5. September 2023 Rede von Bundesministerin Svenja Schulze vor dem Deutschen Bundestag zum Entwurf des BMZ-Haushalts
Es gilt das gesprochene Wort!
Eine druckbare Version der Rede (PDF 79 KB, barrierefrei) finden Sie hier (Externer Link).
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Beim Etat für unsere Entwicklungspolitik geht es ganz konkret um Mittel für Frieden und Sicherheit, zum Beispiel in der Sahelregion, die in den letzten Wochen ja stark in den öffentlichen Fokus gerückt ist. Die Zusammenarbeit mit Ländern wie Mauretanien oder Mali macht sichtbar, was eine wirkungsvolle Entwicklungspolitik können muss, und sie macht deutlich, warum Deutschland in Entwicklungspolitik investiert.
Besonders gut kann man das in Mauretanien sehen. Dem Land gelingt in den letzten Tagen vieles, was an anderen Orten auf der Welt nicht klappt. Flüchtlinge werden dort registriert, sie erhalten Zugang zu Gesundheitsversorgung und Bildung.
Dies führt insgesamt zu mehr gesellschaftlicher Akzeptanz. Mauretaniens Umgang mit Migration ist wirklich bemerkenswert, auch weil das Land mit seinen 4,6 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern mehr als 100.000 Flüchtlinge aufgenommen hat und sie auch noch mit sozialen Basisleistungen versorgt. Das trägt zu sozialer Gerechtigkeit, das trägt zu gesellschaftlichem Frieden bei und macht es dem Terrorismus schwerer, Fuß zu fassen.
Unsere Entwicklungspolitik unterstützt Länder wie Mauretanien dabei, diese Ansätze weiterzuverfolgen. Und unsere Entwicklungspolitik unterstützt Menschen in Ländern der Sahelregion, in denen die Zusammenarbeit mit der Regierung kaum noch möglich ist. Die Bevölkerung braucht diese Unterstützung, sie ist ganz massiv von Klimawandel, von Konflikten, von Armut betroffen. Es ist eine sehr verheerende Kombination, die wir in dieser Region sehen: Zunehmende Dürren lassen Ernten verkümmern, sie befeuern die Konflikte um Ressourcen wie Wasser. Hunger und Armut nehmen zu und schaffen einen Nährboden für extremistische Gruppen, und diese Extremisten bieten dann oft die einzige Einkommensmöglichkeit in der Region. Das alles gefährdet die Sicherheit der Bevölkerung, es gefährdet die Möglichkeit, das Leben selbstbestimmt zu gestalten, und es gefährdet die Stabilität einer ganzen Region, es wirkt destabilisierend.
Doch wie kann eigentlich Entwicklungspolitik noch wirken in solchen Situationen, in denen sich die Krisen ja häufen?
Erstens durch Flexibilität. Kein Land ist wie das andere. Die deutsche Entwicklungspolitik passt sich mit ihren Instrumenten an die unterschiedlichen und oft dynamischen Situationen an, sie richtet sich an den konkreten Bedarfen der Partnerinnen und Partnern aus. In Mauretanien beispielsweise unterstützt mein Ministerium gute Arbeit in der Fischerei.
In Mali stärken wir über das Welternährungsprogramm die Grundversorgung der Menschen, zum Beispiel durch Mittagessen in ländlichen Schulen. Damit wird der Hunger gelindert, wird Bildung gestärkt. Damit unterstützen wir ein realistisches Gegenangebot zum Terrorismus. So leistet Entwicklungspolitik einen Beitrag zur Stabilität.
Dort, wo es gemeinsame Grundlagen gibt, da arbeitet Deutschland natürlich mit den Regierungen zusammen. Aber dort, wo die Grundlagen fehlen, da wird die staatliche Entwicklungszusammenarbeit auf lokale, auf regionale Akteure umgesteuert, regierungsfern und bevölkerungsnah. So kann zum Beispiel die Zusammenarbeit mit einer Regierung gestoppt werden, ohne dass wir die Menschen in der Region im Stich lassen. Das sehen wir in Mali, das sehen wir in Burkina Faso: Da haben sich Militärregierungen an die Macht geputscht, und wir sind trotzdem noch in der Lage, den Menschen dort zu helfen.
Damit bin ich beim zweiten Punkt: Entwicklungspolitik wirkt durch Allianzen. Wer sich nämlich zusammentut, wer sich abspricht, wer gemeinsame Ziele verfolgt, der erreicht mehr, so wie wir das in der Sahel-Allianz tun, dem größten Unterstützerbündnis für die Sahelregion. Ich bin im Juli zur Präsidentin dieser Allianz gewählt worden. In dieser Funktion bringe ich die verschiedenen Positionen der 18 Mitgliedsstaaten und -organisationen politisch zusammen, auch in der aktuellen Krisenlage infolge des Militärputsches in Niger. Außerdem kann die Sahel-Allianz größere Wirkung erzielen, wenn sie die entwicklungspolitischen Programme ihrer Mitglieder koordiniert und bündelt und so Entwicklung wirksam macht.
Ein weiteres Beispiel sind die Zusammenschlüsse mehrerer internationaler Akteure, etwa wenn das Welternährungsprogramm und UNICEF gemeinsam Gemeinden in Mali mit Grundnahrungsmitteln und sauberem Trinkwasser versorgen. Sie ergänzen die staatliche Entwicklungszusammenarbeit und sind auch dort aktiv, wo wir nicht mehr direkt mit Regierungen zusammenarbeiten können. Damit ist ihre Arbeit auch eine wesentliche Säule der deutschen Entwicklungspolitik.
Und schließlich drittens: Entwicklungspolitik wirkt durch Langfristigkeit. Es geht darum, bestehende Strukturen nachhaltig zu verändern, damit Krisen vorgebeugt wird, damit Wandel gelingen kann. Ein Beispiel dafür sind die Programme, die auf soziale Sicherheit abzielen. Die Covid-Pandemie hat sehr deutlich gezeigt: Wo ein soziales Netz gespannt ist, kommen Gesellschaften besser durch Krisen. Wenn Menschen sozial abgesichert sind, etwa gegen Krankheit oder Armut, stärkt das Gesellschaften wirtschaftlich und auch politisch. Deswegen unterstützen wir vielfältige Projekte zur sozialen Sicherheit, auch in den Sahelländern. Dabei geht es vor allen Dingen darum, Angebote so auszubauen, dass sie in Krisenfällen wie zum Beispiel einem dürrebedingten Ernteausfall schnell angepasst werden können, damit diejenigen, die gerade dann finanzielle Hilfe benötigen, sie auch sehr schnell bekommen. Diese gemeinschaftliche Absicherung im Notfall schafft wirklich Sicherheit. Und sie trägt auch zu einer besseren wirtschaftlichen Teilhabe bei, insbesondere der Frauen in der Region. So stärkt Entwicklungspolitik auch Geschlechtergerechtigkeit.
Kurz gesagt: Entwicklungspolitik baut Ungleichheiten ab, sie beugt Krisen vor. Damit fördert sie Frieden und Sicherheit weltweit und damit auch für uns in Deutschland. Deswegen sind die Kürzungen im entwicklungspolitischen Haushalt für 2024 schmerzhaft. Besonders problematisch sind die drastischen Kürzungen des Budgets in den darauffolgenden Jahren. Sie schränken Deutschlands Handlungsspielraum deutlich ein. Frieden braucht Entwicklung, und das werden wir auch in Zukunft sicherstellen müssen. Deshalb werde ich alles tun, die Mittel der Entwicklungspolitik so effizient und so strategisch wie möglich einzusetzen, sie mit politischen Initiativen zu flankieren, mit Partnern noch stärker zusammenzuarbeiten, so wie ich Ihnen das eben am Beispiel der Entwicklungspolitik im Sahel dargestellt habe.
Hier geht es um den Etat, den Deutschland für Frieden und Sicherheit einsetzt. Es geht darum, dass wir genügend Mittel für eine wirkungsvolle Entwicklungspolitik brauchen, weil Frieden und Sicherheit in unser aller Interesse sind. Deswegen setze ich auch weiterhin auf Ihre Unterstützung.
Vielen Dank.