4. Juli 2018 Rede von Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller zum Haushaltsgesetz 2018
Es gilt das gesprochene Wort!
Eine druckbare Version der Rede (PDF 113 KB) finden Sie hier (Externer Link).
Eine Videoaufzeichnung der Rede finden Sie hier (Externer Link).
Frau Präsidentin!
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!
Liebe Jugend auf den Tribünen!
Das ist gerade das Schöne, denn Entwicklungspolitik ist Zukunftspolitik, Politik für die Erhaltung der Schöpfung und des Planeten für euch, für das Jahr 2050. Wir, die Alten, stellen hier die Weichen, und wir müssen uns dessen bewusst sein: Es geht darum, den Planeten als Ganzes auch für morgen noch lebenswert zu erhalten. Es geht um eure Zukunft.
Deutsche Politik kann nicht an den Grenzen Deutschlands oder Europas enden. Mich erschüttert – das darf ich Ihnen sagen – die aktuelle deutsche Flüchtlingsdebatte, wie wir sie führen. Richten wir doch den Blick einmal über die Grenzen der Europäischen Union hinaus. Wo liegen denn die wahren Herausforderungen in diesen Tagen in der Flüchtlingsproblematik? Es muss hier gesagt sein: 270.000 Menschen sind in den letzten drei Tagen vor syrischen Bomben an die jordanische und israelische Grenze geflüchtet. Sie lagern in der Wüste. Über zehn Millionen Kinder und Erwachsene sind im Jemen auf der Flucht – und das in den letzten drei Wochen – und kämpfen um das Überleben vor Ort. 800.000 Rohingya liegen im wahrsten Sinne des Wortes im Dreck, müssen ungeschützt vor dem Monsun in dreckigen Zelten um das Überleben kämpfen. Es fehlt an allem. Es fehlt an Geld, an Essen und an Verantwortung. Deshalb sage ich: Übernehmen wir Verantwortung für diese Herausforderungen!
Mit 50 Cent retten wir ein Menschenleben in diesen Regionen. Das muss es uns wirklich wert sein. Ich könnte viel zur Wirkung und zur Verantwortung sagen, aber wir sind in der Haushaltsdebatte, und ich habe nur sechs Minuten Redezeit.
Deutschland ist der zweitgrößte Geber; wir leisten viel und bewirken viel. Die Weltgemeinschaft versagt. Ich will das ganz klar sagen: Mit 20 Milliarden Euro weltweit – alle 195 Nationen – könnten wir jedem Menschen in Not das Überleben sichern. Ist es nicht beschämend? Ist es nicht ein Skandal, dass wir Reichen in der Welt diese 20 Milliarden Euro nicht aufbringen?
Ich bedanke mich bei allen Kolleginnen und Kollegen aus den Fraktionen, bei den Berichterstattern. Der Haushalt wächst dieses Jahr um 900 Millionen Euro auf. Ich bedanke mich auch bei meinem Team. Ich habe ein neues Team, eine Staatssekretärin und zwei Staatsekretäre: Herr Barthle und Frau Flachsbarth sitzen auf der Regierungsbank; dazu kommt noch Herr Jäger. Gemeinsam mit diesem Team zeige ich, dass meine zweiten vier Jahre mit einer neuen Entwicklungsagenda 2030, die wir in den nächsten Wochen diskutieren können – sie ist fertig; ich werde sie zur Diskussion vorlegen –, nicht ein Weiter-so sein werden. Ich freue mich, dass ich das machen darf, und möchte meine Erfahrung einbringen, um Strukturen zu verändern. Wirksamkeit und Effizienz sind die Vorgaben.
Ich bin enttäuscht und nicht zufrieden, denn am Freitag werden die Eckwerte für den Haushalt 2019 verabschiedet. Nach heutigem Stand wird ein Aufwuchs von 270 Millionen Euro erfolgen. Das heißt, der Finanzminister verantwortet damit – ich habe ihm das gesagt; das gab eine harte Diskussion –, dass die Quote der Öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit von 0,5 Prozent auf 0,48 Prozent sinkt.
Nun bitte ich das Parlament: Wir können dies nicht hinnehmen. Ich bitte Sie, im Haushaltsverfahren Verantwortung zu übernehmen und diese 500 Millionen Euro auszugleichen. Wir brauchen sie dringend, um dort, wo es notwendig ist, mehr tun zu können.
Was Herr Leutert zum Aufwuchs der beiden Ressorts und zu den Zahlen gesagt hat, stimmt eins zu eins. Ich will das nicht bewerten. Für jeden hat das einen anderen Stellenwert. Ganz schwierig sind diese Eckwerte; ich möchte das klar sagen. Das geht über den Haushalt 2019 hinaus. Die Eckwerte unseres Etats sinken 2020, 2021 um eine Milliarde Euro. Das heißt – das hat Frau Hajduk sehr richtig angesprochen –: Die Verpflichtungsermächtigungen sinken. Natürlich müssen wir über den Tag hinaus – zwei Jahre, drei Jahre im Voraus – Maßnahmen planen. Das ist aber schwierig, wenn ich heute nicht weiß, was ich morgen bekomme. Es kann nicht sein, dass wir den Haushalt 2020, 2021 um eine Milliarde Euro absenken und damit unseren Partnern jegliche Sicherheit nehmen.
Die Begründung des Finanzministers ist die schwarze Null, das Schuldenziel, das erreicht werden soll. Ich bin da ganz offen. Aber es kann nicht sein, dass gerade bei uns im Haushalt der Rotstift angesetzt wird. Die Fakten sind, wie sie sind. Ich resigniere nicht. Ich kämpfe weiter. Mit dem Parlament an meiner Seite bin ich sicher und guter Hoffnung, dass wir die 500 Millionen Euro erreichen.
Ich möchte mich auch bei der Zivilgesellschaft bedanken. Die Kirchen, die Deutsche Welthungerhilfe, Hunderte von Nichtregierungsorganisationen verdoppeln nämlich den Betrag, den wir als ODA-Mittel, als öffentliche Mittel, einsetzen.
An der Stelle geht meine Forderung aber auch an die Europäische Union. Die mittelfristige Finanzplanung muss korrigiert werden. Europa muss eine humanitäre Offensive starten. Europa muss Verantwortung übernehmen. Der Entwicklungsetat muss mindestens verdoppelt werden. Wenn Sie sich das überlegen: Der Etat für Afrika – Afrika, die große Herausforderung Europas – steigt in der mittelfristigen Finanzplanung von fünf Milliarden Euro jährlich um eine Milliarde auf sechs Milliarden Euro. Das ist ein Witz. Das wird den Herausforderungen nicht gerecht.
Ich sage Ihnen: Wir können die Probleme lösen. Eine wachsende Weltbevölkerung zu ernähren, Energie für alle nachhaltig zu produzieren, Arbeitsplätze, Klimaschutz: Zu all diesen Punkten haben wir ein Programm vorgelegt, den Marshallplan mit Afrika. Er muss europäisiert werden, und er muss internationalisiert werden. Wir werden dies auch zum Schwerpunktthema der EU-Ratspräsidentschaft machen. Allen muss klar sein: Im Libanon, in Jordanien – die Kanzlerin war vor kurzem dort –, in der Türkei finanzieren wir – ein Beispiel – allein 17.000 Lehrerinnen und Lehrer mit ihren Geldern, mit unserem Etat. Tun wir dies nicht, dann kommen die Menschen zu uns; denn sie kämpfen um ihr Überleben in diesen Regionen. Deshalb müssen wir vor Ort die Hilfe intensivieren und ausbauen.