13. Juni 2018 Rede von Bundesentwicklungsminister Gerd Müller beim Deutsch-Indischen Wirtschaftsdialog

Es gilt das gesprochene Wort!

Ihre Exzellenz Frau Botschafterin Tomar,
Exzellenzen,
Sehr geehrte Damen und Herren,

Indien – ein Land der Superlative, ein Land im Aufbruch. Seit 1950 hat sich Indiens Bevölkerungszahl verdreifacht, die Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung verfünffacht!

Indien ist zehnmal kleiner als Afrika, aber hat mehr Einwohner. Mitte des Jahrhunderts könnte Indien bevölkerungsreichstes Land der Erde sein, vor China, mit dann 1,5 Milliarden Menschen.

Indien ist jung, vielfältig und dynamisch. Es hat 22 offiziell anerkannte Sprachen und beherbergt acht verschiedene Religionen. Das Durchschnittsalter der Inder ist 23 Jahre.

Indien ist die größte Demokratie der Welt und in Vielem eine Erfolgsgeschichte: sieben Prozent Wirtschaftswachstum im Jahr, Spitzenreiter bei Biotech und Pharmazie; die Zahl der Internetnutzer hat sich in 20 Jahren versiebzigfacht auf heute 350 Millionen.

Aber Indien steht – bei allen Erfolgen – auch vor riesigen Herausforderungen. Es hat weltweit die Spitzenposition bei den Städten mit der schlechtesten Luft, es hat den drittgrößten CO2-Ausstoß und großen Nachholbedarf bei Ernährung, Energie, Wohnraum.

Klimawandel, Armut, Stadtentwicklung, ländliche Entwicklung, Jobs mit Perspektiven – das sind heute globale Herausforderungen. Wir müssen sie gemeinsam lösen.

Unsere Zusammenarbeit ist entscheidend!

Wir bauen auf starkem Fundament. Wir haben kulturelle Verbindungen, wie die Gebrüder Schlegel, Wilhelm von Humboldt oder Max Müller, dem Mitbegründer der modernen Indologie. Nach ihm sind noch heute die Goethe-Institute in Indien benannt.

Auch politisch und wirtschaftlich verbindet uns viel. Deutschland ist heute Indiens größter Handelspartner in Europa. Mehr als 1.600 deutsche Unternehmen sind in Indien aktiv – in einem der größten Wachstumsmärkte der Welt. Gerade kam zum Beispiel ein großer Auftrag für den Windkraftanlagenbauer Senvion über 131 Turbinen für 2,3 Megawatt grünen Strom in Gujarat. Liebherr hat vor kurzem ein weiteres Werk für Kühl- und Gefriergeräte eröffnet.

Auch in der Entwicklungszusammenarbeit ist Indien Deutschlands wichtigster Partner. Seit 1958 – also seit 60 Jahren – verbindet uns eine erfolgreiche Zusammenarbeit! Heute sind wir Partner auf Augenhöhe für nachhaltige Entwicklung und den Schutz globaler Güter.

Wir haben gemeinsame Interessen und Ziele.

Erstens: Wir leisten einen Beitrag zu Indiens Energiewende. Das ist globaler Klimaschutz. Eine Milliarde haben wir in den letzten Jahren in Indiens grüne Stromnetze investiert, und eine Milliarde wenden wir bis 2019 für die deutsch-indische Solarpartnerschaft auf. Indien sollte der Subkontinent der Sonne werden!

Zweites Ziel in unserer Zusammenarbeit: Grüne Urbanisierung – jetzt können wir sie noch nachhaltig gestalten!

Indiens Städte wachsen rasant. Letztes Jahr haben wir mit Indien eine neue Initiative für nachhaltige Stadtentwicklung vereinbart, liebe Frau Botschafterin. Wir wollen Smart Cities entwickeln, nachhaltige Abfallwirtschaft und klimafreundliche Mobilität, statt 365 Tage Smog in Neu Delhi.

Unser drittes Ziel: Ländliche Räume sollen zukunftsfähig werden.

Wir wollen Perspektiven schaffen. Denn 70 Prozent der Menschen in Indien leben noch immer in ländlichen Gebieten. Meine Initiative „EINEWELT ohne Hunger“ unterstützt dabei, Indiens Landwirtschaft produktiver und nachhaltiger zu machen, unter anderem in einem Grünen Innovationszentrum.

All das schaffen wir nicht nur mit öffentlichem Geld. Wir brauchen mehr Privatinvestitionen. Deshalb setzen wir auf die Zusammenarbeit mit Ihnen, der Privatwirtschaft. Wir haben vor allem den Mittelstand im Blick.

Wir fördern privates Engagement für Entwicklung über Risikoabsicherung, Garantie-Instrumente oder Machbarkeitsstudien. Wir wollen gezielte Anreize setzen, etwa mit einem Entwicklungsinvestitionsgesetz. Und wir fördern praxisnahe und nachfrageorientierte Ausbildung. Denn zwölf Millionen junge Leute strömen jedes Jahr auf den indischen Arbeitsmarkt – die meisten ohne Ausbildung.

Mit vereinten Kräften können wir viel erreichen – für nachhaltige Entwicklung und für eine gerechte Globalisierung!

Vielen Dank!