27. Oktober 2022 Hilfe, bevor der Schaden eintritt

Gastbeitrag von Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze auf „Climate.Table (Externer Link)

Die G7 haben mit den verwundbarsten Ländern einen Entwurf für einen „globalen Schutzschirm“ gegen Klimaschäden vereinbart. Es muss darum gehen, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen und die Menschen weltweit vor Armut durch Klimarisiken zu schützen.

In Bangladesch ist der Klimawandel längst Realität. Es wird jedes Jahr heißer, Dämme halten den zunehmenden Zyklonen und Überflutungen nicht mehr stand. Ganze Dörfer werden mitgerissen, die Reisfelder versalzen und bleiben unfruchtbar zurück. Straßen werden unbefahrbar, Schulen müssen schließen oder dienen als Schutzbunker. Immer mehr Menschen verlieren von heute auf morgen ihr gesamtes Hab und Gut, ihre Bleibe und Lebensgrundlage. Ohne Unterstützung stehen viele vor dem Nichts.

Bangladesch ist kein Einzelfall. Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen oder Dürren nehmen weltweit zu. Die Folgen des Klimawandels treffen gerade Entwicklungsländer besonders hart. Hier leiden ohnehin schon viele Menschen unter Armut, und Regierungen haben weniger Möglichkeiten, die Bevölkerung vor solchen Katastrophen und ihren Folgen zu schützen. Der sich beschleunigende Klimawandel macht wichtige Entwicklungsfortschritte zunichte und immer mehr Menschen droht Armut.

Höchste Zeit, Verantwortung zu übernehmen

Das ist umso bitterer, wenn man bedenkt, dass die meisten Entwicklungsländer nur einen Bruchteil zu den weltweiten Treibhausgasemissionen beigetragen haben. Der Großteil der Emissionen geht auf das Konto der Industriestaaten – und zunehmend auch auf das der großen Schwellenländer.

Es ist daher höchste Zeit, dass die Regierungen dieser Länder ihrer Verantwortung nachkommen, die Menschen in Entwicklungsländern vor den Folgen des Klimawandels zu schützen. Dazu gehört, dass sie den Klimaschutz noch schneller vorantreiben, um die Erderwärmung wie in Paris beschlossen möglichst auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken. Aber das Rad der Zeit lässt sich nun einmal nicht zurückdrehen – und schon jetzt führt die Klimakrise in vielen Ländern zu hohen Schäden. Daher müssen die Industrieländer und perspektivisch auch die großen Schwellenländer arme und besonders verwundbare Länder darin unterstützen, sich an den Klimawandel anzupassen.

Vulnerable Länder wirksam unterstützen

Klimabedingte Verluste (wie dürrebedingte Ernteeinbußen) und Schäden (etwa an Häusern und Straßen bei Stürmen) lassen sich nicht mehr komplett abwenden. Aber es gilt, sie nach besten Möglichkeiten zu begrenzen. Wenn wir die Widerstandsfähigkeit der betroffenen Menschen stärken, lässt sich viel Leid vermeiden. Ich bin überzeugt: Es liegt allemal in unserer Macht als internationale Gemeinschaft, arme und verwundbare Menschen und Länder besser vor Klimarisiken zu schützen und ihnen nach desaströsen Wetterereignissen schnell zu helfen und eine Perspektive zu geben!

Auf den internationalen Klimakonferenzen verhandelt das Entwicklungsministerium das Thema Verluste und Schäden federführend für die Bundesregierung. Bei der nächsten Konferenz in Ägypten wollen wir eine Einigung erzielen, wie die Unterstützung für arme und vulnerable Länder verstärkt und wirksam ausgestaltet werden kann. Wenig zielführend sind dabei langwierige und am Ende wenig aussichtsreiche völkerrechtliche Debatten. Wir wissen aus der Vergangenheit sehr genau, dass sich die Positionen der verschiedenen Länder dann sehr schnell zu einem unauflösbaren Knäuel verwickeln. Mir geht es deshalb darum, effektiv, umfassend und vorwärtsgerichtet zu handeln.

Mehr Geld für Verluste und Schäden

Ich sehe drei Ansatzpunkte, damit diese Aufgabe gelingt:

  • Internationale Partner müssen enger zusammenarbeiten.
  • Als internationale Gemeinschaft müssen wir mehr Geld für den Umgang mit klimabedingten Verlusten und Schäden mobilisieren.
  • Wir müssen innovative und passgenaue Lösungen für jedes Land finden – gerade für solche Länder, die besonders gefährdet und verwundbar sind.

Genau deshalb hat sich die Bundesregierung im Rahmen ihres G7-Vorsitzes für einen Globalen Schutzschirm gegen Klimarisiken stark gemacht. Das Konzept dafür haben die G7-Partner gemeinsam mit der Gruppe der Vulnerable Twenty (V20) entwickelt, einem Zusammenschluss der am stärksten vom Klimawandel betroffenen Staaten. Es wurde Mitte Oktober von G7 und V20 am Rande der Weltbankkonferenz in Washington beschlossen.

Schnelle Finanzhilfe im Notfall

Der Klimarisiko-Schutzschirm soll Menschen aus dem Globalen Süden dabei helfen, klimabedingte Katastrophen besser zu bewältigen und ihren Schaden zu begrenzen. Er unterstützt gefährdete Länder schon, bevor eine Krise überhaupt eintritt:

  • Sie erhalten Unterstützung dabei, ihre ganz speziellen Klimarisiken zu analysieren und Vorsorge- und Notfallpläne zu entwickeln.
  • Insbesondere werden Finanzierungssysteme ausgebaut, die schnell Mittel zur Verfügung stellen können. Dazu gehören Versicherungen und soziale Sicherungssysteme, aber auch Budgetreserven für wiederkehrende Katastrophen und Zuschüsse der Gebergemeinschaft und Darlehen von Entwicklungsbanken, die im Katastrophenfall ausgezahlt werden.

Wenn dann ein Schadensfall eintritt, steht das Geld schon bereit. Die Regierung kann schnell reagieren und die Betroffenen unterstützen. Im Fall einer Dürre kann sie beispielsweise Zuschüsse an Kleinbäuerinnen und Kleinbauern vergeben, damit diese Saatgut und Dünger für die nächste Aussaat kaufen können. So kommen sie und ihre Familien besser durch harte Zeiten.

Klimakosten werden begrenzt

Der Schutzschirm soll so verhindern, dass Menschen und Regierungen sich verschulden oder lange auf humanitäre Hilfe warten müssen. Dank ihm kann die Regierung nach einem Sturm oder einer Überschwemmung sofort mit dem Wiederaufbau beginnen und zum Beispiel Brücken, Straßen, Krankenhäuser und Schulen schnell wieder herstellen.

Dadurch dass der Schutzschirm schnelle Hilfe ermöglicht, werden die Auswirkungen von Klimakatastrophen weniger teuer. Je schneller die Betroffenen wieder auf die Beine kommen, desto eher kann verhindert werden, dass sie in die Armut abrutschen. Je schneller die öffentliche Versorgung wieder funktioniert, desto besser können Hungersnöte und Krankheitsausbrüche vermieden werden.

Der Klimarisiko-Schutzschirm soll gerade den verwundbarsten und ärmsten Ländern zugutekommen. Die V20 haben mehrere Pilotländer ausgewählt, sogenannte Pathfinder countries. Zu ihnen gehören Bangladesch, Ghana, Senegal, Costa Rica, die Philippinen und Fidschi. Weitere Länder sollen hinzukommen. Noch in diesem Jahr sollen die ersten Schutzpakete in diesen Ländern vorbereitet werden. Die Beteiligten bauen dabei auf bestehenden Instrumenten zum Umgang mit Klimarisiken auf, bündeln sie und entwickeln sie weiter.

Substanzieller Finanzierungsbeitrag aus Deutschland

Die Bundesregierung wird den Start des Globalen Schutzschirms gegen Klimarisiken weiter unterstützen, unter anderem mit einem substanziellen Finanzierungsbeitrag im zweistelligen Millionenbereich. So zeigt sich Deutschland solidarisch mit den Ländern und Menschen, die sich nicht allein gegen die Folgen des Klimawandels absichern können.

Bei der Weltklimakonferenz COP27 im November in Ägypten werden die G7 zusammen mit den V20 den Klimarisiken-Schutzschirm vorstellen und für weitere Unterstützung werben. Denn als internationale Gemeinschaft müssen wir gemeinsam Verantwortung übernehmen. Nur so können wir klimabedingte Verluste und Schäden begrenzen und möglichst viele Leben und Existenzen retten.