28. November 2018 60 Jahre „Brot für die Welt“

Rede von Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller beim Festabend des Entwicklungswerks der evangelischen Kirchen in Deutschland in Berlin

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir haben eben den Gründungsappell von Helmut Gollwitzer von 1959 gehört. Gollwitzer hat sich damals Gehör verschafft im Wirtschaftswunderland Deutschland. Vieles gilt heute noch genauso.

Der Adventsappell von Brot für die Welt 1959 war ein Riesenerfolg! Sie sammelten damals 19 Millionen Deutsche Mark – für eine gerechtere Welt und für neue Formen der Zusammenarbeit: Seit 1960 schicken Sie mit „Dienste in Übersee“ Fachkräfte in die Welt. Die Botschaft: Jeder Einzelne kann etwas bewegen!

1966 versorgten Sie mit lokalen Partnern 350.000 Kinder in Indien mit Schulspeisung – ganz im Gedanken der Partnerschaft. 1973 öffnete mit Ihrer Unterstützung in Stuttgart der erste „Weltladen“ für fair gehandelte Produkte.

Auch Ihre Kampagne in den 1990ern gegen die Versklavung von Kindern in der Teppichindustrie ist uns ein Vorbild. Wir nehmen das auf: Im Textilbündnis gestalten wir die gesamte Textil-Lieferkette fair – und machen das mit dem Grünen Knopf für den Kunden erkennbar.

Im Zentrum Ihrer Arbeit stehen damals wie heute die Ernährungssicherung sowie der Kampf gegen Hunger und Mangelernährung. Heute arbeitet „Brot für die Welt“ in 90 Ländern. Für das BMZ sind Sie seit fast 60 Jahren ein wichtiger Partner. Sie sind nah bei den Menschen vor Ort, auch in fragilen Staaten und in Krisensituationen.

2015 war ich mit Frau Prof. Warning in Ägypten. Der Besuch der koptisch-evangelischen Kirche hat mich sehr beeindruckt. Die Erfahrungen aus diesem Besuch sind auch in unsere BMZ-Religionsstrategie eingeflossen. In diesem Vorhaben wird interreligiöser Dialog gelebt!

Doch das „Brot“ in Ihrem Namen steht heute für mehr: Es ist Synonym für alles, was der Mensch braucht. Sie setzen sich ein für globale Gerechtigkeit. 8.000 Kinder sterben täglich an Unterernährung, zwei Milliarden Menschen sind mangelernährt. Zehn Prozent der Menschheit besitzen 90 Prozent des Vermögens.

Und wir werden mehr: Zur Zeit Ihrer Gründung lebten knapp drei Milliarden Menschen auf der Erde. Mitte des 21. Jahrhunderts wird sich unsere Zahl verdreifacht haben. Bis 2050 brauchen wir 60 Prozent mehr Nahrung. Dabei ist eine Welt ohne Hunger möglich! Mit modernem Know-how, nachhaltiger Landwirtschaft, Verarbeitung und Konservierung. Daran arbeiten wir gemeinsam.

Mit der Agenda 2030 haben wir ein globales Rahmenwerk, einen Welt-Zukunftsvertrag. Das ist nicht „Erbarmen“, sondern unser ureigenes Interesse. So hatte es Helmut Gollwitzer vor 60 Jahren schon formuliert. Und es stimmt noch heute! Denn die Folgen eines Scheiterns der SDGs würden auch uns treffen. Die globale Kooperation ist in der Krise, vielerorts wird auf Konfrontation gesetzt. Wir müssen gegenhalten!

Der Bundestag hat dafür ein Zeichen gesetzt: Der BMZ-Haushalt 2019 wurde auf historische 10,2 Milliarden Euro aufgestockt. Damit können wir gemeinsam viel bewegen! Für ländliche Entwicklung setzen wir bereits jetzt 1,5 Milliarden Euro jährlich ein. Durch Sonderinitiativen wie EINEWELT ohne Hunger verstärken wir unser Engagement – und stützen Ihres.

Ich möchte Ihnen und Ihren Partnern sagen: Bleiben Sie weiter so unbeirrt, unerschrocken und verlässlich an der Seite der Armen und Schwachen! Erheben Sie Ihre kritische und mahnende Stimme! Auch in Deutschland. Zum Beispiel gegen Nahrungsmittelverschwendung oder eine unfaire Handelspolitik. Kämpfen Sie für innovative Agrarökologie! Sie ist Teil der Lösung. Sie hilft Mensch und Natur! Mobilisieren Sie Menschen für die Agenda 2030.

Niemand genießt so viel Vertrauen in unserer Gesellschaft wie Sie als kirchliche Organisation! Vielen Dank für Ihren Einsatz!