12. September 2022 Start-ups – Schlüsselfaktor zur Erreichung unserer gemeinsamen Nachhaltigkeitsziele

Rede von Entwicklungsministerin Svenja Schulze beim AsiaBerlin Summit in Berlin

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Senator Schwarz,
sehr geehrter Herr Dr. Busch,
liebes Publikum,

herzlich willkommen zum AsiaBerlin Summit! Seit 25 Jahren vernetzt der AsiaBerlin Summit sehr erfolgreich Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verwaltung. Er bietet eine Plattform, auf der innovative Projekte und Initiativen gegründet werden, und bringt Asien und Deutschland näher zusammen. Das ist wirklich beeindruckend!

Wir leben in Zeiten, in denen digitale Technologien zunehmend unser Leben verändern. Wir reden über Transformationen in allen Lebensbereichen: In der industriellen Produktion, im Gesundheitssektor, in der Bildung, im Verhältnis von Staat und Gesellschaft. Technologische Innovationssprünge bergen neue Zukunftsperspektiven. Sie können Entwicklungssprünge ermöglichen und so helfen, die Ziele für nachhaltige Entwicklung schneller zu erreichen. Und ein solches Leapfrogging brauchen wir dringend. Denn die Auswirkungen globaler Herausforderungen wie der Klimakrise, der Covid-19-Pandemie, von Konflikte und Kriegen haben die Nachhaltigkeitsziele in weite Ferne gerückt.

Deshalb ist die diesjährige Schwerpunktsetzung des AsiaBerlin Summits auf die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Agenda 2030 so treffsicher. Wir müssen dringend unsere gemeinsamen Anstrengungen verstärken! Denn das ist der Geist der Agenda 2030: es ist nicht nur Aufgabe der Politik, die 17 Ziele zu erreichen. Auch die Wirtschaft, die Wissenschaft, die Zivilgesellschaft, jede und jeder einzelne von uns – alle sind in der Verantwortung!

Start-ups können hierbei eine wichtige Rolle spielen: sie sind Innovationsschmieden, setzen Trends und zeigen mit ihren Technologien und Geschäftsmodellen neue Wege auf. Sie agieren mit einer sehr hohen Geschwindigkeit, sind flexibel und risikobereit. Sie schaffen Arbeitsplätze und tragen zu wirtschaftlicher Entwicklung bei. Welch enormer Motor für Entwicklung sie sein können, zeigt sich in Asien: Das asiatische Start-up-System mit all seinen Verästelungen ist bei weitem das größte der Welt und hat Asiens raschen Aufstieg zu einem globalen Technologieführer beschleunigt. Asien erwirtschaftet heute mehr als die Hälfte des globalen Umsatzwachstums von Technologieunternehmen, über 40 Prozent der weltweiten Start-up Finanzierungen fließen an Gründerinnen und Gründer in Asien. Von diesen Erfahrungen können wir in Deutschland lernen!

Auch Berlin hat in den letzten Jahren aufgeholt und zuletzt London in verschiedenen Rankings als attraktivster Standort für Start-up-Gründungen überholt. Es verzeichnet mit rund 40.000 neuen Gewerbeanmeldungen pro Jahr etwa jede Viertelstunde eine neue Unternehmensgründung. Dies auch, weil die Wissenschaftsregion Berlin eine der größten Europas ist, mit ausgezeichneten akademischen Forschungseinrichtungen und einer einzigartigen Förderstruktur für Start-ups. Und dabei engagiert sich Berlin auch in der Entwicklungszusammenarbeit, beispielsweise gemeinsam mit meinem Ministerium im Bereich Female Entrepreneurship und Urban Mobility.

In Ländern des Globalen Südens sind die Rahmenbedingungen für Start-ups leider oft wesentlich schwieriger: Gründerinnen und Gründern mangelt es am nötigen Startkapital. Die technologische Infrastruktur ist oft unzureichend oder die Nähe zu Unternehmen und Universitäten nicht gegeben. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung setzt genau hier an, um ein günstiges Umfeld für Start-ups zu schaffen und ihr Potenzial für nachhaltige Entwicklung besser zu hebeln.

So unterstützt das BMZ beispielsweise in Afrika und auch in Asien die Start-up-Szene im Digitalsektor. Im Rahmen der Make-IT in Asia Initiative werden Gründerinnen und Gründer geschult und durch Mentoring-Programme begleitet. Start-ups werden mit internationalen Partnern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft vernetzt und ihr Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten verbessert.

Mit günstigen Rahmenbedingungen für Tech-Start-ups und besseren Beschäftigungsperspektiven in einer sehr dynamischen Branche wie der Digitalwirtschaft wollen wir gemeinsam mit Partnerländern grünes und inklusives Wirtschaftswachstum in Asien anstoßen.

Heute kann ich ein Leuchtturmprojekt von Make-IT in Asia und dem Digitalzentrum Vietnam ankündigen: Im Oktober wird der Green Tech Hub starten. Er vernetzt Start-ups mit etablierten Unternehmen, Universitäten, Regierungspartnern und internationalen Organisationen. So sollen neue Lösungen für Klima- und Umweltherausforderungen entwickelt werden.

Start-ups haben das Potenzial, mit ihrer Innovationskraft die Lebensqualität von Millionen Menschen zu verbessern. Lassen Sie mich dies anhand dreier Beispiele veranschaulichen:

  • In Indonesien verbessert das Projekt „1000 Inseln - Erneuerbare Energie für die Elektrifizierung in Indonesien“ den Zugang zu erneuerbarer Energie in ländlichen Gebieten und unterstützt so auch junge Unternehmer*innen.
  • Fintechs haben gezeigt, dass digitale Technologien Frauen einen besseren Zugang zu Finanzdienstleistungen verschaffen und so ihr Unternehmertum stärken können. In Kenia beispielsweise integriert die M-Pesa App als mobile Geldbörse Menschen, die über kein Bankkonto verfügen, in das formelle Finanzsystem. Studien belegen, dass insbesondere Frauen dadurch ihr Einkommen steigern und sich aus der Armut befreien konnten.
  • Die vom BMZ geförderte Plattform SORMAS vernetzt alle relevanten Akteure im Bereich Epidemie-Management wie etwa Kliniken, Labore und Behörden in Echtzeit. Dies hilft Ländern weltweit bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie.

All diese Potenziale sind äußerst vielversprechend. Dabei dürfen wir aber eines nicht aus den Augen verlieren: Der technologische Fortschritt birgt auch das Risiko, bestehende Ungleichheiten weiter zu vertiefen:

  • Wenn die digitale Transformation und der Netzausbau den freien Kräften des Marktes und wenigen Monopolanbietern überlassen wird.
  • Wenn Technologien gezielt dafür genutzt werden, unliebsame Meinungen zu unterdrücken oder Falschnachrichten zu verbreiten.
  • Und wenn Frauen Gefahr laufen, digital abgehängt zu werden. Denn noch immer fehlt Frauen oft der Zugang zu digitalen Endgeräten, sie besetzen weniger als ein Viertel der Arbeitsplätze im IT-Sektor und gründen deutlich seltener Start-ups als Männer.

Deshalb braucht es mehr als bloße Technologien oder innovative Geschäftsmodelle. Damit möglichst viele Menschen vom technologischen Fortschritt profitieren können, braucht es eine gute Regulierung. Es braucht globale Partnerschaften, um den globalen Herausforderungen zu begegnen. Ich denke hier beispielsweise an die Initiative Smart Africa, die 31 Länder vertritt und sich für eine inklusive Digitalisierung einsetzt. Mit ihrer vom BMZ unterstützten Smart Africa Digital Academy werden gemeinsam mit nationalen Regulierungsbehörden und zivilgesellschaftliche Akteure Standards für eine faire digitale Gesellschaft entwickelt.

Es braucht breite Bildungsangebote. Zusammen mit deutschen und asiatischen Hochschulen arbeitet das BMZ bereits daran, regionale und nationale Strategien zur Förderung digitaler Kompetenzen zu entwickeln. Begleitend entwickeln wir anwendungsorientierte Lernangebote beispielsweise zu Programmierung und Datenanalyse.

Und es braucht nachhaltige Wirtschaftsmodelle, die sich an ethischen Grundsätzen orientieren. Start-ups können hier eine besondere Vorreiterrolle spielen, indem sie nachhaltige Entwicklung in all ihren Facetten mitdenken und danach handeln. Indem sie nicht nur auf die Technologien von morgen setzen, sondern auch auf zukunftsfähige Formen des Wirtschaftens.

Meine Damen und Herren, wir alle tragen die Verantwortung dafür, dass der technologische Wandel offen und inklusiv gestaltet wird. Dass neue Geschäftsmodelle und Innovationen eine nachhaltige Entwicklung fördern. Dass Technologien nicht nur Wirtschaftswachstum vorantreiben, sondern gleichzeitig unseren Planeten schützen. Dies kann nicht zuletzt durch eine gute Zusammenarbeit zwischen Ihnen und uns, zwischen Wirtschaft und Politik, erreicht werden. Lassen Sie uns zu diesen wichtigen Themen im Gespräch bleiben. Ich wünsche uns allen einen spannenden Austausch und inspirierende Konferenztage!