10. Oktober 2019 „Afrika als Chance begreifen“

Rede von Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller beim 3. Bodensee Business Forum in Friedrichshafen

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Damen und Herren,

in Afrika liegt unser Ursprung: Lucy. Vor 40.000 Jahren kamen die ersten Menschen aus Afrika nach Europa. In Afrika liegt auch unsere Zukunft: Europa ist Afrikas Nachbarkontinent. Afrikas Herausforderungen heute können morgen auch zu unseren werden, aber Afrikas Chancen ebenso!

Diese Megatrends bestimmen die Welt: Globalisierung, Digitalisierung. Bevölkerungswachstum, Klimawandel.
Die Globalisierung hat die Welt vernetzt wie nie, über Waren, Informationen, Dienstleistungen. – Aber Afrika hat daran wenig Anteil, mit nur zwei Prozent des Welthandels.

Digitalisierung ist eine Chance: Künstliche Intelligenz, Blockchain und 3-D-Druck können Quantensprünge für Entwicklung auslösen. – Aber erst die Hälfe der Menschheit ist online.

Die Weltbevölkerung wächst voraussichtlich auf zehn Milliarden bis 2050, zu 90 Prozent in Entwicklungsländern, und es wird 50 Prozent mehr Nahrung nötig sein.

Der Klimawandel sorgt für knappere Ressourcen: Wir brauchen dann Nahrung, Wasser und Energie für zehn Milliarden Menschen. Dabei leben heute 600 Millionen Menschen in Afrika ohne Strom. Für deren Versorgung wären rund 1.000 Kohlekraftwerke nötig. – Das wäre eine Katastrophe für die Menschheit.

Diese Trends können Herausforderungen sein, aber wir können sie zu Chancen machen auf dem Chancenkontinent Afrika!

Afrika ist nicht arm, Afrika ist reich: 42 von 54 Ländern haben mehr Wirtschaftswachstum als Deutschland. Afrika besitzt 89 Prozent der weltweiten Vorkommen, unter anderem an Kupfer, Kobalt und seltenen Erden. Ohne Afrika gäbe es keine Smartphones, keine Computer. Mit 675 Millionen Hektar Wald und 60.000 Pflanzenarten ist Afrika existenziell für das globale Ökosystem, und der Kontinent hat riesiges Potenzial für erneuerbare Energien.

Die afrikanische Gegenwart sieht jedoch noch immer so aus: Afrika verkauft vor allem Bodenschätze und Agrar-Rohstoffe. Verarbeitet werden diese Produkte in den Industrieländern, daher fehlt es an Wertschöpfung vor Ort.

Die Zukunft Afrikas muss anders aussehen! Wir brauchen mehr „Made in Africa“, mehr Wertschöpfung, mehr eigene Lösungen, die direkt auf den Bedarf vor Ort abgestimmt sind. Dazu können wir mit Entwicklungspolitik und Sie mit wirtschaftlichem Engagement beitragen!

Was wir brauchen, sind gute politische Rahmenbedingungen, mehr private Investitionen, funktionierende Märkte, Innovation und eine Entwicklung, die von Anfang an nachhaltig ist.

1. Afrika zu ignorieren, kann sich heute keiner mehr leisten!

Afrika ist Dynamik: Sechs der elf am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt liegen dort. In Marokko steht das weltgrößte Solarkraftwerk, und in Äthiopien boomen Textil- und Lederfirmen. Fünf afrikanische Staaten zählen im Weltbank-Index zu den Top-Zehn-Reformländern für „Starting a Business“. Viele Regierungen zeigen neuen Willen zu guter Regierungsführung und zum Kampf gegen die Korruption. Das ist die Basis für Ihre Investitionen.

Wir arbeiten gezielt mit unseren Reformpartnern zusammen. Zu diesen zählen: Äthiopien, Ghana, Côte d'Ivoire, Marokko, Senegal und Tunesien. Aber auch in Ruanda oder Ägypten, Namibia oder Südafrika können wir mit unserem Entwicklungsinvestitionsfonds unterstützen.

2. Investieren in Afrika soll auch für den Mittelstand attraktiv werden.

In Deutschland ist er das Rückgrat der Wirtschaft, aber nur 1.000 deutsche Firmen sind in Afrika engagiert, gegenüber 10.000 chinesischen! Deutschland ist nicht einmal unter den Top Zehn der Investoren in Afrika. Nur ein Prozent der deutschen Auslandsinvestitionen werden dort getätigt. Das wollen wir ändern! Denn die Nachfrage nach hochwertigen deutschen Produkten, Technologien und nach hohen Standards für Ausbildung und Arbeit, Umweltschutz und lokalem Wachstum ist hoch.

Da setzt der Entwicklungsinvestitionsfonds an: „AfricaConnect“ schließt eine Förderlücke. Deutsche und europäische Unternehmen sowie ihre Partner in Afrika investieren zwischen 750.000 und vier Millionen Euro. Wir flankieren mit Beratung, verlässlichen Ansprechstrukturen und Vernetzung.

Wir helfen, attraktive Investitionsstandorte zu erschließen, wo alles an einem Ort ist: qualifizierte Fachkräfte, verlässliche Prüflaboratorien, Zulieferer und Forschung. Wir fördern Gewerbe- und Industrieparks sowie Ausbildungs- und Job-Partnerschaften zwischen deutschen und afrikanischen Unternehmen.

3. Wir brauchen funktionierende Märkte vor Ort und eine Initiative für mehr lokale Wertschöpfung.

Deshalb ist die neue afrikanische Freihandelszone so wichtig. Bisher geschehen nur 17 Prozent des afrikanischen Handels zwischen den Ländern. In der Europäischen Union sind es 60 Prozent. Mit der neuen Freihandelszone kann ein Markt für über eine Milliarde Menschen entstehen – er wäre zweimal so groß wie die Europäische Union. Dafür braucht es Infrastruktur, Finanzierungslösungen und vor allem Fachkräfte. – Und wer könnte Berufsbildung besser als deutsche Unternehmen?

Die Lösungen kommen von Ihnen! Von Unternehmen mit Innovationskraft, mit Know-how und dem besten Ruf der Welt! Anders als die Konkurrenz aus Asien bringen deutsche Unternehmen hohe Standards mit: bezüglich Qualität, Umwelt- und Arbeitsschutz.

4. Wir brauchen auch digitale Innovationen.

Denn sie sind der Schlüssel für Jahrhundertsprünge! 3D-Druck für Ersatzteile, Drohnen zur Lieferung von Medikamenten, Blockchain für elektronische Verwaltung – an diesen Dingen arbeiten wir in Afrika bereits. In der Blockchain-Strategie der Bundesregierung haben wir festgelegt, ein Pilotenvorhaben für effizientere Zollverfahren und transparente Verwaltung in Afrika zu starten.

Digitale Lösungen werden in Afrika viel schneller angenommen als in Deutschland. Die Zahl der Internetnutzer in Afrika hat sich in fünf Jahren verdreifacht. In Afrika entstehen die Ideen und diese sind genau angepasst auf den Bedarf vor Ort: Wir unterstützen, indem wir mit europäischen Unternehmen vernetzen, zum Beispiel in der „Strategischen Partnerschaft digitales Afrika“ mit SAP.

5. Afrika muss zum grünen Kontinent werden! Hier entscheidet sich globaler Klimaschutz!

Bis zum Jahre 2030 wird Afrika 17 Städte mit mehr als fünf Millionen Einwohnern haben. In Afrika wird in den nächsten zehn Jahren mehr gebaut als in Europa in den letzten 100 Jahren. Das muss klimafreundlich geschehen! Auf dem Klimagipfel in New York haben sich Stahl- und Zementhersteller verpflichtet, CO2-neutrale Produktion marktreif zu machen.

Wir müssen in die Zukunft investieren: mit der globalen Energiewende, mit Technologietransfer, mit Innovationen wie Methanol und synthetischen Kraftstoffen. Methanol-Produktion in Afrikas Sonnenwüsten kann das Energie- und Klimaproblem lösen helfen und gleichzeitig Wertschöpfung und Arbeitsplätze für Afrikas Jugend schaffen. Solche Lösungen haben wir, solche Lösungen haben Sie!

Die Zeit ist reif für eine neue Dimension der Zusammenarbeit mit dem afrikanischen Kontinent. Wir brauchen afrikanische Antworten auf Afrikas Herausforderungen. Aus diesem Grund hat Deutschland den Marshallplan mit Afrika entwickelt. Damit unterstützen wir Eigenverantwortung und nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung, die bei den Menschen ankommt.

„In Afrika, da muss man einfach sein“, sagt Thomas Festerling von GreenTec Capital, Träger des Unternehmerpreises für Entwicklung 2017. Ich stimme Ihm zu.

Auf nach Afrika! Das ist mein Ruf an Sie.