30. November Global Gateway – ein Jahr im Einsatz: Wie kann man mit dem Privatsektor zusammenarbeiten?

Rede von Bundesministerin Svenja Schulze im Rahmen der GIZ-Reihe: „Gespräche zur Internationalen Zusammenarbeit“

Es gilt das gesprochene Wort!

Lieber Thorsten,
sehr geehrte Damen und Herren,

wenn ein Mädchen in Tansania abends keine Hausaufgaben machen kann, weil der Strom für Licht fehlt, dann ist das ungerecht. Wenn Menschen in Ghana stundenlang zum Brunnen laufen müssen, weil es keine Wasserversorgung in ihrem Ort gibt, dann ist das ungerecht. Wenn kranke Menschen in Nigeria an Covid sterben, weil es nicht genügend Pflegepersonal gibt, dann ist das nicht nur ungerecht, sondern unerträglich.

Gerechtigkeit bedeutet für mich, dass Menschen im globalen Süden in sicheren Schulgebäuden lernen und in modernen Krankenhäusern versorgt werden können. Gerechtigkeit bedeutet auch, dass sie Zugang zu klimaneutralem Strom und Breitbandinternet haben. Diese Art der Modernisierung verbessert die Zukunft von Menschen weltweit.

Aber wer Modernisierung vorantreiben will, kann nicht nur neue Straßen, Häuser und Pipelines bauen. Auch wenn die „Hardware“ in Form von Stahl, Beton und Maschinen wichtig ist, braucht Modernisierung mehr. Sie braucht auch „Software“, also Ideen, Ziele und Werte.

Unser europäisches Angebot hin zu mehr Modernisierung und Digitalisierung heißt Global Gateway. Und es umfasst Hardware und Software.

Global Gateway ist ein von der EU gemeinsam geplantes Programm, durch das in den nächsten fünf Jahren 300 Milliarden Euro in nachhaltige Infrastruktur investieren soll. Mit Global Gateway bieten wir als Europäer*innen unseren Partnerländern Investitionen in Infrastruktur an, welche sie gemeinsam mit uns, entsprechend ihren Bedürfnissen, gestalten können.

Insbesondere fünf Bereiche sollen durch Global-Gateway-Investitionen ausgebaut und vernetzt werden: Digitalisierung, Klimaschutz, Gesundheit, Bildung und Transport. Allerdings macht die EU das nicht alleine. Wir arbeiten dazu eng mit der Privatwirtschaft in den Partnerländern, den Entwicklungsbanken, der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft in den Partnerländern zusammen. Aber was genau bauen wir auf? Lassen Sie uns dazu einen Blick in die Praxis werfen, wie diese Themenbereiche in konkreten Projekten umgesetzt werden:

In Ruanda und Senegal zum Beispiel beim Thema Gesundheit. Dort wurden in diesem Jahr zwei Produktionsstandorte für mRNA-Impfstoffe aufgebaut. Ab 2023 soll die kommerzielle Produktion starten. Die Initiative für Impfstoffproduktion wird die EU mit mehr als einer Milliarde Euro unterstützen. Ziel ist es, dass Afrika 60 Prozent aller auf dem Kontinent verwendeten Impfstoffe bis 2040 selbst produzieren kann.

Wie gut die Zusammenarbeit in einem „Team Europe“-Ansatz mit der Privatwirtschaft im Bereich von Klima und Energie funktionieren kann, zeigt das Global Energy Transformation Programme. Das Programm bietet verschiedene Instrumente zur Förderung bankfähiger Projekte im Bereich klimafreundlicher Energie. Gemeinsam mit mehreren EU-Mitgliedsstaaten unterstützen wir so die Energiewende in Afrika.

Wie Sie an diesen Beispielen sehen, wird Global Gateway viel mehr sein als nur „Hardware“. Es beinhaltet Ziele und Werte, die ich persönlich für universell halte. Denn Global Gateway steht für Demokratie und Menschenrechte. Global Gateway steht für Energiewende und Klimaschutz. Global Gateway steht für eine internationale Vernetzung mit unseren Partnerländern, um gemeinsame Lösungen zu finden, die mehr soziale Gerechtigkeit schaffen.

Dabei ist das Spektrum der Anwendungsmöglichkeiten für Global Gateway riesig. Gleichzeitig müssen wir mit unseren Partnerländern und Projektpartner*innen drei wesentliche Herausforderungen gemeinsam meistern:

  • Erstens können Infrastrukturprojekte im Widerspruch zu Klimaschutz stehen. Daher sollte Global Gateway nur Projekte fördern, die uns dem Klimaziel von 1,5 Grad näher bringen. Dazu müssen alle Beteiligten offen und ehrlich miteinander darüber reden, was wir wo warum erreichen wollen und wie das umsetzbar ist. Vorgestern, im Rahmen des europäischen Rates für Entwicklung in Brüssel, haben die EU-Mitgliedsstaaten betont, wie dringlich es ist, konkrete „Flagship-Projekte“ zu Global-Gateway-Investitionen in Afrika umzusetzen. Diese Investitionen wollen wir sichtbarer machen.
  • Zweitens funktioniert Klimaschutz aber nur, wenn er sozial gerecht passiert – als Just Transition. Menschen, die beispielsweise ihre Jobs in fossilen Industrien verlieren, müssen Unterstützung und neue Perspektiven erhalten. Denn nur so kann dieser dringende Umbau zur Klimaneutralität schnell umgesetzt werden, ohne den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu gefährden. Entsprechend Projekte sollten von Global Gateway prioritär gefördert werden.
  • Drittens funktioniert Global Gateway nur mit einem breiten Netzwerk. Alle Partner*innen müssen gemeinsam mitanpacken, denn wir brauchen alle Hände an Deck! In erster Linie geht es mir dabei um die Unternehmen, da wir ihre Investitionen und ihr Know-how brauchen, um unsere Ideen in die Praxis umzusetzen. Nur gemeinsam können wir die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung erreichen.

Als deutsches Entwicklungsministerium verfügen wir bereits über vielfältige Erfahrungen in der Kooperation mit dem Privatsektor, sowohl in Europa als auch in den Partnerländern. Damit das Geld in die Projekte fließt, die unsere Standards und Nachhaltigkeitskriterien erfüllen, ist es wiederum wichtig, dass Brüssel transparente Auswahl- und Vergabeprozesse für Privatunternehmen etabliert. Aber genauso wichtig ist, dass wir uns mit den Entwicklungsbanken, der Zivilgesellschaft, den Think Tanks und der Wissenschaft überlegen, wie wir die Projekte noch besser auf die Bedürfnisse der Menschen in unseren Partnerländern anpassen können. Hier schöpfen wir aus dem umfangreichen Erfahrungsschatz von tausenden Akteuren weltweit. Diese Fülle an Ressourcen finde ich beeindruckend!

Meine Damen und Herren, wir stellen uns diesen Herausforderungen mit Mut und Kreativität. Denn wie ich eingangs bereits sagte: wer Infrastruktur baut, investiert in Modernisierung. Und wer sich bei Global Gateway engagiert, investiert in eine bessere Zukunft für Menschen weltweit.