7. November 2025 Rede der Bundesentwicklungsministerin Reem Alabali Radovan im Bundestag zum Sudan
Es gilt das gesprochene Wort.
„Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
Wer es bis ins Flüchtlingscamp nach Tawila geschafft hat, der
ist erstmal entkommen. Der hat die Hölle aus dem 60
Kilometer entfernten Al-Fashir erstmal hinter sich gelassen -
für wie lange, ist ungewiss.
Dort, in Al-Fashir, töten Kämpfer der Milizengruppe RSF
gerade unzählige Zivilist*innen. Menschen, die unbewaffnet
sind. Männer und Frauen, die wehrlos sind.
Sie werden erschossen.
Wie in dem einen Video, in dem Patient*innen in einem
Krankenhaus in Al-Fashir zu sehen sind. Mit Verbänden,
allesamt tot am Boden.
Oder sie werden aufgehängt.
Wie in dem Video, in dem eine Frau und zwei Kinder an
einem Baum hängen. Die Kinder sind nicht mal 5 Jahre alt.
Unerträgliche Szenen.
Bilder, die mich nicht mehr loslassen werden.
Ich denke an die Hunderttausenden Menschen, an die Kinder,
die noch in Al-Fashir ausharren. Die nicht fliehen können. Die
weiteren Massakern ausgesetzt sind, während wir hier
sprechen.
Seit mehr als zwei Jahren herrscht im Sudan die größte
humanitäre Katastrophe der Welt. Wir kennen die Bilder: Von
Hunger. Von Not. Von der Gewalt beider Seiten.
Bilder, an die wir uns aber nicht gewöhnen dürfen.
Die unvorstellbaren Gräueltaten, die jetzt in Al-Fashir
stattfinden, zeigen: Ein Ende des Leides im Sudan ist aktuell
nicht in Sicht.
Mehr als die Hälfte der rund 50 Millionen Sudanes*innen ist
auf dringende Unterstützung angewiesen. Und
selbstverständlich unterstützten wir die Menschen, mit der
Humanitären Hilfe, und mit unserer
Entwicklungszusammenarbeit.
Es geht um überlebenswichtige Versorgung, gerade in der
Region Darfur, rund um Al-Fashir. Gemeinsam mit dem
Kinderhilfswerk UNICEF und dem UN-
Welternährungsprogramm sorgt die deutsche
Entwicklungszusammenarbeit dafür, dass die Menschen Trinkwasser haben. Dass sie gesundheitliche Versorgung
erhalten.
Auch im Norden und Osten Sudans, wohin viele Menschen
fliehen, unterstützen wir. Mit UNICEF stellen wir für Kinder
und Jugendliche sichere Orte, sogenannte “Makannas„,
bereit. Es sind Orte des Lernens und der Hoffnung.
Wir schaffen Strukturen, die über Soforthilfe hinausgehen. Die
längerfristige Verbesserungen ermöglichen.
Aber dabei dürfen wir uns nichts vormachen: Das beendet
nicht das Leiden im Sudan.
Das Leiden wird nur enden, wenn die Konfliktparteien im
Sudan dafür sorgen, dass das Morden, die Vergewaltigungen
und die Vertreibung aufhören. Und wenn die Unterstützer
außerhalb Sudans ihre Waffenlieferungen an die
Konfliktparteien beenden.
Dafür setzen wir uns als Bundesregierung international ein.
Und ich möchte mich an dieser Stelle ganz ausdrücklich bei
Staatministerin Serap Güler bedanken für ihre so wichtige
Reise gerade zur richtigen Zeit. Herzlichen Dank.
Ohne einen Waffenstillstand geht es nicht. Zur Wahrheit
gehört aber auch, dass danach ein zivil geführter Prozess
starten muss.
Für langfristigen Frieden braucht es die Beteiligung der
Zivilgesellschaft.
Was passiert, wenn die Zivilgesellschaft nicht ausreichend in
Entscheidungsprozesse eingebunden ist, sehen wir überall in
der Welt:
Die jungen Generationen sagen Stopp. In Tansania,
Madagaskar und Kenia, in Nepal, Bangladesch oder
Indonesien: In immer mehr Ländern protestiert die Jugend.
Auch im Sudan war es die Zivilgesellschaft, die 2018 zum
Sturz der Militärdiktatur führte. Sie wurde im Anschluss nicht
integriert und dann 2021 durch den Militärputsch wieder ganz
unterdrückt.
Auf diese weltweiten Entwicklungen muss die internationale
Zusammenarbeit stärker reagieren.
Wir müssen genau hinschauen, wer von internationaler
Unterstützung profitiert. Damit sie bei den Menschen
ankommt. Damit demokratische Strukturen gefördert und
nicht untergraben werden. Damit Krisen gar nicht erst
entstehen.
Dazu gehört zivile Akteure noch stärker zu unterstützen.
Lokale Organisationen, aber auch Unternehmer*innen, die
unabhängig von Regierungen arbeiten. Dazu gehört auch,
freie Presse und Fact Checking zu fördern. Und da, wo nötig,
die Zusammenarbeit mit Ländern noch regierungsferner
aufzustellen. So wie wir es im Sudan machen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
im Sudan werden jetzt gerade tausende unschuldige
Menschen umgebracht. Weil sie einer bestimmten Gruppe
angehören oder zum falschen Moment am falschen Ort sind.
Sie werden misshandelt. Sie werden vertrieben. Sie hungern.
Europa und Deutschland sollten alles dafür tun, das Leid im
Sudan zu lindern.
Damit die Menschen eine Chance auf ein sicheres Leben
bekommen.
Dafür setze ich mich ein.“