11. April 2024 Neue Allianzen zur erfolgreichen Umsetzung von Sorgfaltspflichten

Rede von Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze anlässlich der Veranstaltung „Sorgfaltspflichten und Rohstoffe: Handlungsoptionen für nachhaltige und sichere Rohstofflieferketten“ am 11. April 2024 in Berlin

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Damen und Herren,

„Ich möchte nicht, dass meine Kinder Minenarbeiter werden. Nicht für einen einzigen Tag.“

Das sagt Ghislain Mujinga Kaungu aus der Demokratischen Republik Kongo. Er ist Vater von fünf Kindern und baut im Südosten des Landes mit einfachen Mitteln Kobalt ab. Er und die anderen Arbeiterinnen und Arbeiter dort berichten von der ständigen Angst, dass die Tunnel einstürzen und sie sich verletzen oder sterben. Doch sie nehmen die gefährliche Arbeit auf sich, um ihre Familien zu ernähren.

Besucht man Minen im Kongo, in denen im Kleinbergbau Kobalt gewonnen wird, dann begegnen einem Minderjährige, die Säcke voll mit Erz schleppen. Man sieht Menschen, die mit Spitzhacken Löcher graben – ohne Schutzkleidung, ohne Helme, sogar ohne Schuhe. Der größte Teil des so geförderten Kobalts wird anschließend zur Weiterverarbeitung nach China exportiert. Und von dort gelangt es dann auch nach Europa, beispielsweise für die Produktion von Elektroautos.

Es ist deshalb auch unsere Verantwortung, die Arbeitsbedingungen im Kleinbergbau zu verbessern. Als deutsches Entwicklungsministerium engagieren wir uns zum Beispiel für den Aufbau von Zertifizierungssystemen im Kongo. Und hier in Deutschland und in Europa setzen wir uns für starke Lieferkettengesetze ein.

Als Mitglieder der Responsible Business Alliance wissen Sie, wie wichtig faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen für die Menschen in globalen Lieferketten sind.

Und dass sich Investitionen in gute Arbeitsbedingungen entlang der Lieferketten auch wirtschaftlich für die Unternehmen lohnen. Weil sie das Fundament für langfristige Partnerschaften bilden und Lieferketten stabiler machen. Darauf ist Deutschland als global vernetzte Wirtschaftsnation angewiesen. Darauf sind Sie als Unternehmen angewiesen. Darauf sind die Menschen in Deutschland angewiesen.

Die Responsible Business Alliance gehört zu den progressiven Wirtschaftsakteuren, die sich für unternehmerische Sorgfaltspflichten einsetzen, gemeinsam mit der Zivilgesellschaft und Regierungen. Die letzten Wochen vor Annahme der EU-Lieferkettenrichtlinie haben gezeigt, wie wichtig diese Allianzen sind. Vielen Dank für Ihre wichtige Unterstützung.

Als Entwicklungsministerin stehe ich voll und ganz hinter der EU-Lieferkettenrichtlinie. Deshalb setze ich mich dafür ein, dass sie nun zügig vom EU-Parlament angenommen wird.

Und natürlich stehe ich auch hinter dem deutschen Lieferkettengesetz. Wenn manche nun fordern, das deutsche Gesetz aufzuheben, entgegne ich: Gerade für deutsche Unternehmen ist es gut, wenn sie schon jetzt hohe Standards an Sorgfaltspflichten einhalten. Damit haben sie einen echten Vorteil gegenüber europäischen Mitbewerbern, sobald die EU-Richtlinie in Kraft tritt. Und sie investieren schon heute in das Geschäftsmodell von morgen.

Dabei ist es mir wichtig, dass wir das eigentliche Ziel des Gesetzes im Blick behalten – nämlich gute Arbeit weltweit. Es geht darum, die Arbeits- und Lebensbedingungen für die vielen Millionen Menschen zu verbessern, die in unseren globalen Lieferketten arbeiten. Die häufig ausgebeutet werden, deren Menschenrechte verletzt werden.

  • Zum Beispiel die Minenarbeiter im Kongo, die täglich ihr Leben aufs Spiel setzen, um ihre Familien zu ernähren;
  • oder die Textilarbeiterinnen in Pakistan, die bis zu 16 Stunden am Tag in beengten Fabriken Kleidung nähen und trotzdem nicht über die Runden kommen;
  • oder die Menschen in Indien, die ein Recht auf sauberes Wasser statt vergifteter Flüsse haben.

Das Lieferkettengesetz stellt die Weichen dafür, dass Unternehmen enger mit ihren Zulieferern zusammenarbeiten. Das Prinzip dabei lautet: Ein gutes Geschäft ist, wenn alle davon profitieren.

Die Transparenz, die Unternehmen durch das Gesetz in ihre Lieferketten bringen müssen, nützt dabei letztendlich auch den Menschen hier in Europa. Denn sie hilft dabei, Risiken frühzeitig zu erkennen und damit umzugehen – menschenrechtliche Risiken, aber auch etwa die unserer Versorgungssicherheit in Deutschland.

Mir ist bewusst, dass viele Unternehmen bei dem Lieferkettengesetz nicht nur an gute Arbeit, sondern vor allem an mehr Arbeit denken. Und ich verstehe, dass es für deutsche Unternehmen nicht leicht ist, eine Stakeholder-Konsultation in Brasilien oder Südafrika durchzuführen, so wie es das Gesetz fordert.

Als Entwicklungsministerium – gemeinsam mit dem Arbeitsministerium – stehen wir Ihnen unterstützend zur Seite.

Wir leisten Beratung beispielsweise dazu, wie Sie mit Ihren Zulieferbetrieben Risiken identifizieren oder Verträge gestalten können.

Wir fördern den Austausch zwischen Unternehmen und den Interessenvertretungen der Arbeiterinnen und Arbeiter entlang globaler Lieferketten.

Und wir bieten über die KfW-Bank auch Finanzierungen für Ihre Zulieferbetriebe an. Damit sie zum Beispiel in sichere Fabriken und nachhaltige Produktion investieren.

Wir setzen ganz klar auf einen Multi-Stakeholder-Ansatz: auf Allianzen zwischen Wirtschaft, der Zivilgesellschaft, Gewerkschaften und Regierungen. Und das am besten branchenweit.

Wie gut das funktioniert, zeigt sich beispielsweise in der Initiative Nachhaltige Agrarlieferketten, dem Textilbündnis oder im Branchendialog Automobil des Arbeitsministeriums.

All diese Initiativen zeichnet aus, dass sie einen breiten Dialog mit allen Beteiligten führen. Dass sie gemeinsam die Risiken in einem Sektor bewerten und danach entscheiden, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen – beispielsweise, wenn es um die Rechte von Frauen am Arbeitsplatz geht.

Dieser gemeinsame Ansatz ist deutlich wirksamer. Wenn etwa alle Einkäufer aus Deutschland oder künftig sogar aus ganz Europa bei Ihren Zulieferern höhere Löhne einfordern, erreicht das mehr als wenn es nur Einzelne tun.

Gerade für den Rohstoffsektor sind solche Multi-Stakeholder-Ansätze wichtig. Denn wie im Kongo bergen der Abbau und die Verarbeitung von Rohstoffen in vielen Ländern besondere Risiken. Zum Beispiel ist es oftmals schwierig, Rohstoff-Lieferketten bis zu ihren Anfängen in Afrika, Asien oder Lateinamerika nachzuverfolgen oder Umwelt- und Sozialstandards zu kontrollieren.

Die deutsche Entwicklungspolitik setzt sich deshalb dafür ein, Transparenz und gute Regierungsführung im Rohstoffsektor zu stärken. Nicht nur im Kongo, sondern zum Beispiel auch in Côte d’Ivoire und Sierra Leone unterstützen wir den Aufbau digitaler Systeme, um Rohstoffe zu zertifizieren. Damit können sie entlang der Lieferkette besser nachverfolgt werden. Wir stärken lokale Behörden in afrikanischen und lateinamerikanischen Ländern darin, Umwelt- und Sozialstandards zu kontrollieren.

Diese und weitere Erfahrungen wollen wir künftig auch auf europäischer Ebene verstärkt einbringen, beispielsweise in die European Partnership for Responsible Minerals. Ich freue mich, dass heute so viele engagierte Mitgliedsunternehmen anwesend sind.

Sie haben auf diesem Gebiet bereits viel Wissen gesammelt. Das gibt uns Gelegenheit, darüber zu reden, wie die Bundesregierung Unternehmen weiter unterstützen kann, ihren Sorgfaltspflichten nachzukommen. Ich bin gespannt auf Ihre Erfahrungen und Erwartungen.

Lassen Sie uns gemeinsam Lösungen finden, mit denen wir globale Lieferketten gerecht und nachhaltig aufstellen. Mit denen wir sie auch robuster machen. Lösungen, die für Unternehmen machbar sind und die für die Menschen entlang der Lieferkette wirksamen Schutz und gute Arbeit fördern. Lösungen, die auf langfristigen Partnerschaften, auf Respekt und Gegenseitigkeit beruhen. Davon profitieren auch deutsche Unternehmen. Und wir alle als Konsumentinnen und Bürger.