23. Januar 2020 „Wenn das Eis schmilzt... Umwelt und Frieden zusammen denken.“
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Damen und Herren,
zwei Grad mehr, was ist das schon. Das klingt nach nicht viel.
Aber eine um zwei Grad wärmere Welt wird dramatisch anders sein – und sie wird die Menschheit vor riesige Herausforderungen stellen. Der Sonderbericht des Weltklimarates ist alarmierend: Seit Ende des 19. Jahrhunderts haben sich die Landmassen unserer Erde um 1,5 Grad erwärmt.
Schon jetzt sehen und spüren wir die Folgen. Nicht nur hier in Deutschland mit zwei sehr trockenen und warmen Sommern in Folge, sondern auch in anderen Teilen unserer Erde, wo ehemals fruchtbare Landschaften zu Wüsten werden. Dürren und Hitzewellen nehmen weltweit zu – 500 Millionen Menschen leben in diesen Gebieten. Der Klimawandel findet bereits statt!
Was bedeutet das für die Menschen?
Hier bei uns haben die Bauern teilweise sehr schlechte Ernten eingefahren. Die Auswirkungen für den Verbraucher und die Verbraucherin bleiben aber gering. In anderen Teilen Deutschlands oder Europas wurde genug geerntet, durch funktionierenden Handel und nicht zuletzt unseren Wohlstand sind bei uns immer genügend Nahrungsmittel in den Supermarktregalen.
Nicht so anderswo - da bedeutet Missernte Hunger!
Der Klimawandel ist schon jetzt für einen großen Teil des Hungeranstiegs verantwortlich. In Zukunft wird sich dies weiter verschärfen. Die Zahl der Hungernden ist zum dritten Mal in Folge auf 822 Millionen Menschen gestiegen. Besonders dramatisch ist es in Sub-Sahara-Afrika. Hier ist jeder fünfte chronisch unterernährt.
Hinzu kommt der Mikronährstoffmangel, der bei 150 Millionen Kindern zu Wachstumsverzögerung führt. Das heißt: Diese Menschen sind ihr Leben lang gehandicapt – bezüglich ihrer körperlichen und ihrer geistigen Leistungsfähigkeit.
Klimawandel bedeutet: reales Risiko einer Hungerkrise! Ernteerträge von Grundnahrungsmitteln wie Reis, Mais, Weizen könnten durch den Klimawandel um bis zu 30 Prozent sinken. Geringere Erträge werden die Preise für Nahrungsmittel hochtreiben. Schon jetzt geben die Ärmeren bis zu 90 Prozent ihres Einkommens für Nahrung aus.
Klimawandel und Umweltzerstörung erhöhen noch den Ressourcendruck. Die Weltbevölkerung wächst und ein Viertel der Böden sind schon heute degradiert, das heißt unfruchtbar. Eine Million Tier- und Pflanzenarten sind bedroht. Die Kriege der Zukunft werden sich um Wasser, Ackerland und andere Rohstoffe drehen.
Keine Science Fiction! Bereits heute gibt es 2.500 Ressourcen-Konflikte – auch der Bürgerkrieg in Syrien begann mit Missernten!
Laut Weltbank werden bis 2050 circa 140 Millionen Menschen ihr Zuhause aufgrund des Klimawandels verlieren. Und selbst wenn nur ein Bruchteil nach Europa käme, wären es deutlich mehr als während der Flüchtlingswelle 2015. Es könnten aber auch 80 Prozent weniger sein. Wenn wir alle ehrgeizig handeln!
Denn das Wissen, was getan werden muss, ist da. Und wie Friedensnobelpreisträger Dominique Pire gesagt hat: „Ohne Wissen zu handeln, ist Torheit. Mit Wissen nicht zu handeln, ist Feigheit.“
Erstens müssen wir das Klima noch viel besser schützen! Wir brauchen eine globale Energiewende! Der Ausbau der erneuerbaren Energien kommt weltweit zu langsam voran. Ihr Ausbau muss nicht nur bei uns, sondern gerade auch in Entwicklungs- und Schwellenländern passieren.
Dabei unterstützt das Entwicklungsministerium: Die Solarpartnerschaft mit Indien läuft und eine Milliarde Euro wurde beigesteuert. Das modernste Solarkraftwerk der Welt produziert grünen Strom für mehr als eine Million Menschen - in Marokko. Allein mit öffentlichen Geldern aber sind die Klimaziele nicht zu erreichen! Jeder muss mitziehen: Unternehmen, Institutionen, Privatpersonen.
Deshalb hat Minister Müller die „Allianz für Entwicklung und Klima“ ins Leben gerufen. Mehr als 460 Unternehmen, Institutionen und Nichtregierungsorganisationen sind schon dabei. Das Ziel ist es klimaneutral zu werden. Ich wünsche mir, dass noch viel mehr Organisationen und Unternehmen mitmachen. Information gibt es auf unserer Webseite oder gern auch im Anschluss bei mir.
Zweitens müssen wir die Folgen des Klimawandels abfedern. Darum machen wir Kleinbauern klimaresilient. Gemeinsam mit der Gates Foundation erreichen wir so bis zu 300 Millionen Menschen, zum Beispiel mit besserem Saatgut und Wassermanagement sowie der Entwicklung lokaler Wertschöpfungsketten. Höhere Einkommen schützen gegen Krisen!
Wir unterstützen eine weitsichtige Klimapolitik. Deutschland unterstützt 63 Partnerländer in ihren nationalen Anpassungsprozessen. Durch den Austausch von Wissen, technischer Hilfe und mit besserer Koordinierung der internationalen Geber. Wir sind zudem Teil der globalen Partnerschaft für Finanzierungs- und Versicherungslösungen für Klima- und Katastrophenrisiken: Denn zurzeit sind nur fünf Prozent aller Schäden durch Umweltkatastrophen in Entwicklungsländern versichert. Ganz anders als bei uns, wo über zwei Drittel der Flächen durch eine Sturm- und Hagelversicherung abgesichert sind. Deshalb bieten wir Unterstützung durch Klimarisikofinanzierung! 200 Millionen Dollar sind bereits ausgezahlt – bis 2025 wollen wir 500 Millionen Menschen erreichen!
Drittens brauchen wir noch mehr Krisenprävention und Friedensförderung. Denn wo Krieg ist, wird nicht gesät und nicht geerntet, es findet kein Handel, keine positive Entwicklung statt – umgekehrt gilt aber auch: ohne Entwicklung, kein dauerhafter Frieden.
Den erreichen wir nur, wenn Menschen ihre materielle Not überwinden und Zukunftsperspektiven haben. Notwendig ist eine vorausschauende Friedens- und Sicherheitspolitik, die die Würde, das Wohlergehen und die Zukunftsperspektiven jedes einzelnen Menschen in den Mittelpunkt stellt. Das bedeutet, Entwicklungspolitik ist die beste Krisenprävention und vorausschauende Friedenspolitik.
Investitionen in nachhaltige Entwicklung, auch mehr Klimaschutz und Klimaanpassung, sind Investitionen in Frieden und Sicherheit. Das BMZ investiert daher mittlerweile mehr als 2,5 Milliarden Euro pro Jahr in den Bereich Frieden und Sicherheit.
Im Zeitalter der Globalisierung kommt es aber nicht nur auf die Entwicklungszusammenarbeit an, sondern auch auf unser ganz konkretes Handeln vor Ort – hier in Dresden genauso wie bei mir zu Hause in Hannover.
Entwicklungspolitik muss deshalb immer auch globale Nachhaltigkeitspolitik sein und schaut aus diesem Grund besonders auf die deutsche EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte. In welcher wir uns für ein nachhaltiges Europa in der Welt einsetzen: Klimaschutz, faire Lieferketten, und in dem Sinne globale Gerechtigkeit!
Deshalb bitten wir Sie um Ihre Unterstützung, wir brauchen Sie alle: Bürgerinnen und Bürger, Kommunen, Wirtschaft, Wissenschaft, Kirchen.
Seien Sie dabei, im Kleinen wie im Großen!
Vielen Dank!