10. November 2023 Kinderrechte schützen, Perspektiven schaffen – eine globale Verantwortung
Es gilt das gesprochene Wort!
Liebe Kinder und Jugendliche,
Sehr geehrte Damen und Herren,
im Januar lernte ich in der Ukraine den Ort der Unbeugsamen kennen. Eigentlich handelt es sich um eine Schule, aber in der Aula dort standen keine Stühle mehr, sondern lange Reihen mit Feldbetten. Diese Schule in Odessa wird nicht nur von Kindern besucht, sie dient der ganzen Gemeinde als Wärmestube. Seit der russische Angriffskrieg wütet, fallen dort immer wieder Strom und Wasser aus. Und direkt unter der Aula befindet sich ein Schutzbunker.
Ich habe dort einen Luftalarm mitbekommen. Die Kinder schauten von ihren Malheften auf und gingen ganz ruhig und diszipliniert in den Schutzkeller. Dort erzählten sie mir, dass sie das nahezu täglich tun. Obwohl sie eigentlich lieber oben spielen und lernen würden.
Das hat mich sehr berührt. Natürlich kann ein Bunker Leben retten. Ein Ort, an dem Kinder sich sicher und wohlbehütet fühlen, ist es aber dennoch nicht.
Der Ort der Unbeugsamen hat mich aber auch im Positiven tief beeindruckt. Denn die Menschen erleben dort Zusammenhalt. Sie schöpfen Kraft und sind voller Optimismus, dass der Krieg beendet werden kann. Dass ihre Kinder bald wieder einen normalen Schulalltag erleben und sorgenfrei draußen spielen können.
Solche Orte der Unbeugsamkeit, voller Kraft und Optimismus, gibt es auch in anderen Gemeinden der Ukraine. Und es gibt sie sicher auch an vielen anderen Orten der Welt, wo Kindern ihre Kindheit geraubt wird, weil sie in Bunkern statt in Schulen sitzen.
Weltweit werden Rechte von Kindern und Jugendlichen verletzt. Tagtäglich.
Wir hier in Deutschland erfahren darüber vor allem aus den Medien.
Wir lesen vom 12-jährigen Ismael aus Bolivien, der wochenlang nicht zur Schule geht, weil er mit seinem Onkel im Regenwald Paranüsse sammeln muss. Und dabei täglich der Gefahr von Malaria, Schlangenbissen und Arbeitsunfällen mit der Machete ausgesetzt ist.
Wir hören vom 17-jährigen Kolja, der als einziger seiner Familie einen russischen Bombenangriff auf Mariupol überlebt. Der seine beiden Schwestern und seine Eltern in den Trümmern sucht.
Wir sehen das jesidische Mädchen Hanan, das auf ihrer Flucht aus dem Nordirak im Mittelmeer fast ertrinkt und so eine panische Angst vor Wasser entwickelt.
Solche Schicksale sind furchtbar, manchmal möchte man am liebsten wegschauen. Aber genau das ist keine Option. Wir alle müssen hinschauen, wenn wir etwas ändern wollen.
Journalistinnen und Journalisten wollen anderen die Augen öffnen. Das gehört zu ihrem Beruf, Sie berichten von den Krisen dieser Welt. Sie decken Unrecht auf und machen Zusammenhänge deutlich. Und sie geben Kindern eine Stimme, wo sie sonst so oft überhört und übersehen werden.
Liebe Nominierte, liebe Preisträgerinnen und Preisträger. Ihre Arbeit ist von großem Wert. Sie werfen Licht auf das Dunkel der Kinderrechtsverletzungen. Und was Ihre Arbeit in meinen Augen besonders auszeichnet: Sie stellen Kinder nicht nur als Opfer dar, als Schutzbefohlene, deren Rechte immer wieder verletzt werden.
Vielmehr porträtieren Sie Kinder und Jugendliche als das, was sie sind: als Menschen, die oft eine unglaubliche Widerstandskraft zeigen und trotz allem hoffnungsvoll in die Zukunft blicken.
Durch Sie wissen wir, dass Hanan, das jesidische Mädchen aus dem Irak, in ihrer neuen Heimat Wolfsburg Schwimmtrainerin wird. Um ihre traumatische Angst vor dem Wasser zu überwinden.
Oder dass Kolja nach seiner Flucht aus der Ukraine seine Freundin Vika zu sich holt. Dass die beiden eine Band gründen und gemeinsame Pläne für die Zukunft schmieden.
Dass Kinderrechte Wirklichkeit werden, dafür engagiert sich auch die deutsche Entwicklungspolitik.
Die Kindernothilfe ist hierbei ein wichtiger Partner des deutschen Entwicklungsministeriums. Bereits seit 1995 arbeiten wir vertrauensvoll zusammen, um Kinderrechte zu schützen.
Dabei wollen wir als Erwachsene in der Entwicklungspolitik nicht einfach nur entscheiden, was gut für Kinder ist. Es ist uns wichtig, Kindern den Raum für Mitbestimmung zu geben. Denn jeder Mensch sollte das Recht haben, in Angelegenheiten mitzureden, die ihn betreffen. Auch Kinder haben das Recht, an politischen und gesellschaftlichen Prozessen aktiv mitzuwirken.
Deshalb hat das Entwicklungsministerium vor zwei Jahren einen Jugendbeirat eingerichtet. Er besteht aus 16 jungen Menschen zwischen 16 und 24 Jahren, die uns zu Zukunftsfragen der deutschen Entwicklungspolitik beraten. Auch auf internationaler Bühne beteiligt sich der Jugendbeirat aktiv. So werden beispielsweise zwei Mitglieder am Globalen Flüchtlingsforum im Dezember in Genf teilnehmen und ihre Stimmen dort einbringen.
Dass junge Menschen die Möglichkeit haben, Wandel aktiv mitzugestalten, ist mir wichtig. Und deshalb freue ich mich, dass Kinder und Jugendliche auch heute so zahlreich vertreten sind. Ich bin schon gespannt, an wen der „Preis der Kinderjury“ in diesem Jahr verliehen wird.
Meine Damen und Herren, es ist unsere gemeinsame Verantwortung, Kindern ein sicheres und selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Dass sich so viele Bürgerinnen und Bürger, so viele Organisationen für Kinderrechte weltweit einsetzen, das ist auch Ihr Verdienst, liebe Journalistinnen und Journalisten. Und deshalb möchte ich Sie ermutigen, Ihr Engagement auch weiterhin aufrechtzuerhalten. Unbeugsam. Und voller Kraft und Optimismus.