14. Mai 2025 Rede der Bundesentwicklungsministerin Reem Alabali Radovan vor dem Deutschen Bundestag in Berlin

Entwicklungsministerin Reem Alabali-Radovan bei ihrer Rede im Bundestag am 14. Mai 2025

Es gilt das gesprochene Wort!
Eine druckbare Version der Rede (PDF 80 KB, barrierefrei) finden Sie hier (Externer Link).

Sehr geehrter Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich sage es, wie es ist: Noch nie standen die Entwicklungspolitik und die gesamte internationale Zusammenarbeit so sehr unter Druck wie heute. Sowohl hier im Inland als auch im Ausland finden Debatten statt, die die Entwicklungszusammenarbeit infrage stellen, und die nationalistischen Tendenzen entscheidender Partner, besonders der Rückzug der USA, treffen die Entwicklungspolitik aufs Härteste.

Wir sehen sehr klar, wie zentral die USAID für die globale Gesundheit, für die Bekämpfung von Armut und Flucht war. Was es heißt, dass wir uns zu sehr auf die USA verlassen haben, sehen wir nicht nur in der Verteidigungspolitik. Das betrifft uns ganz direkt, auch unsere Sicherheit. Wir müssen also mehr investieren, um unsere Sicherheit zu gewährleisten. Als Bundesregierung setzen wir auf eine integrierte Sicherheitspolitik, das bedeutet, auf einen Dreiklang von Außen-, Verteidigungs- und Entwicklungspolitik.

Wir nehmen den Auftrag des Koalitionsvertrages sehr ernst: Die Entwicklungspolitik muss als essenzieller Bestandteil der deutschen Sicherheitsarchitektur neu gedacht werden.

Klar ist: Entwicklungszusammenarbeit war noch nie so wichtig wie heute. Die Ungleichheiten innerhalb von Gesellschaften verschärfen sich. Weltweit nehmen die Konflikte zu. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat unser europäisches Sicherheitsverständnis grundlegend erschüttert.

Und wir sehen das Leid, das der schreckliche Terrorangriff der Hamas und der andauernde Krieg in Gaza bei den Menschen vor Ort verursachen. Die Bemühungen um einen Waffenstillstand dürfen gerade jetzt nicht abreißen. Die Geiseln müssen endlich alle freigelassen werden, und es muss jetzt ganz dringend Hilfe für die Zivilbevölkerung nach Gaza. Die Situation ist inakzeptabel. Angesichts der akuten Hungersnot zählt jede Sekunde.

In dieser aktuellen Lage ist es deshalb ein starkes Signal in die Welt, dass Deutschland auch weiterhin mit geballter Kraft auf internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik setzt. Das ist dem unermüdlichen Einsatz der Entwicklungspolitikerinnen und Entwicklungspolitiker zu verdanken, vor allem auch dem Einsatz meiner Vorgängerin. Liebe Svenja, herzlichen Dank für deinen unermüdlichen Einsatz!

Es ist gerade jetzt ein wichtiges Signal an die Welt, dass Isolation und Abschottung nicht gewinnen. Denn es ist klar, dass wir den aktuellen Krisen nur begegnen können, wenn wir weltweit zusammenarbeiten.

Angesichts dieser Herausforderungen führt an einer Neuaufstellung der Entwicklungspolitik kein Weg vorbei. Für mich heißt das vor allem Fokussierung. Das heißt, dass wir Entwicklungspolitik im Dreiklang mit Außen- und Verteidigungspolitik als nachhaltige Sicherheitspolitik ausbuchstabieren. Sie ist fundamentaler Teil des Ganzen. Es geht um Sicherheit und Verantwortung in der Welt.

Ein stabiles, multilaterales System ist unabdingbar, auch um dem massiven Vertrauensverlust in der internationalen Zusammenarbeit entgegenzuwirken. Die Vereinten Nationen spielen dabei eine tragende Rolle; das ist für mich völlig klar. Über den VN-Reformprozess und die Stärkung des VN-Standortes Bonn konnte ich heute Nachmittag mit dem UN-Generalsekretär António Guterres sprechen.

Deutschland braucht weltweit stabile Gesellschaften und Frieden. Durch meine familiären Wurzeln weiß ich, wie es den Menschen in den Regionen geht, die von politischer Unsicherheit, Krisen, Kriegen und Perspektivlosigkeit geprägt sind und die gleichzeitig am stärksten von der Klimakrise betroffen sind. Ich kenne ihre Sorgen, ihre Hoffnungen und ihre Sicht auf die Welt. Und ich weiß auch, welche Auswirkungen es auf uns hier in Deutschland hat, wenn wir für diese Krisen keine gemeinsamen Lösungen finden, wenn Menschen keinen anderen Ausweg sehen, als ihre Heimat verlassen zu müssen. Diese Erfahrungen prägen mein politisches Handeln, und sie bestärken mich in der Überzeugung, dass wir globale Verantwortung übernehmen müssen.

Dabei geht es natürlich immer auch um Solidarität und Menschlichkeit. Nur gemeinsam können wir Strukturen verändern, die zu Hunger und Armut und damit zu Konflikten führen. Ihnen vorzubeugen und sie zu bewältigen, das sorgt für weltweite Sicherheit. Es geht darum, Ungleichheiten zu bekämpfen. Nur gemeinsam können wir an Machtverhältnissen rütteln, damit alle Menschen gleichberechtigt teilhaben können; denn nur dann sind Gesellschaften auch wirklich stabil und friedlich.

Die Bundesregierung wird eine Nord-Süd-Kommission ins Leben rufen, die diese partnerschaftlichen und strategischen Beziehungen mit den Ländern des Globalen Südens auf Augenhöhe ausbauen wird. So werden wir dazu beitragen, die regelbasierte und inklusive Weltordnung neu aufzustellen, das Fundament zu reparieren und standfester zu machen, damit Krisen und Konflikte gar nicht erst entstehen.

Eng damit zusammen hängt natürlich auch das Thema Migration. Es lässt sich nicht allein national lösen. Entwicklungspolitik ist ein unverzichtbarer Teil deutscher Migrationspolitik. Sie bekämpft die Gründe, aus denen Menschen ihre Heimat verlassen müssen. Sie bietet ihnen neue Perspektiven. Sie arbeitet strukturell und langfristig daran, dass Menschen sich gar nicht erst auf die gefährlichen Fluchtrouten begeben müssen, indem sie von Konflikten und Krisen betroffene Länder stabilisiert, indem sie die Länder unterstützt, die den Menschen in der Nähe ihrer Heimat Zuflucht bieten. Die Rolle der Entwicklungspolitik ist es, genau diese Aufnahmeländer bei der Versorgung und Integration von Geflüchteten zu unterstützen. Und das kann nur mit mehr Zusammenarbeit gelingen und nicht mit weniger.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist völlig klar: Die Welt braucht mehr Partnerschaften, mehr Vertrauen, mehr Sicherheit, mehr internationale Zusammenarbeit. Deutschland setzt hier ein klares Signal. Wir setzen die Leitplanken für ein starkes, vereintes Europa, für ein Deutschland, das zu seiner Verantwortung steht, und für eine Entwicklungspolitik, die zeigen wird, was sie kann, die mit klarem Kompass die entscheidenden Weichen stellen wird. Unsere Geschichte, unser Platz in der Welt sind Auftrag und Verantwortung – mit einer Politik, die Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität betont, die Strukturen verändert, mit einer Politik, die für ein sicheres und würdevolles Leben für alle Menschen kämpft, unabhängig von ihrer Herkunft, ihrer Religion, ihrem Geschlecht.

Deutschland steht hier vor historischen Herausforderungen. Die Politik der kommenden Jahre wird entscheiden, ob wir auch in Zukunft in einem freien, sicheren, gerechten Deutschland leben, mit starken Partnern in der Welt. Wir wissen um diese Verantwortung. Wir werden unsere Politik daran ausrichten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, ich bitte um Ihre Unterstützung dabei und freue mich sehr auf die Zusammenarbeit.

Herzlichen Dank.