26. September 2023 Partners in Transformation – neue Netzwerke für Wirtschaft und Entwicklung

Rede von Entwicklungsministerin Svenja Schulze anlässlich des Neustarts der Zusammenarbeit mit Wirtschaftsakteuren für die Umsetzung der sozial-ökologischen Transformation

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Damen und Herren,
Exzellenzen,

ich glaube ich erzähle Ihnen kein Geheimnis, wenn ich Ihnen sage, dass die Zusammenarbeit zwischen der Wirtschaft und der Entwicklungszusammenarbeit in der Vergangenheit nicht immer ganz reibungslos verlief.

Ich habe beispielsweise von Wirtschaftsvertreterinnen und Wirtschaftsvertretern gehört, unsere Ansätze wären alle viel zu kleinteilig, das wäre alles zu bürokratisch. Aus der Wissenschaft wurde mir zugetragen, dass sie Maßnahmen zu Deutschland-fokussiert sind, dass sie unstrategisch seien. Und Menschen aus der Zivilgesellschaft haben gesagt, dass wir trotz vieler Projekte zu einfach zu wenig erreichen. Und dass es uns scheinbar mehr um versteckte Außenwirtschaftsförderung ginge, als darum, das Leben von Menschen in unseren Partnerländern wirklich nachhaltig zu verbessern.

Diese ehrliche, diese harte Kritik war nötig, war absolut sinnvoll, um sich für die Zukunft besser aufzustellen. Und dafür sind wir heute hier, um echte „Partners in Transformation“ zu werden. Diese grundlegende Neuaufstellung unserer Zusammenarbeit ist wirklich wichtig. Sie adressiert Ihre teilweise durchaus berechtigten Kritikpunkte und sie bildet politische Realitäten ab. Denn die Wirtschaftsmodelle der Zukunft, die müssen Natur und Klima schonen, sie müssen faire Lieferketten haben und zu einer gerechteren Wohlstandsverteilung zwischen und in den Ländern führen. Durch diese Neuaufstellung soll unsere Zusammenarbeit sozialer, nachhaltiger und wirksamer werden.

Doch – jetzt stellen Sie sich sicherlich die Frage – was stell ich mir, was stellt sich das Entwicklungsministerium denn darunter vor? Und welche Rolle nehmen Sie als Wirtschaftsexpertinnen und -experten dabei ein?

Sozialer, das bedeutet für mich, dass mehr Menschen an der Planung und an der Durchführung von Projekten beteiligt werden und dass mehr Menschen davon profitieren. Und zwar die, die wirtschaftlich derzeit am meisten benachteiligt sind. Deshalb fußt die Neuausrichtung unserer Wirtschaftskooperation auf neuen Netzwerken mit mehr Teilnehmenden. Zu den bisherigen Unternehmen, Kammern und Verbänden kommen nun auch Wissenschaft, Zivilgesellschaft und vor allem die Gewerkschaften hinzu. Wir beziehen die Beschäftigten, liebe Yasmin Fahimi, ganz bewusst stärker ein. Denn nur wenn Beschäftigte beteiligt werden, können sozial gerechte Regelungen getroffen werden. Damit haben wir bereits angefangen. In deutschen Gewerkschaften gibt es zukünftig Business Scouts for Development, die sich mit Gewerkschaften in unseren Partnerländern vernetzen und dort gemeinsam Projekte zu fairen Lieferketten aufbauen.

Außerdem lege ich einen starken Fokus auf Frauen in der Wirtschaft. Ob Unternehmerinnen, Beschäftigte oder Konsumentinnen: Frauen verdienen auch wirtschaftlich die gleichen Rechte, Ressourcen, die gleiche Repräsentanz. Nur so können sie ihr eigenes Leben gestalten und ihre Gesellschaft voranbringen. Eine besondere Bedeutung nehmen hier die Gründerinnen ein, denn sie schaffen neue Arbeitsplätze. Durch konkrete Start-up-Förderung unterstützen wir sie bei der Umsetzung ihrer Geschäftsideen. So möchte ich das „sozial“ in der sozial-ökologischen Transformation adressieren. Wie sieht`s mit dem „ökologisch“ aus?

Um unsere gemeinsamen Wirtschaftskooperationen auch ökologischer zu gestalten, müssen wir die Fehler der industriellen Vergangenheit, die wir gemacht haben, vermeiden und beispielsweise auf nachhaltige Energiequellen wie Sonne, wie Wind und wie Wasser setzen. Und dafür brauchen wir eine enge und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten. Denn ohne den Privatsektor können wir die sozial-ökologische Transformation nicht schaffen.

Das Entwicklungsministerium wird daher besser und frühzeitiger darüber informieren, was wir vorhaben und was wir in das Zentrum der Zusammenarbeit mit einzelnen Partnerländern stellen wollen. Und natürlich auch, was Sie als Vertreterinnen und Vertreter der Privatwirtschaft dazu beitragen können.

Um nachhaltige Wirtschaftsförderung in unseren Partnerländern zu unterstützen, achten wir vor allen Dingen auf drei Aspekte. Erstens sollen die Vorhaben zur Dekarbonisierung der Wirtschaft beitragen. Zweitens sollen die Projekte die die Umwelt- und die Sozialstandards des Unternehmens verbessern. Und drittens braucht es eine gute Umsetzung in den Zielländern. Über die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit stellen wir die Bedarfe unserer Partnerländer in den Mittelpunkt und verbessern jetzt die Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit. Nur so können wir Eigenverantwortung und die dringend benötigten strukturellen Veränderungen erreichen. Also konkret Regulierungsreformen begleiten, ökologische Standards setzen und bessere Arbeitsbedingungen schaffen.

Wir können die Zusammenarbeit also sozialer und nachhaltiger gestalten. Aber wie können wir auch gleichzeitig deren Wirksamkeit erhöhen?

Ich bin davon überzeugt, wir müssen Parallelstrukturen abbauen und einen One-Stop-Shop aufbauen. Und damit meine ich: alles aus einer Hand, alles unter einer Marke und mit einer zentralen Anlaufstelle: der Agentur für Wirtschaft und Entwicklung – kurz AWE. Die bauen wir entsprechend um. Und damit sparen Sie sich Zeit, Nerven aber auch bares Geld, denn unnötige Bürokratie wird abgebaut. Die AWE wird Unternehmen sowie andere interessierte Akteurinnen und Akteure zukünftig beraten, mit Stakeholdern in den Partnerländern vernetzen und Projektideen eben bis zur Umsetzung begleiten. Eines ist klar: nur mit dem innovativen Potenzial, den weitreichenden Netzwerken und den finanziellen Ressourcen des Privatsektors kann der Wandel wirklich erfolgreich sein.

Außerdem müssen wir als Ministerium verstehen, was funktioniert und was eben nicht, um weniger wirksame Ansätze zu verbessern und funktionierende Ansätze dann eben weiter auszuweiten. Um das zu erreichen, wird das Entwicklungsministerium ein Monitoring-, ein Evaluierungssystem einführen, mit dem alle Projekte begleitet werden. Ich habe mich ein bisschen gewundert, dass es das bisher noch nicht gab, aber das muss natürlich sein. Wir wollen bessere Wirkungsindikatoren. Wir wollen, dass man den echten Impact auch wirklich wahrnimmt und nicht nur den quantitativen Output misst.

Und apropos Impact: Ob wir als „Partners in Transformation“ erfolgreich sind oder nicht, das hängt ganz wesentlich von Ihrem Engagement, Ihrem Input und Ihrem Feedback ab. Deshalb ist es auch so wichtig, dass wir mehr Akteurinnen und Akteure in unsere gemeinsame Wirtschaftskooperation integrieren. Ich denke, wenn wir einander gut zuhören und versuchen, die Perspektive unseres Gegenübers zu verstehen, dann können wir gemeinsam Wirtschaftssysteme weltweit gerechter machen, dann können wir sie weltweit erfolgreicher machen.

Zu diesem Austausch werden wir auch nächstes Jahr eine gute Gelegenheit haben, denn das Entwicklungsministerium wird im Juni die Hamburg Sustainability Conference als neue globale Dialogplattform ins Leben rufen. Sie soll einen partnerschaftlichen Austausch zwischen Vertreterinnen und Vertretern aus dem globalen Süden und dem globalen Norden ermöglichen. Denn nur durch wegweisende neue internationale Allianzen kann die Weltgemeinschaft es schaffen, die Agenda 2030 wieder auf Kurs zu bringen. Die Aufholjagd für die Nachhaltigkeitsziele ist dringend, dringend notwendig. Und dazu gehört auch, Wirtschaft neu zu denken, neu zu gestalten. Und ich freu mich, dass wir das heute hier zusammen beginnen können. Herzlichen Dank.