12. Februar 2020 Rede von Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller beim 6. Zukunftsforum „Globalisierung Gerecht Gestalten“

„Afrikas Kreativität – Afrikas Reichtum: Zukunftsmarkt Kultur“ in Berlin

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Frau Staatsministerin Grütters,

sehr geehrte Damen und Herren,

herzlich willkommen im Theatersaal des Hebbel am Ufer!

Hier wurde durch den bekannten Theaterarchitekt Oskar Kaufmann bereits 1908 der Grundstein gelegt für eine internationale Produktions- und Gastspielstätte mit den neuesten Werken aus Theater, Tanz und Performance. Daher freue ich mich besonders, Sie heute an diesem Berliner Traditionsort des kreativen Austauschs zu begrüßen!

„Afrikas Kultur – Afrikas Reichtum“, diesen Titel haben wir bewusst gewählt. Denn Afrika ist reich! Nicht nur an Bodenschätzen, an einmaliger Flora und Fauna, sondern auch reich an Vielfalt: über 2.000 Sprachen, jahrtausendalte Kulturen, Geschichte und Geschichten. Reich an Potenzial: In Afrika wächst die größte Jugendgeneration aller Zeiten auf, das Durchschnittsalter liegt bei siebzehn Jahren. Das bedeutet: Energie, Dynamik, neue Ideen! Afrika ist reich an kreativen Talenten: Heute Abend werden Sie einige von ihnen kennenlernen.

Dieser Reichtum Afrikas war aber immer auch eine Versuchung. „Afrika ist reich – ihr habt es arm gemacht“, mit dieser Botschaft konfrontierte mich unlängst ein afrikanischer Politiker – und es war sein Recht, es so zu sehen. Für die Aufarbeitung unserer Kolonialgeschichte müssen wir neue Wege gehen. Denn: ohne Erinnerung keine Zukunft.

Die Aufarbeitung des deutschen Kolonialismus gehört nicht nur zum demokratischen Grundkonsens unseres Landes, sie ist eine besondere Verantwortung, die wir wahrnehmen – auch und gerade in der Entwicklungspolitik. Wir wollen und wir müssen aus der Geschichte lernen für die heutigen Beziehungen.

Wir wollen nach vorne blicken, ohne die Vergangenheit zu vergessen – wir setzen auf Partnerschaft und Freundschaft. Das habe ich auch bei meinem letzten Besuch in Namibia im August 2019 betont.

Deswegen investieren wir jährlich mit unserer Deutsch-Afrikanischen Jugendinitiative in den Austausch von 1.000 jungen Menschen. Und wir starten in Kenia, Senegal, Marokko und Südafrika eine Ausbildungsinitiative Kultur & Kreativwirtschaft, um Museumsexperten und Kulturmanager auszubilden und vor Ort zu unterstützen.

Denn neben der Rückgabe von Kulturgut geht es auch um die richtige Einordnung, Vermittlung und natürlich Konservierung von Kulturgütern. Durch die Digitalisierung bieten sich hier neue Chancen für einen erleichterten Zugang. Digitalisierung, Innovation und Zukunftsperspektiven – all dies benötigt Kreativität!

Sie ist universelle Ressource für Wachstum und nachhaltige Entwicklung, insbesondere in Afrika. Immer wieder finden gerade junge Kreativexperten neue Lösungen und entwickeln daraus erfolgreiche Geschäftsmodelle. Die Kreativwirtschaft ist einer der am schnellsten wachsenden Zukunftsmärkte. Er bietet Chancen, Jobs, Einkommen für die Jugend.

2017 wuchsen die Kreativbranchen um zehn Prozent – besonders stark in Nordafrika. Ein Beispiel ist die Filmbranche Nigerias. „Nollywood“ hat einen jährlichen Umsatz von circa einer Milliarde US-Dollar – eine Wirtschaftskraft fast genauso hoch wie die nigerianische Landwirtschaft. Zudem werden hunderte neuer Jobs geschaffen. Nigeria hat sogar den am schnellsten wachsenden Unterhaltungssektor weltweit.

Deshalb fördern wir ganz konkret Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten in der Kultur- und Kreativwirtschaft. In Südafrika entwickeln wir gemeinsam mit der dortigen Handelskammer digitale Weiterbildungsprogramme für Designer. Es geht um Produktverbesserung, Marketing und Unterstützung bei Vertragsverhandlungen. Ziel ist die Exportreife der Produkte. In Marokko setzen wir uns gemeinsam mit der UNESCO für die Förderung der Musikwirtschaft entlang der gesamten Wertschöpfungskette ein, vom Unterricht bis zum Plattenvertrag.

In Kenia und Ruanda haben wir mehr als 1.400 Filmschaffende ausgebildet. Der Erfolg ist eine bessere Qualität der Produktionen, steigende Verkaufserlöse, und das Einkommen der Beteiligten hat sich um 50 Prozent erhöht. Hierbei haben wir prominente Unterstützung von bekannten Filmregisseuren wie Tom Tykwer in Kenia oder Volker Schlöndorff in Ruanda.

Gemeinsam mit Tom Tykwer und der Deutschen Welle Akademie fördern wir die praktische Arbeit von Filmschaffenden aus Ost-Afrika, direkt am Set. So ist nicht nur ein neuer Arbeitsmarkt Filmwirtschaft entstanden, sondern bereits neun Filme. Alle Filme wurden Box-Office-Hits in Kenia. Auch der neueste kenianische Film aus unserer Kooperation – „Lusala“ – hat das Zeug, Menschen rund um den Globus zu begeistern und Botschafter seines Landes, seiner Kultur zu sein.

Sie merken, Afrika liegt klar im Trend. Die Nachfrage nach „Content“ vom afrikanischen Kontinent bei Film, Musik, Mode ist groß, nicht zuletzt auf Netflix. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Sie ist wertvolle Ressource für Chancen, Jobs und Einkommen. Weltweit arbeiten ebenso viele Menschen in der Kreativwirtschaft wie in der Automobil- oder Chemieindustrie.

Afrika ist ein Chancenkontinent – und die Kreativbranche sein bestes Aushängeschild: jung, innovativ, kreativ. Deshalb lade ich Sie ein, seien Sie mit uns Pioniere, Wegbereiter, Entdecker und Investoren!

Ich freue mich nun tolle Einblicke in aktuelle afrikanische Produktionen aus Film, Literatur, Musik und Mode. Herzlichen Dank!