Sahel, in Gaza und anderswo. Kinder, die eine Zukunft verdienen. Und das muss sich auch im Etat entsprechend widerspiegeln.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Einsparungen im Entwicklungsetat sind hart und schmerzhaft. Und ich werde mich in der Koalition dafür einsetzen, dass wir gemeinsam eine stabile Finanzierung sicherstellen – weil ich weiß, wie viel auf dem Spiel steht.

Angesichts der tektonischen Verschiebungen und der sich verändernden Lage in der Welt brauchen wir weltweit starke Partner.

Es geht um ein Leben in Würde für alle. Es geht um Sicherheit und Frieden. Es geht um wirtschaftliche Zusammenarbeit auf Basis gemeinsamer Interessen. Und es geht auch um unsere Rolle in der Welt. Und dafür brauchen wir eine starke deutsche Entwicklungszusammenarbeit. Wir müssen verlässlicher Partner bleiben, das muss sich auch im Haushalt widerspiegeln. Und dabei setze ich auch auf Ihre Unterstützung, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Herzlichen Dank.