Gastbeitrag Miteinander, nicht gegeneinander

Am 2. und 3. Juni treffen sich in Hamburg mehr als 1.600 Entscheiderinnen und Entscheider aus fast über 100 Ländern, um bei der nachhaltigen Entwicklung weiterzukommen. In ihrem Gastbeitrag für das Hamburger Abendblatt (Externer Link) meint Bundesentwicklungsministerin Reem Alabali-Radovan: Die großen Herausforderungen betreffen uns alle und können nur gemeinsam gemeistert werden. Dafür braucht es eine gut aufgestellte Entwicklungspolitik.

Hamburg ist ein Tor zur Welt. Sein Hafen ist einer der größten Europas und macht die Stadt zu einem der wichtigsten Handelsstandorte Deutschlands. Jedes Hamburger Kind weiß, dass hier Schiffe aus der ganzen Welt eintreffen und auslaufen. Dass es nicht egal ist, „wenn in China ein Sack Reis umfällt“, wissen wir alle seit der Corona-Pandemie. Damals brachen die weltweiten Lieferketten zusammen, nachdem sich das Covid-19-Virus aus China in rasender Schnelle über den Globus verbreitete. Grenzen wurden dichtgemacht, Fabriken geschlossen, Supermarktregale blieben leer. In Hamburg stauten sich die Containerschiffe. Aber es sind nicht nur Pandemien, die den Schiffsverkehr bedrohen. Immer öfter stranden Schiffe und verstopfen wichtige Wasserstraßen, weil Extremwetter durch den Klimawandel zunimmt.

Seit US-Präsident Trump seine Zölle gegen China vorübergehend zurücknahm, werden Lieferungen vorverlegt und überlasten die Schiffsrouten. Gewaltsame Konflikte machen den Transport von Waren gefährlich. Jeder dritte in die EU importierte Schiffscontainer fährt durch die politisch instabile Region am Horn von Afrika. Wird diese Route unbefahrbar, merkt man das auch in Hamburg.

Das zeigt: Pandemien, Klimakrise oder Kriege machen nicht an Grenzen halt. Sie haben direkten Einfluss auf das Leben der Menschen weltweit, auch auf uns. Kein Nationalstaat kann sagen: Das geht uns nichts an. Denn die großen Herausforderungen können wir nur gemeinsam meistern.

Das wissen die über 1.600 internationalen Entscheiderinnen und Entscheider aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft aus über 100 Ländern, die diese Woche zur zweiten Hamburg Sustainability Conference in Hamburger Rathaus und Handelskammer empfangen werden. Eingeladen hat die Stadt Hamburg gemeinsam mit dem Bundesentwicklungsministerium, dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) und der Michael Otto Stiftung. Das gemeinsame Ziel: bei den Zielen für nachhaltige Entwicklung nicht nachzulassen, weiter zu kommen.

Vor knapp zehn Jahren haben alle 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen 17 gemeinsame Ziele beschlossen: Armut und Hunger beenden, Klimawandel begrenzen, Ungleichheit in und zwischen Gesellschaften reduzieren sowie Frieden fördern sind einige von ihnen. Doch wenn wir als Weltgemeinschaft so weitermachen wie bisher, werden wir keines dieser Ziele bis 2030 erreichen.

Das liegt auch daran, dass Wert und Nutzen internationaler Zusammenarbeit weltweit teils aggressiv in Frage gestellt wird. Die regelbasierte internationale Ordnung wird aktiv untergraben. Mit dramatischen Folgen: Der Rückzug der USA aus der internationalen Entwicklungszusammenarbeit hinterlässt eine für viele Menschen lebensbedrohliche Lücke – zum Beispiel durch zurückgehaltene Nahrungsmittelhilfen –, die niemand ohne Weiteres schließen kann. Deshalb muss die internationale Zusammenarbeit jetzt so stark sein wie nie. Weil es uns allen besser geht, wenn wir miteinander arbeiten und nicht gegeneinander.

Die HSC ist einer der Orte, wo diese Erkenntnis stark gemacht wird. Wo Brücken gebaut werden, wo international zusammengearbeitet wird, wo die deutsche Entwicklungspolitik ihre weltweiten Partnerschaften festigt, ohne die es keine nachhaltige globale Entwicklung geben kann. Wie zum Beispiel in der Schifffahrt: Die globale Schifffahrt ist für fast drei Prozent der globalen CO₂-Emissionen und für über achtzig Prozent der CO₂ Emissionen im Welthandel verantwortlich. Sie stößt mehr Klimagase aus als ganz Deutschland und sie wird weiterwachsen. Deshalb muss die Branche drastisch CO₂ reduzieren. Auch der Hamburger Hafen: Längst fordern seine Kunden „saubere“ Transportwege.

Das funktioniert nur, wenn sich alle an einen Tisch setzen, die es dafür braucht. Wenn alle gemeinsam voranschreiten. Neben Häfen, Reedereien und Produzenten nachhaltiger Kraftstoffe sind das auch die Unternehmen, die Kraftstoffe transportieren. Es sind die Motorenlieferanten, die die passenden Antriebe entwickeln und einbauen. Es sind die Banken, die bei der Finanzierung der notwendigen Investitionen unterstützen. Und es sind die Regierungen, die das nötige Umfeld dafür schaffen. Akteure aus dem Globalen Norden und dem Globalen Süden.

Denn wenn es darum geht, grünen Wasserstoff – die Grundlage für erneuerbare Kraftstoffe – zu produzieren, spielen auch Partnerländer Deutschlands in Asien, Lateinamerika und Afrika eine wichtige Rolle. Viele haben genügend Platz, Wind, Sonne und den politischen Willen, um in die Produktion einzusteigen. Bei der HSC werden deshalb Akteure aus Nord und Süd das Rad gemeinsam weiterdrehen. Da geht es darum, wie private Investitionen in grünen Wasserstoff angekurbelt und wie die Produzentenländer im Globalen Süden davon profitieren können. Das ist Entwicklungspolitik.

Sie sorgt für starke Partnerschaften im gegenseitigen Interesse. Win-win-Partnerschaften, von denen alle Seiten profitieren. Dafür muss sie stark aufgestellt sein. Denn die Hamburgerinnen und Hamburger, die Menschen in Deutschland und weltweit leben sicherer, wenn es weniger Konflikte, Hunger, Extremwetterereignisse, Krankheit und Flucht gibt.

Unser Wohlstand als Exportnation hängt von stabilen internationalen Partnerschaften ab. Nirgendwo wird das deutlicher als im Hamburger Hafen.