21. Januar 2020 Rede von Bundesentwicklungsminister Gerd Müller beim Neujahrsempfang des BMZ
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Damen und Herren,
Globalisierung muss gerechter werden! Globalisierung ist nicht neu: Chinesische Seefahrer gelangten schon im 15. Jahrhundert nach Madagaskar, und im 18. Jahrhundert organisierten die Ostindischen Kompanien den Handel Europas mit Indien und Ostasien.
Heute bedeutet Globalisierung: Fünf Billionen US-Dollar werden an den Devisenmärkten gehandelt – pro Tag! Im Hamburger Hafen legt das weltgrößte Containerschiff mit 150 Millionen Paar Schuhen an. 90 Prozent unserer Kleidung werden in Asien hergestellt, 60 Prozent des Kobalts in Handys und Computern kommen aus dem Kongo, 80 Prozent des Soja für Viehzucht in Europa stammen aus Südamerika.
Eine halbe Milliarde Menschen arbeitet in globalen Lieferketten – oft unter sklavenähnlichen Umständen, damit unsere Produkte billiger werden.
Das bedeutet Leid auf einer Seite, Verschwendung auf der anderen: Während 822 Millionen Menschen hungern, werden in der Europäischen Union jährlich 88 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen. 72 Millionen Kinderarbeiter weltweit schuften unter ausbeuterischen Bedingungen.
Lieferketten müssen fair werden: Das ist die soziale Frage des 21. Jahrhunderts!
Beispiel Bananen: Bei konventionellen Bananen kommen nur 13 Prozent des Verkaufspreises bei den Produzenten an, bei Fairtrade-Bananen sind es 43 Prozent. Beispiel Schokolade: Von den 90 Tafeln Schokolade, die wir in Deutschland im Jahr essen, bekommen Kakaobauern in Westafrika nur 4 Cent pro Tafel.
Freiwilligkeit hat uns einen Schritt weitergebracht. Einige Unternehmen sind die Vorreiter. Ich habe mit den großen Einzelhändlern in Deutschland, die etwa 65 Prozent Marktanteil in Deutschland halten, eine Erklärung unterzeichnet. Sie werden sich für Mindeststandards und Einkommen sichernde Löhne für ihre Produkte einsetzen.
Solche Initiativen zeigen Wirkung! Den Anteil an nachhaltig hergestelltem Kakao konnten wir mit dem Forum Nachhaltiger Kakao von 3 auf 62 Prozent steigern. Unser Ziel sind 100 Prozent.
Aber wir stoßen an Grenzen, etwa im Textilmarkt. Eine Jeans kostet in der Produktion fünf Euro, verkauft wird sie hier für 100 Euro. Bei dieser Gewinnspanne müssen Fairness und Nachhaltigkeit drin sein! Das Textilbündnis arbeitet sehr erfolgreich, aber bisher machen zu wenige mit; wir kommen nicht über 50 Prozent der Unternehmen.
Wir wollen, dass Nachhaltigkeit Standard wird. Denn nur so haben Unternehmen gleiche Wettbewerbsbedingungen, ein level-playing field. Deshalb arbeiten wir jetzt an einem Sorgfaltspflichtengesetz. Viele Unternehmen fordern jetzt selbst eine solche Regelung. Im Dezember haben sich 42 Unternehmen öffentlich für ein Gesetz ausgesprochen.
Wir brauchen auch mehr Fairness und Nachhaltigkeit im Konsum. Unser Konsum geht weit über die planetaren Grenzen. Jedes zweite Supermarktprodukt wird mit Palmöl etwa aus Asien gestreckt. Allein die Fleischproduktion in der EU verbraucht 13 Millionen Hektar Anbaufläche. Das treibt Entwaldung und damit den Klimawandel. Etwa 20 Prozent der globalen Treibhausgase entstehen durch Waldverlust. Jährlich werden 12 Millionen Hektar Tropenwald gerodet, 20 Prozent davon allein für Soja-Plantagen.
Was wir jetzt tun müssen:
- Wir brauchen entwaldungsfreie Lieferketten. Daran arbeiten wir gemeinsam mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft.
- Wir dürfen nicht zulassen, dass für unsere Produkte Menschen ausgebeutet werden. Da stehen auch Unternehmen und Verbraucher in der Pflicht.
- Und wir brauchen Nachhaltigkeitskriterien in allen Handelsabkommen der EU. Standards für Menschenrechte und Umweltschutz dürfen nicht nur auf dem Papier stehen, entscheidend ist die Umsetzung!
Lassen Sie uns gemeinsam an diesen Herausforderungen arbeiten. Damit Globalisierung für alle gerecht wird.