6. November 2025 Rede von Bundesentwicklungsministerin Reem Alabali Radovan beim Jahresempfang der GIZ
Es gilt das gesprochene Wort.
„Lieber Thorsten Schäfer-Gümbel,
liebe Frau Hoven,
liebe Frau Herken,
sehr geehrter Herr Dr. Treier,
Exzellenzen,
liebe Mitglieder des Bundestags,
sehr geehrte Damen und Herren,
vor fast genau einem halben Jahr wurde ich als deutsche Entwicklungsministerin
vereidigt. Und ich kann Ihnen sagen: Es war ein intensives halbes Jahr! Es ist viel
passiert – in Deutschland und weltweit. Und gleichzeitig haben wir viel
angeschoben in der deutschen Entwicklungspolitik.
Und nach diesem halben Jahr sage ich voller Überzeugung: Ich bin froh, als
Entwicklungsministerin eine so kompetente und erfahrene Organisation wie die
GIZ an meiner Seite zu haben!
Die GIZ wird für Ihre Arbeit und für Ihre Expertise weltweit hochgeschätzt. Von den
Partnerregierungen. Von den Menschen vor Ort. Und von anderen Gebern. Für sie
ist die GIZ seit Jahrzehnten eine bewährte Partnerin. Eine Partnerin, auf die man
sich verlassen kann. Das wird mir auf meinen Reisen von unseren Partnern immer
wieder berichtet.
Und genauso erlebe ich die GIZ jeden Tag selbst. Herzlichen Dank, lieber
Thorsten, lieber Vorstand, liebe Kolleginnen und Kollegen der GIZ, für die gute
Zusammenarbeit und für Ihren Einsatz!
Und bitte geben Sie diesen Dank an Ihre Mitarbeitenden weiter. An die vielen
Menschen, die weltweit für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit im Einsatz
sind. Thorsten Schäfer-Gümbel hat es eben eindrücklich berichtet: Sie arbeiten oft
unter herausfordernden Bedingungen – mit hohen Sicherheitsrisiken oder
eingeschränkter Gesundheitsversorgung. Diese Arbeit verlangt ihnen und ihren
Familien viel ab. Deshalb sage ich allen Mitarbeitenden der GIZ auch ganz
persönlich: Herzlichen Dank, für Ihr Engagement weltweit!
Meine Damen und Herren,
die Herausforderungen sind groß. Und Thorsten Schäfer-Gümbel hat das gerade
schon kurz umrissen. Und viele von Ihnen haben in Ihrer Arbeit täglich mit diesen
Herausforderungen zu tun. Mit dem Rückzug der USA aus der internationalen
Zusammenarbeit. Mit Krisen und Konflikten weltweit – wie im Nahen Osten, in der
Ukraine oder im Sudan. Und gleichzeitig fordern uns hier in Deutschland – ja –
knappe Kassen, aber auch zunehmender Populismus und Polarisierung heraus.
Um mit diesen Herausforderungen umzugehen, stellen wir die Entwicklungspolitik
für die Zukunft auf. Damit sie handlungsfähig und wirkungsvoll bleibt.
Derzeit läuft ein breit angelegter Reformprozess im BMZ, der bis Jahresende
abgeschlossen sein soll. Ein Element des Reformprozesse ist eine inhaltliche
Profilschärfung. Für mich stehen dabei vier Handlungsfelder im Mittelpunkt.
Erstens: Armut, Hunger und Ungleichheit bekämpfen.
Der Kampf gegen Armut, gegen Hunger und Ungleichheit bleibt unsere DNA. Der
Schwerpunkt der deutschen Entwicklungspolitik. Denn jeder Mensch hat das
Recht auf ein Leben in Würde.
Wir engagieren uns deshalb zum Beispiel für Ernährungssicherung. Für bessere
Bildungschancen für alle. Für die Gleichstellung der Geschlechter. Und für die
Chancen und Perspektiven von Kindern und Jugendlichen.
Der zweite Schwerpunkt ist Frieden und Stabilität.
Denn Hunger und Armut zu bekämpfen und Frieden und Sicherheit zu stärken –
das sind zwei Seiten einer Medaille. Deutschland muss sich weiterhin für Frieden,
Stabilität und Sicherheit in der Welt engagieren. Wir müssen die Ursachen von
Kriegen und Konflikten angehen. Den Menschen Perspektiven bieten. Das ist
auch für unsere Sicherheit hier in Deutschland und Europa essentiell. Und deshalb
braucht es eine starke Entwicklungspolitik. Im Dreiklang von Entwicklungs-,
Außen- und Verteidigungspolitik.
Zum Beispiel in Gaza. Wo Deutschland, wo wir beim Wiederaufbau unterstützen
und den Friedensprozess voranbringen möchten. Die notleidenden Menschen in
Gaza werden wir mit schneller Hilfe unterstützen, zum Beispiel mit
Übergangsunterkünften, die schon bereitstehen. Und damit zeigen wir auch, wie
schnell wir in Krisen reagieren können.
Drittens, und das wurde schon erwähnt, werden wir die wirtschaftliche
Zusammenarbeit ausbauen.
In der aktuellen Weltlage brauchen wir stärkere Partnerschaften mit dem Globalen
Süden. Deutschland muss seine Wirtschaftsbeziehungen breiter aufstellen. Das
macht unsere Wirtschaft stark für die Zukunft. Denn der Globale Süden ist ein
Motor der globalen Wirtschaft. Dort entstehen riesige Märkte. Es gibt viele junge
Arbeitskräfte – das haben wir gerade im Film gesehen -, es gibt Ressourcen,
Innovationen und ein enormes Potenzial.
Und auch umgekehrt gilt: Der Globale Süden sucht Partnerschaften mit uns.
Länder wie Indien, Südafrika oder Indonesien sagen klar: Wir wollen mehr
wirtschaftliche Zusammenarbeit. Sie erwarten, dass wir faire Bedingungen
schaffen. Dass beide Seiten profitieren. Mit mehr Wohlstand und mehr
Arbeitsplätzen bei uns und dort. Und vor allem: Dass wir uns auf Augenhöhe
begegnen. Und sie haben vollkommen recht damit.
Deshalb stärken wir die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den Ländern des
Globalen Südens. Und dabei ziehen wir mit der deutschen Wirtschaft an einem
Strang.
Bei der Wirtschaftskonferenz Anfang Oktober haben wir gemeinsam diskutiert, wie
das gelingen kann. Daran werden wir anknüpfen. Das BMZ wird den Dialog mit
der deutschen Wirtschaft stärken – mit Unternehmen, Verbänden, Kammern und
Gewerkschaften. Wir werden strukturelle Hürden für Investitionen und Handel
abbauen. Wir werden uns für rechtssichere und transparente
Rahmenbedingungen und Korruptionsbekämpfung einsetzen. Und wir werden die
deutsche Wirtschaft bei ihrem Engagement im Globalen Süden noch stärker
unterstützen.
Es passt deshalb wunderbar, dass der heutige Jahresempfang der GIZ hier im
Haus der deutschen Wirtschaft stattfindet. Das ist der Geist der guten
Zusammenarbeit, den wir brauchen.
Mit dem vierten Schwerpunkt der deutschen Entwicklungspolitik stärken wir
strategische Allianzen.
Denn nur, wenn wir international vertrauensvoll zusammenarbeiten, können wir
die globalen Herausforderungen bewältigen. Der Klimawandel macht nicht an
Grenzen halt. Pandemien machen nicht an nationalen Grenzen halt.
Deutschland übernimmt mehr Verantwortung – gerade jetzt, wenn andere Länder
sich stärker zurückziehen. Deutschland gewinnt dadurch auch an Einfluss. Und
diesen wollen wir klug und fair nutzen. Zum Beispiel bei den Vereinten Nationen.
Bei der Weltbank. Oder jetzt bei der Weltklimakonferenz in Belém.
Denn die Folgen des Klimawandels sind weltweit spürbar. Aber sie treffen die
ärmsten Menschen am härtesten. Deshalb werde ich mich bei der COP für einen
ambitionierten Klimaschutz und eine solidarische Klimafinanzierung stark machen.
Denn wir müssen das Klima weltweit schützen, um die Lebensgrundlagen von uns
allen zu sichern – hier in Deutschland und auf der Welt. Klimaschutz ist ein
zentrales Element von nachhaltiger Armutsbekämpfung.
Vielen Dank für den Applaus. Mit dieser Unterstützung werde ich nach Belém
reisen und diese Themen vertreten.
Diese vier Schwerpunkte werde ich in den nächsten Jahren voranbringen.
Und dabei wird die bilaterale Zusammenarbeit weiterhin eine tragende Rolle
spielen. Die bilaterale Zusammenarbeit ist das Aushängeschild der deutschen
Entwicklungspolitik. Die Arbeit der GIZ vor Ort ist eine wichtige Grundlage für
unsere Partnerschaften mit den Ländern des Globalen Südens. Für
Partnerschaften, die auf Respekt und Vertrauen basieren. Für Partnerschaften, die
Deutschland weltweit braucht.
Wir zeigen in Zeiten globaler Umbrüche: Deutschland bleibt ein verlässlicher
Partner auf der Welt. Auch dann, wenn es Herausforderungen gibt. Auch dann,
wenn es schmerzhafte Haushaltskürzungen gibt.
Dabei ist klar: Die Aufstellung für die Zukunft kann ich als Ministerin, kann das
BMZ nicht alleine schaffen. Es ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Auch der GIZ –
dem BMZ natürlich, aber auch der GIZ – kommt hierbei eine wichtige Rolle zu.
Wir brauchen Ihre Expertise – um Armut und Hunger zu bekämpfen, um Frieden
und Sicherheit zu stärken, um die wirtschaftliche Zusammenarbeit auszubauen,
um den Klimawandel zu bekämpfen. Wir brauchen Ihre Netzwerke und Ihre
Partnerschaften vor Ort. Denn seit über 50 Jahren haben Sie das Vertrauen und
die Wertschätzung unserer Partner*innen weltweit. Und wir brauchen die
kompetenten und mutigen Mitarbeitenden der GIZ.
Mir ist klar, dass die Umwälzungen in der Entwicklungszusammenarbeit auch für
die GIZ und die Beschäftigten Veränderungen mit sich bringen werden. Diese
Veränderungen müssen wir gemeinsam gestalten. Wir müssen die
Entwicklungszusammenarbeit gemeinsam für die Zukunft aufstellen.
Dafür müssen wir auch selbstkritisch auf unsere Zusammenarbeit blicken: Wo
können wir zusammen noch besser werden? Wie verbessern wir die
Wirtschaftlichkeit und Effizienz? Wie werden wir gemeinsam noch innovativer und
flexibler?
An diesen Fragen werden wir gemeinsam weiterarbeiten. Und das erfordert
Anpassungsfähigkeit und Mut zu Veränderung. Doch genau das sind die
Eigenschaften, die die GIZ seit über 50 Jahren auszeichnen.
Lieber Thorsten Schäfer-Gümbel,
lieber Vorstand,
liebe Mitarbeitende der GIZ,
lassen Sie uns die Entwicklungspolitik gemeinsam für die Zukunft aufstellen. Zum
Wohle der Menschen in unseren Partnerländern. Und zum Wohle der Menschen
in Deutschland.
Herzlichen Dank.“