27. März 2023 Rede der Bundesministerin Svenja Schulze auf der Auftaktveranstaltung zum Start der Plattform Wiederaufbau Ukraine

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Botschafter,
sehr geehrter Herr Staatssekretär Philipp,
sehr geehrter Herr Staatssekretär Bösinger,
liebe Abgeordnete des Deutschen Bundestages,
sehr geehrte Damen und Herren,

im Januar habe ich gemeinsam mit dem ukrainischen Vize-Premierminister Oleksandr Kubrakov ein Umspannwerk in der Ukraine besucht. Diese Anlage war ein paar Wochen zuvor von russischen Raketen getroffen, von Russland beschossen worden. Wir konnten genau sehen, wo sie eingeschlagen sind. Einer der Krater war fast zehn Meter tief – ein wirklich erschütternder Anblick wie so zentrale Infrastruktur beschossen wird. Die Folge des Bombenangriffs war ein Stromausfall in der ganzen Region Odessa. Und das im tiefsten Winter, bei minus 10 Grad.

Diese Zerstörung ist kein Einzelfall, das findet überall im ganzen Land statt. Seit letztem Oktober, seitdem Russland damit begonnen hat, systematisch zivile Infrastruktur zu beschießen. In Starokozache hatte im Januar jeder dritte Haushalt keinen Strom, und damit keine Heizung, kein fließendes Wasser, kein Licht, keine ausreichende Versorgung mit Benzin, mit Alltagsgütern. Und das ist nur ein kleiner Teil des unerträglichen Leids, das die Ukrainerinnen und Ukrainer seit über einem Jahr erleben müssen. Ein Leid, für das es kaum Worte gibt.

Mir wurde da vor Ort wieder bewusst, wie stark die ukrainische Bevölkerung ist. Denn die Menschen dort haben schon ein paar Wochen nach dem Angriff damit begonnen, das Umspannwerk zu reparieren. Obwohl es extrem schwierig ist: Es fehlen Ersatzteile – und die Angst vor weiteren Raketenangriffen sitzt tief. Es ist wirklich beindruckend, wie beharrlich, mutig und kraftvoll die Ukrainerinnen und Ukrainer jeden Tag anpacken.

Meine Damen und Herren,

uns allen ist bewusst, dass dieser Wiederaufbau wirklich eine Mammutaufgabe ist. Und dass er gut koordiniert sein muss, sowohl international, als auch hier in Deutschland.

Im Rahmen der deutschen G7-Präsidentschaft ist es gelungen, dass die internationalen Geberinnen und Geber bereits sehr gut zusammenarbeiten. Die EU, internationale Finanzinstitutionen, multilaterale Organisationen und führende Industriestaaten tauschen sich aus und stimmen ihr Engagement eng mit der Ukraine ab. Entsprechend der Prinzipien, die wir auf der Lugano-Konferenz im Juli letzten Jahres beschlossen haben, soll der Wiederaufbau der Ukraine sozial, wirtschaftlich und ökologisch nachhaltig sein. Build back better ist das gemeinsame Motto.

Wir sind heute hier, weil wir die ukrainische Bevölkerung beim Wiederaufbau bestmöglich unterstützen wollen.

Und das Engagement dafür ist bereits immens. Kommunen, Unternehmen, Vereine, Kliniken und viele weitere nichtstaatliche Akteure wirken schon jetzt ganz aktiv am Wiederaufbau mit. Die Bundesregierung fördert dabei gesellschaftliche Partnerschaften, zum Beispiel zwischen Kommunen oder Kliniken in Deutschland und in der Ukraine. Denn diese Allianzen sind wichtig und adressieren ganz elementare Bedürfnisse vor Ort.

So ermöglichen zum Beispiel Klinikpartnerschaften psychologische Erste Hilfe für traumatisierte Ukrainerinnen und Ukrainer, oder sie bringen Medikamente und medizinische Geräte aus Deutschland ins Land. Und wir als Bundesregierung greifen zusätzlich finanziell unter die Arme, wenn deutsche Kommunen größere Geräte für ihre Partner beschaffen wollen. Zum Beispiel Löschfahrzeuge aus Leipzig oder Generatoren aus Freiburg.

Seit Beginn dieses Krieges gibt es immer mehr dieser Partnerschaften – 150 sind es inzwischen. Das Bundesentwicklungsministerium unterstützt diese Arbeit dieses Jahr mit weiteren rund 25 Millionen Euro.

Auch das zivilgesellschaftliche Engagement der Menschen in Deutschland ist beeindruckend. In den ersten vier Monaten nach Kriegsbeginn haben sie über 800 Millionen Euro zugunsten der Ukraine gespendet. Das ist einmalig in der deutschen Nachkriegsgeschichte.

Viele der Organisationen, die heute hier vertreten sind, haben mit diesen Geldern Hilfsgüter mobilisiert. Der zivile Friedensdienst ist vor Ort und leistet trauma-psychologische Unterstützung. Die Kirchen arbeiten in der Ukraine mit ihren Partnern. Die politischen Stiftungen sind in der Ukraine aktiv. Und auch die wachsende ukrainische Diaspora in Deutschland vernetzt sich und ist engagiert. Sie alle sind wichtige Partnerinnen und Partner.

Um dieses nichtstaatliche Engagement noch gezielter zu stärken, rufen wir als Bundesregierung heute die Plattform Wiederaufbau Ukraine ins Leben. Sie setzt den Fokus auf drei Dinge:

Erstens bietet die Plattform Möglichkeiten zur Vernetzung an. Sie bringt Akteure zusammen, die sonst keine Berührungspunkte hätten, deren Zusammenarbeit aber innovative Lösungen hervorbringen kann.

Zweitens fördert die Plattform den Fachaustausch zum Wiederaufbau. Hier ist alles denkbar von Fachkonferenzen, Workshops in Präsenz bis hin zu kurzen Webinaren. Und natürlich können und sollen dabei die ukrainischen Partnerinnen und Partner mitmachen.

Und drittens wird die Plattform als Website (Externer Link) Informationen bündeln und dort Erkenntnisse aus den Fachgesprächen aufbereitet zur Verfügung stellen.

Meine Damen und Herren,

die Plattform soll es uns ermöglichen, schnell und effizient miteinander zu kommunizieren. Nur wenn wir es schaffen, alle Akteure gleichermaßen mit einzubinden, schaffen wir es auch, die Menschen in der Ukraine beim Wiederaufbau ihres geschundenen Landes effektiv zu unterstützen.

Dieses Engagement trägt bereits erste Früchte: Mitte April wird Help e.V. einen ersten Stakeholder-Workshop organisieren. Und mit der Auftaktveranstaltung heute rufen wir Sie auf: Bringen auch Sie sich ein, wirken Sie mit, lassen Sie uns gemeinsam zum Wiederaufbau in der Ukraine zusammen arbeiten.

Denn wir in Deutschland stehen den Ukrainerinnen und Ukrainern auch auf lange Sicht solidarisch und fest zur Seite. Denn – und hier zitiere ich den Bundespräsidenten – „Deutschland ist nicht im Krieg, aber dieser Krieg geht uns an“.

Herzlichen Dank.