28. September 2022 SDGs und Klima im Jahr des Krieges gegen die Ukraine und der deutschen G7-Präsidentschaft

Rede von Bundesministerin Svenja Schulze beim Deutschen Stiftungstag in Leipzig (digital zugeschaltet)

Ihr diesjähriger Stiftungstag steht unter der Überschrift „Zukunft nachhaltig gestalten“. Sie geben damit ein starkes Signal, denn eine Zukunft ohne nachhaltiges Handeln ist heute nicht mehr vorstellbar.

Viele Stiftungen setzen sich schon lange für Nachhaltigkeit ein, für Themen wie Bildung, Forschung, Gesundheit und Umwelt. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat sich der globalen Nachhaltigkeit verschrieben; mit den 17 Nachhaltigkeitszielen, den Sustainable Development Goals, sowie dem Pariser Klimaschutzabkommen. Damit arbeiten wir Seite an Seite, wir ziehen am gleichen Strang!

Wenn wir für die Diskussion heute, im Herbst 2022, schauen, wie um die Nachhaltigkeitsagenda der Vereinten Nationen steht, dann ist leider festzustellen, dass wir zurzeit hinter unseren Zielen zurückliegen. Ich möchte das an einigen wenigen Beispielen zeigen:

SDG 1, keine Armut: Nachdem die Zahl der Menschen in Armut weltweit 30 Jahre lang fast konstant gesunken ist, kommt es in Folge der Covid-19-Pandemie erstmals zu einem erneuten Anstieg von extremer Armut. Besonders betroffen sind Subsahara-Afrika und Südasien, aber auch der Nahe Osten und Nordafrika; 125 Millionen Menschen zusätzlich gelten als extrem arm.

SDG 2, kein Hunger: Weltweit leiden – auch durch die unterbrochenen Lieferketten durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine – 828 Millionen Menschen unter Hunger – deutlich mehr als noch vor der Corona-Pandemie. Insbesondere in bereits dürregeplagten Ländern erleben wir eine humanitäre Katastrophe. In Äthiopien, Somalia und im Kongo ist die Zahl der Hungernden rapide angestiegen.

Hier müssen wir strukturell rangehen!

Deshalb habe ich im Mai im Kreise der G7 gemeinsam mit der Weltbank das Bündnis für globale Ernährungssicherheit ins Leben gerufen. Dieses Bündnis soll einerseits dafür sorgen, dass die Hilfe dort ankommt, wo sie am nötigsten ist. Langfristig wollen wir auch strukturelle Veränderungen angehen wie zum Beispiel der Aufbau stabiler Lieferketten und widerstandsfähiger Agarsysteme.

Aber es geht leider noch weiter.

SDG 8: menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum. Menschen brauchen wirtschaftliche und soziale Sicherheit – eine Absicherung im Fall von Arbeitslosigkeit, Mutterschaft, Behinderung oder Arbeitsunfällen; Unterstützung durch Kindergeld oder Altersrente. 53 Prozent der Weltbevölkerung jedoch – rund 4 Milliarden Menschen – haben keinen Zugang zu solcher sozialer Sicherung. In Afrika sind es sogar über 80 Prozent.

Und ein letztes Beispiel: SDG 12: nachhaltiger Konsum und Produktion. In diesem Jahr war der „Earth Overshoot Day“ der 28. Juli. Der Tag, an dem weltweit das aufgebraucht ist, was sich im Laufe des Jahres regenerieren kann. Für Deutschland war dieser Tag übrigens schon der 4. Mai. Damit haben wir nach nur vier Monaten und drei Tagen das aufgebraucht, was eigentlich für ein ganzes Jahr reichen müsste.

Wir liegen bei unseren Zielen hinter unseren Ansprüchen zurück. Wir alle müssen unser Verhalten ändern, um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Staatliches Handeln muss sich noch stärker daran orientieren. Erste Schritte wie das Bündnis für globale Ernährungssicherheit und das Lieferkettengesetz sind gemacht.
Aber es braucht auch zivilgesellschaftliche Akteure wie Sie, die aktiv daran arbeiten, die SDGs zu erreichen.

Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat einige der beschriebenen Herausforderungen weiter verstärkt. Er brachte unsägliches Leid über die Menschen der Ukraine. Die schrecklichen Auswirkungen des Krieges kennen viele von Ihnen auch aus Ihrer täglichen Arbeit. Sie sind direkt oder mit Partnerorganisationen in der Ukraine tätig. Die Else Kröner-Fresenius-Stiftung etwa, mit der wir eng zusammenarbeiten und Klinikpartnerschaften fördern, hat ein Budget von einer Million Euro für medizinische Projekte zur Verfügung gestellt. Und noch mehr Stiftungen engagieren sich hier in Deutschland für die Aufnahme und Versorgung von Geflüchteten, in der Kinder- und Jugendhilfe oder unterstützen ukrainische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Für dieses Engagement danke ich Ihnen.

Und ich betone: Auch vor dem Hintergrund aktueller Herausforderungen lassen wir in der Erreichung der Nachhaltigkeitsziele und der internationalen Klimaziele nicht nach. So setze ich mich beispielsweise bei der nächsten Klimakonferenz insbesondere für einen Klimarisiko-Schutzschirm gegen Klimaschäden ein. Klimaschäden können vor allem die Ärmsten in die Armut treiben. Sie brauchen unsere Solidarität, um damit umzugehen. Die Idee ist, dass er schon steht, bevor die Krise eintritt – etwa mit Vorsorgeplänen der Entwicklungsländer, Versicherungen und mit schnellen Finanzierungssystemen, die kurzfristig an die Betroffenen auszahlen, wenn Schäden durch Dürren, Wirbelstürme oder ähnliches entstehen. Zum Beispiel, damit landwirtschaftliche Betriebe weiterarbeiten können.

Die deutsche G7-Präsidentschaft in diesem Jahr bietet uns zusätzliche Möglichkeiten, eine ambitionierte Klima- und Naturschutzagenda voranzutreiben. Wichtig ist uns, den weltweiten Klimaschutz mit wirtschaftlichem Aufschwung und sozial gerechter Transformation zu verbinden – nur dann kann er erfolgreich sein. Diese Just Transition ist der Schlüssel für die nachhaltige Zukunftsgestaltung und globale Strukturpolitik. Hierzu etabliert mein Ministerium beispielsweise ehrgeizige Klima- und Entwicklungspartnerschaften mit besonders ambitionierten Partnerländern.

Globale Fragen und Bedrohungen lassen sich nur über internationale Zusammenarbeit lösen. Für diesen gemeinsamen Kraftakt suchen wir gezielt den Schulterschluss mit Vereinen, Stiftungen und der Philanthropie.

Daher lade ich Sie ein: Arbeiten Sie zusammen mit uns an den Lösungen. Wir bleiben ein verlässlicher Partner für weltweite Entwicklung. Wir haben enorm viel aufzuholen, um die Ziele der Entwicklungsagenda 2030 zu erreichen. Packen wir es gemeinsam an.