5. November 2025 Rede der Bundesentwicklungsministerin Reem Alabali Radovan beim COP 30-Briefing
Es gilt das gesprochene Wort.
„Exzellenzen,
sehr geehrte Abgeordnete,
sehr geehrte Damen und Herren,
in Brasilien hat eine Serie für großes Aufsehen gesorgt, sie heißt drei Prozent. Sie spielt in einer dystopischen Welt, wo die Menschen aufgrund des Klimawandels verwahrlost und verarmt in Slums leben müssen.
Wenn Jugendliche 20 Jahre alt werden, können sie sich einem Auswahltest unterziehen. Die erfolgreichsten dreo Prozent dürfen dann dauerhaft in einer sauberen und sicheren Kolonie leben.
Das heißt, drei Prozent, das heißt von den ungefähr 500 Personen, die heute hier sitzen, hätten nur 15 die Möglichkeit, ein solch privilegiertes Leben zu führen.
Ja, das ist eine Serie, aber wenn wir ganz ehrlich sind:
Der Klimawandel ist für viele Menschen weltweit auch heute schon so eine Art Auswahltest. Dabei geht es nicht nur um Wohlstand, sondern ums Überleben. Wenn wir als Weltgemeinschaft nicht jetzt und mit aller Kraft handeln, werden wir in einer sich aufheizenden und unbewohnbaren Welt enden. Und nur die wenigen Privilegierten hätten Zugang zu den letzten Ressourcen.
Ja, das ist dystopisch. Aber ich finde im Jahr 2025 kommen wir mit Schönmalerei nicht weiter.
Deshalb möchte ich im Folgenden vier Punkte machen, an denen sich der Klimaschutz der Zukunft ausrichten muss.
Punkt Nummer 1: Klimaschutz ist sozial
Denn der Klimawandel trifft die Ärmsten besonders hart. Menschen verlieren ihre Ernten, ihre Wohnorte, ihre gesamte Existenzgrundlage.
Arm heißt aber nicht immer schwach: Viele Menschen werden kreativ und überlegen sich neue Lösungen, um mit Dürre, Stürmen oder Überschwemmungen umzugehen. Im brasilianischen Regenwald zum Beispiel betreiben indigene Gemeinschaften Waldpflege. Und sie zeigen uns hier in Europa, wie Ökonomie und Ökologie im Gleichgewicht funktionieren kann. Davon können wir viel lernen.
Denn jede Tonne CO₂, die heute ausgestoßen wird, verändert morgen unsere Welt. In Form von Ernteausfällen, Katastrophen und steigenden Kosten. Wir haben gerade erst die Bilder gesehen von dem Hurricane Melissa war es glaub ich, der in Jamaika, Kuba und Tahiti eingeschlagen hat.
Klimaschutz ist auch der einzige Weg, wie wir hier in Deutschland weiterhin in Sicherheit und Wohlstand leben können. Denn auch hier verändert sich das Klima, auch hier nehmen Dürren und Überschwemmungen zu. So wie überall auf der Welt.
Punkt Nummer 2: Klimaschutz ist deutlich günstiger als kein Klimaschutz.
Aus entwicklungspolitischer Sicht ist Klimaschutz allein deshalb gewinnbringend, weil jeder Euro, den wir heute für den Klimaschutz ausgeben, uns zukünftig mehrere Euro für Klimaschäden spart.
Klimapolitik ist aber nicht nur eine ökologische Notwendigkeit, sondern auch eine gewinnbringende Investition. Das hat Bundesminister Wadephul gerade eben beschrieben mit den deutschen Unternehmen, die mit sauberen Technologien arbeiten und das schon weltweit.
Klimaschutz und Klimaanpassung schaffen neue Märkte. Neue Technologien und Millionen neuer Jobs weltweit.
In São Paulo beispielsweise fährt die Metro mit erneuerbaren Energien. Die Bauteile dafür stammen aus deutschen und europäischen Unternehmen. Finanziert wird das Ganze durch deutsche Kredite. Kredite, die mit Zinsen zurückgezahlt werden. Also ein klares Win-Win-Modell. Es schafft Arbeitsplätze, senkt Emissionen und stärkt Partnerschaften zwischen Ländern, Unternehmen und Menschen.
Brasilien ist für Deutschland ein strategischer Schlüsselpartner. Für den Klimaschutz und als wichtigster Handelspartner in Südamerika. Nicht nur, weil der Amazonas das Klima der ganzen Erde reguliert. Sondern auch, weil die Menschen dort Lösungen finden, die wir hier bei uns dringend brauchen, um unsere eigene Resilienz zu stärken.
Partnerschaften wie die mit Brasilien sind zentral für den Klimaschutz.
Dabei setzt das BMZ vor allem auf die “JETPs„, die Just Energy Transition Partnerships. Sie sollen Energieversorgung Schritt für Schritt auf erneuerbare Energie umstellen.
Solche Partnerschaften haben wir beispielsweise mit Südafrika und mit Indonesien. Dort wächst die Wirtschaft rasant – und damit auch ihr Energiebedarf und der CO2-Ausstoß. Gleichzeitig verfügen sie über ein riesiges Potential bei Sonne, Wind und Wasser. Das sind Grundlagen für eine saubere Energiezukunft.
Und wenn Schwellenländer verstärkt auf erneuerbare Energien statt auf Kohle setzen, atmet das Klima auf.
Das lohnt sich sowohl für unsere Partnerländer als auch, auch hier für die deutsche Wirtschaft. Denn die JETPs stärken unsere Partnerländer als Wirtschaftsstandorte, sie schaffen dort neue Möglichkeiten für private Investitionen. Und sie eröffnen Kooperationschancen für deutsche Unternehmen in Zukunftsmärkten. Gerade in Zeiten einer anhaltenden Rezession in Deutschland sind das sehr gute Nachrichten.
Punkt Nummer 3: Klimaschutz braucht internationale Zusammenarbeit.
Die Klimakrise ist und bleibt die größte globale Herausforderung unserer Zeit. Wir schaffen es nur, sie einzudämmen, wenn wir zusammenarbeiten. Multilaterale Foren wie die COP sind daher unverzichtbar. Und auch wenn wir in den zehn Jahren seit Paris schon einige Fortschritte gemacht haben, reichen unsere Bemühungen nicht aus.
Wir brauchen dringend mehr Tempo und dringend mehr Willen. Ambitioniertere national festgelegte Klimabeiträge. Und dringend mehr Beteiligungen aus dem Privatsektor.
Brasilien hat mit der Tropical Forest Forever Facility (TFFF) einen Vorschlag vorgelegt, wie nachhaltiger Schutz der Tropenwälder zusammen mit dem Privatsektor funktionieren kann. Und wir unterstützen diese innovative Idee.
Für mehr Tempo und mehr politischen Willen kämpft Deutschland, kämpft das BMZ, an den Verhandlungstischen der Welt. Und dabei unterstützen wir auch alle, die mit uns gemeinsam kämpfen wollen. Durch konkrete Projekte vor Ort, durch strategische Partnerschaften und durch gemeinsam Voneinander lernen. Deshalb ist für mich ganz klar: Ziel des BMZ auf der COP30 wird sein, Multilateralismus zu stärken, strategische Allianzen zu festigen und diese Partnerschaften auszubauen.
Damit komme ich zum letzten Punkt, Punkt Nummer 4:
Klimaschutz ist Armutsbekämpfung.
Der Klimawandel betrifft zwar längst alle Menschen. Aber längst nicht alle gleichermaßen. Besonders benachteiligt sind eben Regionen und Gruppen, die ohnehin über wenig Ressourcen haben. Indigene Gemeinschaften, Frauen, Migrant*innen oder Menschen mit Behinderung.
Länder im Globalen Süden erleiden die stärksten Klimaschäden, obwohl sie in der Vergangenheit am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben. Bei einer Naturkatastrophe können innerhalb von Minuten jahrelange Entwicklungserfolge zunichte gemacht werden.
Und deshalb unterstützen wir die großen Klimafonds beim Klimaschutz und bei der Anpassung an den Klimawandel.
Außerdem haben wir den Fonds zum Umgang mit Verlusten und Schäden mit aufgebaut. Er unterstützt insbesondere die vom Klimawandel am stärksten betroffenen Länder des Globalen Südens dabei, Klimaschäden abzufedern. Und es ist gut, dass dieser Fonds bald auch erste Anträge annehmen kann.
Das ist die Art von internationaler Solidarität und Verantwortung, die ich weltweit stärken möchte.
Um diese Verantwortung in konkrete Ergebnisse zu übersetzen, wird sich das BMZ bei der COP 30 vor allem für drei Dinge einsetzen.
- Wir wollen die Lücke zwischen den bisherigen Klima-Beiträgen und dem 1,5-Grad-Ziel schließen. Das heißt konkret, dass wir uns weiter anstrengen unsere eigenen Ziele zur Emissionsreduktion in Deutschland und der EU zu erreichen und gleichzeitig unsere Partnerländer zu unterstützen – bei der Planung, Finanzierung und Umsetzung.
- Zweitens, wir wollen neue Geberländer gewinnen, um das Klimafinanzierungsziel von jährlich 300 Milliarden US-Dollar bis 2035 zu erreichen. Deutschland wird auch natürlich auch zukünftig, seinen gerechten Anteil leisten. Aber völlig klar, das alleine wird nicht reichen: es müssen alle, die können, mit anpacken. Und das bedeutet: auch der Privatsektor muss dazu einen größeren Beitrag leisten.
- Und wir wollen weltweit bessere Klimaanpassung ermöglichen. Wir setzen uns deshalb für einen COP-Beschluss ein, der Nationale Anpassungspläne stärkt und Fortschritte in Bereichen wie Ernährung, Wasser, Gesundheit, Ökosysteme, Infrastruktur, soziale Sicherung und kulturelles Erbe erfasst.
Wir haben einiges vor.
Liebe Damen und Herren,
Klimaschutz ist eine überlebenswichtige Notwendigkeit. Für ALLE.
Denn wenn wir jetzt nichts tun, werden in Zukunft nur noch die Privilegierten ein Leben in Sicherheit und Wohlstand führen können.
Und das widerspricht dem, wofür wir uns als Weltgemeinschaft geeinigt haben:
leaving no one behind!
Vielen Dank.“