14. März 2019 Joining Forces to Leave No One Behind – Armut beenden und Ungleichheit reduzieren bis 2030

Rede von Dr. Maria Flachsbarth, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, bei der OECD-BMZ-Dialogveranstaltung in Berlin

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Frau Moorehead,
sehr geehrte Damen und Herren,

ich war am Wochenende im Supermarkt. Dort gibt es nur noch Fairtrade-Bananen. Etwas teurer, aber dafür können die Bauern von ihrem Lohn leben. Wo es Bananen für weniger als einen Euro das Kilo gibt, da weiß ich: den wahren Preis bezahlt jemand anders, zum Beispiel Kinder in Ecuador oder Mexiko.

Faire Produkte zu fairen Arbeitsbedingungen sind ein Schritt in Richtung gerechter Globalisierung. Es gibt noch viele andere nötige Schritte hin zu einem Leben in Würde für alle Menschen, in den Grenzen unseres Planeten. Die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Agenda 2030 sind gemeinsame Leitplanken.

„Niemanden zurücklassen“ – diesen Auftrag aus der Agenda 2030 haben wir nicht erfüllt,

  • … solange Kinder zwölf Stunden auf Plantagen schuften, damit wir billig einkaufen können,
  • … solange eine Näherin in Bangladesch in ihrem ganzen Leben so viel verdient wie der Topmanager eines Modekonzerns in gerade einmal vier Tagen;
  • … solange zehn Prozent der Weltbevölkerung die Hälfte der Treibhausgase verursachen,·und der Klimawandel in den ärmsten Ländern Existenzen zerstört.

Armut und Ungleichheit sind Menschheits-Herausforderungen!

Es gibt Licht, große Fortschritte: Extreme Armut ist so niedrig wie noch nie. Seit 1990 konnte sich eine Milliarde Menschen aus Armut befreien. Das ist ein riesiger Erfolg!

Aber es gibt auch Schatten. Bei weitem nicht alle haben profitiert. Fast 740 Millionen Menschen leben von weniger als 1,90 US-Dollar am Tag, jeder zweite davon in Subsahara-Afrika. Und die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander: Eine Hälfte der Weltbevölkerung – die ärmere Hälfte! – verfügt über weniger als ein Prozent des globalen Vermögens. Zwei Drittel aller extrem Armen leben heute in Mitteleinkommens-Ländern.

Zieljahr der SDGs ist 2030 – das klingt weit weg, aber das sind nur noch gut zehn Jahre! Wenn wir das Tempo und unser Engagement nicht erhöhen, werden im Jahr 2030 knapp 90 Prozent der Armen in Subsahara-Afrika leben – abgehängt in Folge von Bürgerkriegen, digitaler Kluft, Klimawandel. 140 Millionen Menschen könnten ihre Heimat wegen des Klimawandels verlieren, 100 Millionen zusätzlich verarmen.

Wir als Industrieländer tragen Verantwortung:

  1. für die globalen Auswirkungen unseres Handelns, unseres Wirtschaftens. Und
  2. dafür, Entwicklungsländer zu unterstützen, sich nachhaltig zu entwickeln.

Bislang profitieren vor allem wir von niedrigen Löhnen und billigen Ressourcen.

Was muss Entwicklungspolitik tun, damit alle Menschen Zukunftsperspektiven bekommen?

Ich nenne drei grundsätzliche Zielrichtungen:

Gezielte Politik für die Ärmsten und Schwächsten einer Gesellschaft, zum Beispiel beim Zugang zu Bildung, Gesundheit, sozialer Sicherung, gesunder Ernährung. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit hat hier deutliche Erfolge erzielt: 15 Millionen Menschen in Entwicklungsländern profitieren von Ernährungsprogrammen, 350 Millionen von besserem Krankenversicherungsschutz.

Entwicklungspolitik muss dazu beitragen, Ungleichheiten zu reduzieren, zum Beispiel durch faire, transparente Steuersysteme und die Bekämpfung von Steuerflucht. Jährlich fließen 50 Milliarden Dollar illegal aus Afrika ab – so viel wie ODA hineinfließt.

Und Entwicklungspolitik muss Chancengleichheit und Teilhabe fördern – sozial, wirtschaftlich und politisch. Menschenrechte und die Gleichstellung der Geschlechter sind nicht verhandelbar!

Was tut deutsche EZ konkret, damit „leave no one behind“ Wirklichkeit wird?

Wir legen einen Schwerpunkt auf den afrikanischen Kontinent. Denn dort konzentriert sich Armut: Nigeria überholt Indien gerade als Land mit den zahlenmäßig meisten extrem Armen – bei einem Siebtel der Bevölkerung! Zwei von drei Afrikanern sind jünger als 25 Jahre. Diese jungen Menschen brauchen Jobs, Einkommen, Perspektiven in ihrer Heimat.

Neue Herausforderungen erfordern neue Antworten!

Liebe Frau Moorehead, Sie wollen, dass die OECD innovativ und zukunftsgerichtet wird – das begrüße ich! Denn mit den alten Rezepten kommen wir nicht schnell genug weiter.

Drei Bereiche sind zentral:

1. Afrika braucht mehr Privat-Investitionen für Jobs vor Ort, lokale Wertschöpfung, 'Made in Africa'!

Die deutsche Wirtschaft hat den Zukunftsmarkt Afrika noch nicht entdeckt. Deutsche Investitionen nach Afrika machen nicht einmal ein Prozent aus – das ist viel zu wenig!

Mein Appell an Deutschland, an Europa: 'Auf nach Afrika'! Und zeigen: Wir bringen Mehrwert. Unsere Unternehmen bringen Standards mit: für Ausbildung, Umweltschutz, gute Arbeitsbedingungen, lokales Wachstum. Davon profitieren auch die Schwächeren.

Mit unserem Entwicklungs-Investitionsfonds fördern wir kleine und mittlere Unternehmen aus Deutschland, Europa und Afrika. Insgesamt eine Milliarde Euro stellen wir bereit.

2.Aber auch Afrika muss mehr leisten!

Dafür steht unser Marshallplan mit Afrika. Wir unterstützen in Zukunft gezielt die Länder, die Reformen umsetzen. Das strahlt auf die ganze Region ab. Wir schaffen Chancen für die Ärmsten: über Bildung, Energie, Korruptionsbekämpfung.

3. Und drittens muss die internationale Gemeinschaft ihre Hausaufgaben machen!

Die EU muss sich dafür einsetzen, dass die am wenigsten entwickelten Länder von Handel profitieren – global und regional. Fairer Handel löst Entwicklungssprünge aus!

Mit den G20 müssen wir dafür sorgen, Steuerflucht und illegale Finanzströme weltweit einzudämmen. Ein wichtiger Beitrag dazu ist die OECD-G20-Initiative gegen Gewinnverlagerung (BEPS).

Profit darf nicht über Menschenrechten und Umweltschutz stehen!

Wir brauchen Fairness in globalen Lieferketten! Textilbündnis: 130 Unternehmen, NGOs, Gewerkschaften, Standardorganisationen. Und wenn freiwillige Regelungen nicht ausreichen, brauchen wir gesetzliche. Am besten gemeinsam, innerhalb der EU.

Sich für die Schwächsten einzusetzen, heißt hier unter anderem: Kinderarbeit bekämpfen! Jedes zehnte Kind auf der Welt muss arbeiten. Wir gehen das in der Bundesregierung gemeinsam mit anderen Ressorts an.

Niemanden zurücklassen: Das ist unser Auftrag, unsere Verantwortung.Gegenüber den Menschen in unseren Partnerländern und gegenüber kommenden Generationen.