30. Januar 2020 Zusammenarbeit mit Afrika

Rede von Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller beim Treffen mit afrikanischen Botschaftern in Berlin

Es gilt das gesprochene Wort!

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

liebe Gäste,

Exzellenzen,

Afrika ist der Kontinent der Zukunft! „Das erste Smartphone 'Made in Africa'“, titeln Frankfurter Allgemeine Zeitung und andere. „Äthiopien bricht Weltrekord im Bäumepflanzen“, berichtet der Spiegel. Investitionen in Tech-Start-ups brechen einen Rekord: 500 Millionen US-Dollar, das sind fast 50 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Zahl der Mobilfunknutzer in Afrika ist in zehn Jahren um 350 Prozent gewachsen. Heute sind es 800 Millionen Nutzer. Afrika wird bis 2030 die Hälfte seines Stroms aus erneuerbaren Quellen beziehen – in Europa wird es nur ein Drittel sein! Diese Chancen müssen wir vervielfältigen, um Afrikas Herausforderungen anzugehen. Wir unterstützen dabei.

Ich habe Ihnen eine neue Afrikapolitik versprochen: Für mehr Partnerschaft auf Augenhöhe, mehr Investitionen, mehr Impulse für wirtschaftliche Entwicklung auf Ihrem Kontinent. Dazu haben wir den Marshallplan mit Afrika aufgesetzt: mit Afrika, nicht für Afrika. Dafür setze ich mich auch in der EU ein.

Deshalb steht Afrika im Mittelpunkt der deutschen EU-Ratspräsidentschaft 2020. Wir brauchen einen Jahrhundertvertrag zwischen Afrika und Europa, eine Investitions- und Innovationsoffensive mit einer Zielgröße von 100 Milliarden Euro Privatinvestitionen.

Wir müssen die EU-Afrika-Politik in Kernbereichen neu ausrichten: bei Hunger und Armut, bei Energie, bei Klimaschutz und -anpassung, bei Frieden und Sicherheit und bei Handel und fairen Lieferketten. Unsere Entwicklungspolitik bietet Unterstützung an.

1. Wir helfen, die Rahmenbedingungen für Investitionen zu verbessern.

Wir arbeiten gezielt mit Reformpartnern: Nach Tunesien, Ghana und Côte d'Ivoire sind jetzt auch Äthiopien, Marokko und Senegal Reformpartner.

Wir unterstützen – aber wir fordern auch ein. Wir erwarten ehrgeizigen Reformwillen, Rechtssicherheit, effiziente Verwaltungen, Korruptionsbekämpfung. Notwendig sind konkrete Fortschritte in all diesen Bereichen. Denn auch Ihre Regierungen können mehr leisten.

Gute Regierungsführung und Reformen zahlen sich aus. Unsere Reformpartner haben ihren Wert im „Doing Business Index“ der Weltbank verbessert, so wie Senegal, Elfenbeinküste und Äthiopien im Korruptionswahrnehmungsindex. Aber Transparency International stellt auch fest: Es gibt weltweit zu wenig Fortschritte bei der Beseitigung von Korruption. Da müssen wir alle mehr tun – auch in Afrika!

2. Wir fördern nachhaltige Investitionen.

Unter zwei Prozent der deutschen Auslandsinvestitionen gehen nach Afrika. Das ändern wir mit unserem Entwicklungsinvestitionsfonds. Er stellt bis zu einer Milliarde Euro für deutsche, europäische und afrikanische Unternehmen, für Jobs, Innovation, Wachstum bereit. Die ersten Verträge sind schon unterzeichnet.

Wir wollen auch den Afrikanischen Mittelstand stützen. Wir verbessern den Zugang zu Wachstums- und Wagniskapital für Unternehmen vor Ort. Wir stellen Kapital bereit für innovative Ideen von Unternehmen aus Afrika selbst.

Der G20 Compact with Africa internationalisiert diesen Ansatz. Zwölf Länder sind schon dabei. Bei der großen Afrika-Konferenz im letzten Jahr haben wir wichtige neue Investoren gewonnen.

3. Wir investieren in Beschäftigung.

Mit der Sonderinitiative Ausbildung und Beschäftigung fördern wir Investitionsstandorte, wo viele Jobs entstehen können, zum Beispiel Industrieparks. In fünf Jahren sollen 100.000 Arbeits- und 30.000 Ausbildungsplätze entstehen. Ziel bis Ende des Jahres sind Industriecluster in den acht Partnerländern der Initiative und 70.000 Jobs.

In Tunesien haben wir eine Partnerschaft mit vier deutschen Automobilzulieferern geschlossen. Diese richten einen Studiengang für die Ausbildung von Fachkräften ein. Die Unternehmen können so ihre Produktion ausbauen und schaffen 7.500 neue Arbeitsplätze.

In Senegal prüfen wir mit dem deutschen Bundesverband mittelständische Wirtschaft die Voraussetzungen für Arbeitsplätze im Agrobusiness und Metallbau. In zwei Tagen werde ich nach Nigeria, Sudan und Ägypten fahren und ein Berufsbildungszentrum in Nigeria eröffnen. In Ägypten haben wir bereits eine erfolgreiche Kooperation mit Siemens.

4. Wir fördern fairen Handel und nachhaltige Lieferketten.

Umwelt- und Menschenrechtsstandards müssen weltweit Wirklichkeit werden. 50 Cent Tageslohn auf Kaffee- oder Kakaoplantagen reichen nicht zum Leben. Deshalb setze ich mich auch für ein europäisches Sorgfaltspflichtengesetz ein.

Afrikanische Produkte brauchen außerdem besseren Marktzugang in Europa. Mit unserem Aid-for-Trade-Programm unterstützen wir dabei, europäische Standards zu erfüllen. Langfristig sollte es ein Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Afrika geben. Und auch die Afrikanische Freihandelszone ist eine Chance. Sie kann ein Markt für mehr als eine Milliarde Menschen werden und den innerafrikanischen Handel um 25 Prozent steigern. Davon werden die Menschen vor Ort profitieren!

5. Wir lassen niemanden zurück.

Wir stehen zu unseren Verpflichtungen gegenüber den Ärmsten und Bedürftigsten. Eine Welt ohne Hunger ist möglich! Dafür setzen wir uns ein. Wir fördern klima-angepasste Landwirtschaft und mehr Wertschöpfung vor Ort.

6. Afrika kann der Grüne Kontinent werden.

Afrikas Bedarf an Energie wird bis 2040 um 80 Prozent steigen. Den dürfen wir nicht mit Kohle decken. Die EU sollte eine Energie- und Klimapartnerschaft für erneuerbare Energien in Afrika auflegen. Eine wichtige Technologie wird Power-to-X werden, grüner Wasserstoff aus erneuerbarer Energie. Afrika hat mit seinem riesigen Potenzial für erneuerbare Energie hier Standortvorteile. Das schafft Chancen: auf Arbeitsplätze und wirtschaftliche Entwicklung vor Ort, für Klimaschutz und grüne Energie.

7. Wir müssen die Chancen der Digitalisierung nutzen.

Denn Entwicklung braucht Innovation. 3D-Druck für Ersatzteile, Drohnen zur Lieferung von Medikamenten, Blockchain für elektronische Verwaltung – daran arbeiten wir in und mit Afrika bereits. Unsere Wissensplattform „Africa Cloud“ bringt mit E-Learning Wissen und Information auch in entlegene Gegenden. Gemeinsam mit unseren Partnern in der EU wollen wir afrikanische Datenmärkte fördern.

8. Wir bauen unsere Zusammenarbeit mit der Afrikanischen Union aus.

Die AU hat eine unverzichtbare Rolle für den gesamten Kontinent. Wir unterstützen ihren Reformprozess. Bei der Förderung von Frieden und Sicherheit bleibt Deutschland Ihr verlässlicher Partner.

Denn Afrika ist unser Nachbar und globaler Partner. Ich freue mich, dass die neue Kommissionspräsidentin von der Leyen die Bedeutung Afrikas ebenso hoch erachtet wie ich und ihre erste Auslandsreise sie nach Addis Abeba zur AU führt.

2020 muss das Jahr der Taten werden! Taten für wirksamen Klimaschutz und Anpassung an die Folgen des Klimawandels – der europäische Green Deal muss auch nach Afrika reichen. Taten braucht es aber auch für die Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung – weltweit – und für die Umsetzung der Agenda 2063 der Afrikanischen Union.

Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten! Lassen Sie uns in diesem Jahr die Weichen der EU-Afrika-Partnerschaft für den Rest des Jahrhunderts stellen!