3. Oktober 2019 Nepal – Reformen und Entwicklungschancen
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Damen und Herren,
inzwischen ist es 30 Jahre her, dass die Berliner Mauer am 9. November 1989 fiel: Für Deutschland eine epochale Wende!
Am 3. Oktober 1990 dann wurden die beiden Teile des Landes offiziell zusammengeführt. Das war heute genau vor 29 Jahren. Die Wiedervereinigung ist ein Geschenk für Deutschland und Europa: Denn auch Europa wurde damals wiedervereinigt!
Politisch hat Deutschland damit die Folgen des 2. Weltkriegs überwunden.
Nepal hat ebenfalls einen steinigen Weg hinter sich. Und es ebenso geschafft: Der Bürgerkrieg ist inzwischen seit 13 Jahren vorbei. Und das Land hat einen einzigartigen Friedensprozess gelebt. Unsere beiden Länder wissen, dass Frieden ein kostbares Gut ist – die Voraussetzung für Wohlbefinden und Entwicklung! Seit 2006 hat sich viel verändert, darunter vor allem das große Erdbeben im Frühjahr 2015. Der Wiederaufbau seitdem hat große Fortschritte gemacht, auch wenn einige Folgen noch immer bestehen. Ich hoffe, dass bald alle Menschen zu den gewohnten, oder besseren, Lebensumständen zurückkehren können!
Die politischen Züge der letzten Jahre waren anstrengend: Die Reform der Verfassung und in deren Folge die Föderalisierung, die Territorialreform und erste Lokalwahlen nach 20 Jahren. Ihnen gilt mein großer Respekt für diese mutigen Schritte. Sie stellen die Weichen für eine chancenreiche Zukunft Nepals!
Nepal verändert sich, es wird moderner! Meiner Ansicht nach gibt es vor allem zwei Faktoren mit großen Chancen. Erstens den Föderalismus: Er bedeutet für die Regierung in der Hauptstadt zwar die Abgabe von Einfluss; und das ist nicht immer einfach. Aber nur so kann das Regieren – und damit hoffentlich das gute Regieren – auf vielen Schultern verteilt werden, wovon am Ende alle profitieren. In Deutschland zumindest haben wir mit unseren 16 recht autonomen Bundesländern gute Erfahrungen gemacht.
Zweitens denke ich an die Privatwirtschaft: Obwohl die Jugendarbeitslosigkeit sehr hoch ist und Nepal deshalb global mit die meiste Arbeitsmigration hat und obwohl nepalesische Unternehmer und ausländische Investoren mehr Rechtssicherheit und Anreize brauchen, um sich hier im Land stärker zugunsten von Beschäftigung und Wissenstransfer zu engagieren, passiert doch etwas!
Die Diaspora interessiert sich immer mehr dafür, zurückzukehren oder vom Ausland aus etwas in Nepal aufzubauen. Uns kontaktieren zum Beispiel immer mehr im Ausland lebende Nepalesen, die sich für unser Programm für rückkehrende Fachkräfte interessieren. Und heute Abend sind hier unter uns Unternehmen, die sich in den letzten Tagen beim ersten deutsch-nepalesischen Businessforum getroffen und Ansätze für die Belebung der nepalesischen Wirtschaft identifiziert haben.
Ich bitte Sie, sehr geehrter Herr Vizepräsident, sich für bessere Bedingungen für die Privatwirtschaft einzusetzen. In- und ausländische Investoren brauchen verlässliche rechtliche Rahmenbedingungen und schnelle Verfahren – zum Beispiel für die Gründung von Start-ups! Und ganz besonders müssen in Nepal wesentlich mehr qualifizierte Fachkräfte ausgebildet werden! Staatliche Investitionen für Bildung und berufliche Bildung – insbesondere für Ausbildungsunternehmen – sind ein Schlüssel für mehr und bessere Güter und Dienstleistungen aus Nepal.
Bei der Berufsbildung kommt es aber nicht nur auf die Regierung an: Darum bin ich froh, dass viele nepalesische und deutsche Unternehmer heute Abend da sind. Finanzieren Sie einen Teil der Ausbildung und bilden Sie selbst in Ihren Betrieben aus. So machen wir es in Deutschland – und haben mit weniger als acht Prozent die geringste Jugendarbeitslosigkeit in Europa.
Wir wollen Wege finden, dass auch in Nepal die Jugend von der Initiative der Industrie profitieren kann! Dadurch wird nicht nur der wirtschaftliche Aufschwung, sondern auch die Zukunftsfähigkeit und Glaubwürdigkeit von Demokratie gefördert!
Zusammen wollen wir Armut reduzieren und sozial gerechte, nachhaltige Wirtschaftsentwicklung schaffen. Wir unterstützen Nepal dabei, ein moderner und sozialer Staat zu sein, der seinen Bürgern soziale Grunddienste, Energieversorgung und wirtschaftliche Chancen bietet. Morgen habe ich beispielsweise die Ehre, eine auch mit deutschen Mitteln geförderte Berufsschule in Dhading und die modernisierte Strom-Netzleitwarte in Kathmandu einzuweihen. Lassen Sie uns gerne tiefere Wirtschafts- und Handelsbeziehungen schaffen. Ich weiß, dass auch die EU hieran Interesse hat.
Ich bin tief beeindruckt von der Schönheit des Landes und den Spitzen des Himalayas, die sich heute Morgen beim Anflug auf Kathmandu gezeigt haben. Ich freue mich darauf in den kommenden Tagen noch mehr vom Land zu sehen. Aber erstmal freue ich mich auf die Gespräche mit Ihnen heute Abend! Und wünsche allen schon mal einen herzlichen Happy Dashain!