16. Mai 2019 „Finanzielle Teilhabe organisieren – Wachstum und Stabilität ermöglichen“

Rede von Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller beim 26. Deutschen Sparkassentag in Hamburg

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Damen und Herren,

Sparkassen sind gut für Deutschland.

Sie sind die guten Seelen der Region, sie sind in jedem Dorf. Vielleicht trifft es ja doch zu: Geld regiert die Welt! Die Ursprünge des Geldes liegen in China: Dort wurde bereits im 11. Jahrhundert das Papiergeld erfunden. Aber die Zukunft liegt in Afrika: schon 30 Millionen Afrikaner nutzen M-Pesa zum mobilen Bezahlen. Ohne Bank, ohne Konto. Aber das ist nur die eine Seite. Die andere Seite, das sind die 1,7 Milliarden Menschen, die 350 Millionen Kleinunternehmen ohne Konto, ohne Bank, ohne Zugang zu Krediten.

Sparkassen und Genossenschaften wurden im 18. Jahrhundert gegründet genau für diese Menschen, für solche Art von Unternehmen. Es waren kommunale Kassen. Das Motiv war: kleine Anlagen schützen, kleine Kredite vergeben.

Bis heute sind die Sparkassen einmalig. Sparkassen sind gemeinnützig, regional, kommunal und am Gemeinwohl orientiert. Sie sind das Gegenmodell zur weltweiten Finanzgier, zu der – durch Computerhandel von Mensch, Region und Realwirtschaft losgelösten – Spekulationsgier rund um den Globus. An einem normalen Handelstag fließen Finanztransaktionen von 13.000 Milliarden US-Dollar. Entfesselte globale Finanzmärkte – sind die Geister, die wir riefen, noch zu bändigen? Es ist eine weltweite Herausforderung!

Allein aus Afrika fließen jährlich rund 80 Milliarden US-Dollar an den Steuerbehörden vorbei ins globale Finanzbusiness. Das heißt: Afrika entgehen mehr Steuern, als es an Entwicklungsgeldern erhält. Das wenigste, was passieren kann und muss, ist eine wirksame europäische Finanztransaktionssteuer. 0,01 Prozent auf den Derivatehandel und 0,1 Prozent auf den Aktienhandel würden mehr als 60 Milliarden Euro erbringen! 60 Milliarden, die niemandem wehtun, keinen Hedgefonds der Welt, keinem deutschen Sparkassen-Sparer und die auch nicht im deutschen Steuersäckel fehlen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

wir sehen es vor unserer Haustüre: Europa steht gewaltigen Herausforderungen gegenüber: Weltbevölkerungswachstum, Ernährung, Infrastruktur, Klimaschutz. In den nächsten zehn Jahren dürfte auf dem afrikanischen Kontinent 100-mal so viel an Infrastruktur gebaut werden wie in den letzten 100 Jahren in Europa. Alle 10 Sekunden stirbt ein Kleinkind an den Folgen von Hunger und Unterernährung. 92 Millionen werden täglich gerettet. Und 50 Cent retten ein Flüchtlingskind.

Das heutige Finanzmarktsystem setzt nachhaltiges Wachstum und die nachhaltigen Entwicklungsziele der Agenda 2030 nicht ausreichend um. Wachstum und Klimaschutz müssen weltweit kompatibel sein! Wenn alle Menschen in Afrika eine ausreichende Energieversorgung bekommen sollen, bräuchte es rund 1.200 neue Kohlekraftwerke – oder es wird auf Erneuerbare und Wasserstoff gesetzt.

Wir brauchen die Sparkassen. Finanz- und Anlagenmodelle der Sparkassen-Finanzgruppe müssen neue Instrumente und Angebote schaffen. Tausende Anleger möchten nicht einfach einen Deka-Fonds zeichnen mit Streuanteilen von Singapur bis Südafrika. Immer mehr Anleger fragen und suchen nach nachhaltigen Anlegeformen. Zum Beispiel Umweltfonds zur Finanzierung von Klimaprojekten in Entwicklungsländern. Zur Finanzierung von Bildungsprojekten oder Mikrofinanzfonds zum Aufbau lokaler Finanzierungsinstitute.

Und wir brauchen die Sparkassen auch für die Entwicklungsländer. Mit neuen Ideen und mit neuem Mut. Ich danke den deutschen Sparkassen und der Sparkassenstiftung für 80 Projekte in 50 Ländern. Jeder Mensch braucht Zugang zu einem Konto, zu Geld und zu einem Kredit. Wir gründen lokal – Dorfbanken. Wir initiieren mehr Mikrokreditprogramme. Ich brauche die Sparkassen in Afrika und in den Entwicklungsländern. Lasst uns das Engagement verdoppeln!

In Kürze geht der Entwicklungsinvestitionsfonds in Afrika an den Start. Wir fördern Investitionen für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) bis vier Millionen Euro mit 70 Prozent. Der deutsche Mittelstand braucht Sie als Kreditberater. Oder gehen Sie als Senior Expert zum Aufbau von Bankstrukturen und Finanzdienstleistungen in die Welt: statt in Rente – nach Ruanda. Statt ausruhen – Afrika erleben.

Wir brauchen neue Instrumente des Green Bankings: nachhaltige Anlagenzertifikate und Deka-Fonds für Klimaprojekte. Sechs von 400 Sparkassen in Deutschland sind dabei, sich klimaneutral zu stellen. Unsere „Allianz für Entwicklung und Klima“ bietet dafür den Rahmen. Die roten werden grün. Die Sparkassen stellen sich klimaneutral. Nicht nur sechs – alle sollten sich anschließen. Die Munich Re tut es, SAP tut es, Bosch tut es. Und die Sparkassen tun es. Sparkassen sind gut für Deutschland. Sparkassen stehen für eine gerechte Globalisierung in der Welt.