1. März 2023 Wie kann eine nachhaltige wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Afrika aussehen?

Rede von Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze beim Jahresempfang des Bundesverbands Mitteständische Wirtschaft (BVMW)

Es gilt das gesprochene Wort!


Verehrte Damen und Herren,
Exzellenzen,

ich war letzte Woche mit meinem Kabinettskollegen Hubertus Heil in Westafrika. In Ghana und in Côte d’Ivoire. Drei Fragen haben mich auf dieser Reise begleitet, die ich Ihnen für die weitere Diskussion mitgeben möchte.

Erstens: Wie wollen wir als europäischer Staat in Zukunft mit den Ländern Afrikas zusammenarbeiten?

Afrika und Europa stehen vor großen Herausforderungen:

Beide Kontinente müssen ihre Gesellschaften im Zeichen der Klimakrise nachhaltiger machen und dabei auch soziale Fragen beantworten. Beide befinden sich im demografischen Wandel: Europas Bevölkerung altert, Afrika ist jung und wächst dynamisch. Und beide können in einer vernetzten Welt nur durch Allianzen gestaltungsfähig bleiben.

In der neuen Weltordnung mit vielen Machtzentren brauchen Deutschland und Europa belastbare Partnerschaften. Unser Nachbarkontinent wird dabei immer mehr zu einem globalen Gravitationszentrum – so hat es Bundeskanzler Olaf Scholz kürzlich betont. Afrika hat heute 1,4 Milliarden Einwohnerinnen und Einwohner, bis Mitte des Jahrhunderts könnten es zweieinhalb Milliarden sein – das ist ein Viertel der Weltbevölkerung. Dort werden die wesentlichen Fragen unserer Zeit mitentschieden, etwa wenn es darum geht, Gesellschaften ökologischer und sozialer zu machen. Nur mit Afrika sind die großen Herausforderungen unserer Zeit zu lösen. Nur zusammen mit Afrika kann Europa, kann Deutschland Gestaltungsmacht haben.

Dabei gilt: Wie wir heute mit dem afrikanischen Kontinent umgehen, entscheidet mit darüber, wie dieser Kontinent morgen mit uns umgeht. Darum ist die Haltung von Respekt und Gegenseitigkeit nicht nur moralisch richtig, sondern sie ist in unserem eigenen Interesse. Und dafür brauchen wir einen Paradigmenwechsel in der Zusammenarbeit mit Afrika.

In der Afrikastrategie meines Ministeriums, die ich im Januar vorgestellt habe, wird das deutlich: Es geht darum, gemeinsam mit Afrika globale Politik zu gestalten und strukturelle Veränderungen voranzubringen. Und dafür braucht es auch langfristige und verlässliche Investitionen in Afrika. Hier ist noch viel Luft nach oben: Nur ein Prozent der deutschen Auslandsinvestitionen geht auf den afrikanischen Kontinent.

Zweitens: Wie kann dabei die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Afrika aussehen?

Viele afrikanische Märkte strotzen vor Dynamik: Eine junge Bevölkerung, die wachsende Anzahl von Arbeits- und Fachkräften und die Einbindung in globale Wertschöpfungsketten bieten interessante Möglichkeiten für Unternehmen.

Die Entwicklungspolitik hat zum Ziel, gemeinsam mit unseren afrikanischen Partnern die Rahmenbedingungen für eine wirtschaftliche Zusammenarbeit zu schaffen, von der alle Beteiligten profitieren. Dazu gehört, die Widerstandskraft der Gesellschaften zu stärken, für ein verlässliches Geschäftsklima zu sorgen, Investitionshemmnisse zu beseitigen und Infrastruktur zu verbessern.

Und dazu gehört auch eine gute Migrationspolitik. Sie birgt enormes Potenzial für die wirtschaftliche Entwicklung in unseren Partnerländern und – mit Blick auf den Fach- und Arbeitskräftemangel – auch eine Chance für uns hier in Deutschland. Das Entwicklungsministerium unterstützt deshalb unsere Partnerländer dabei, Fachkräfte aktiv in Drittstaaten, zum Beispiel nach Deutschland, zu vermitteln und zugleich vor Talentabwanderung – Stichwort Brain Drain – zu schützen.

Mit mehreren Partnerländern richten wir gerade „Zentren für Migration und Entwicklung“ ein. Dort beraten wir die Menschen zu legalen Migrationswegen und Qualifizierungsangeboten. Mit den entsprechenden Qualifikationen erhöhen die Menschen ihre Chancen am Arbeitsmarkt vor Ort beziehungsweise in den direkten Nachbarländern, was auch dort ansässigen deutschen Unternehmen zu Gute kommt. Und es macht sie als Fachkräfte für eine mögliche Beschäftigung in Deutschland attraktiv.

Auf der Reise letzte Woche habe ich zusammen mit Arbeitsminister Hubertus Heil das Zentrum für Migration und Entwicklung in Ghana vorgestellt. Die Regierungsvertreter haben betont, dass wir alle zusammen etwas davon haben. Sie haben unsere Arbeit im Bereich der beruflichen Bildung gelobt und um mehr Engagement von deutschen Unternehmen in Ghana geworben.

Zusätzlich zum strukturpolitischen Engagement fördert das Entwicklungsministerium die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Afrika auch mit Investitions-Fonds, Public-Private-Partnership-Projekten und Beratungsangeboten, die sich an deutsche Unternehmen richten.

Zum Beispiel haben wir gemeinsam mit dem BVMW im Rahmen der Sonderinitiative „Gute Beschäftigung für sozial gerechten Wandel“ die Task Force Senegal gegründet, die deutsche Unternehmen beim Markteintritt in Senegal unterstützt. Sie schaffen so gute Arbeitsplätze in unseren Partnerländern und verbessern die Arbeitsbedingungen.

Und damit komme ich zur dritten, und wie ich finde zentralen Frage:
Wie schaffen wir es, dass die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Afrika wirklich nachhaltig ist? Sowohl mit Erfolgsaussichten für die deutschen Unternehmen, als auch mit langfristigem Potenzial für die afrikanischen Staaten.

Wirtschaftliches Engagement in Afrika ist nicht per se nachhaltig. Es führt nicht automatisch zur Erreichung der 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, wenn Unternehmen in Afrika investieren. Daher ist es für mich entscheidend, dass Entwicklungspolitik und Wirtschaftsengagement ineinandergreifen. Und dass das Entwicklungsministerium weitere Wege aufzeigt, wie Investitionen nicht nur profitabel für die Unternehmen selbst sind. Sondern eben auch für die Länder profitabel sind, in denen die Unternehmen investieren. Und zwar langfristig.

Ein zentrales entwicklungspolitisches Ziel in diesem Zusammenhang ist die sozial-ökologische Transformation, die sogenannte Just Transition.

Die Länder Afrikas haben dabei eine historische Chance: Afrika kann die erste Weltregion werden, die eine Just Transition schafft: also wirtschaftlichen Wohlstand und ökologische Nachhaltigkeit mit sozialer Gerechtigkeit verbindet und dabei gute Arbeitsplätze schafft. Deutsche Unternehmen können an dieser Stelle in Afrika für langfristig gute Beschäftigung sorgen und somit die Just Transition an vorderster Stelle mitgestalten. Das ist langfristig und nachhaltig.

Das Entwicklungsministerium unterstützt diesen Prozess der Just Transition auf vielen Ebenen. Ein Beispiel dafür sind die Just Energy Transition Partnerships, die sogenannten JETP, zum Beispiel mit Südafrika oder Indonesien. Wir unterstützen Länder dabei, aus der Kohle auszusteigen und erneuerbare Energien auszubauen und dabei sozial gerechte Strukturen aufzubauen und alle Beteiligten einzubeziehen. Wir wollen, dass Arbeitsplätze in Zukunftsindustrien geschaffen werden. Und wir wollen, dass die Länder schrittweise unabhängiger von fossilen Energiequellen werden. Das ist klimaschützend und sozial gerecht. Das ist echte Nachhaltigkeit.

Sehr geehrte Damen und Herren,

die nigerianische Politikerin Oby Ezekwesili hat es einmal treffend gesagt: „Die Welt braucht Afrika und Afrika braucht die Welt.“ Das gilt insbesondere für die wirtschaftliche Zusammenarbeit.

Es ist an der Entwicklungspolitik, gemeinsam mit unseren afrikanischen Partnerinnen und Partnern die notwendigen Strukturen für unternehmerische Vorhaben zu schaffen. Und es ist an Ihnen, den Unternehmen und Konzernen, mit Ihren Investitionen und Ihrem Know-how Partnerschaften zu schließen, die sich für alle lohnen.