10. Mai 2018 „Europa und Afrika als Partner“

Rede von Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller beim 101. Katholikentag in Münster

Es gilt das gesprochene Wort!

Vielen herzlichen Dank, vor allem an die Kirche, die katholische, aber auch die evangelische. Der Katholikentag ist voll, und ich freue mich, dass so viele junge und ältere Menschen miteinander diskutieren.

Ich bin viel in Afrika unterwegs und ich sage: Wir müssen Afrika mit dem Herzen begegnen. Es wird viel zu sehr auf das Materielle abgestellt. Wir müssen auch das Kulturelle, das uns verbindet, leben. Jeder, der in Afrika Menschen begegnet, kommt mit vollem Herzen zurück. Das muss sich auch im deutschen Afrikabild verändern.

Die Wiege der Menschheit liegt in Afrika. Lucy, der erste Mensch, eine Frau, liegt in Äthiopien im Nationalmuseum. Die Menschheit hat sich von Afrika aus entwickelt. Vor 40.000 Jahren kamen die ersten Menschen aus Afrika nach Europa. Wir haben alle ein Stück Afrika in uns. Das verbindet uns.

Mit vielen Afrikanern verbindet uns auch das Christentum und das Wissen: Die Würde des Menschen ist unantastbar und universell. Das ist die Basis, auf der wir Politik machen und unser Leben gestalten. Jeder Mensch hat das Recht auf ein Leben in Würde, ob er in Nigeria lebt, ob es ein Kind im Sudan ist, oder ein Flüchtling in Dadaab, wo ich extremes Leid gesehen habe.

Als Christ in der Politik baue ich auch meine Entwicklungspolitik in der Bundesregierung darauf auf. Wir wollen gemeinsam die Zusammenarbeit mit Afrika gestalten, eine Partnerschaft. Der Starke hilft dem Schwachen, das ist die christliche Soziallehre, die katholische Soziallehre.

Jemand, der mit Talenten ausgestattet ist, die Chance hatte zu studieren, hier in Deutschland, in Münster oder anderswo, sich Wohlstand und Eigentum erarbeiten konnte, der ist auch verpflichtet, Verantwortung zu übernehmen – in der Familie, beim Nachbarn, in der Gemeinde.

Das gilt auch für die Staaten. Wir, die Starken, die Europäer, die Deutschen, wir müssen Verantwortung übernehmen, in der Zusammenarbeit mit den Schwächeren. Wir müssen mit Afrika eine Partnerschaft gründen.

Das ist eine Frage der Humanität und auch unserer geschichtlichen und kulturellen Verantwortung. Erst 1960 wurden die afrikanischen Länder und ihre Menschen sozusagen in die Selbständigkeit, in die Freiheit entlassen.

Vor kurzem hat mir ein nigerianischer Pfarrer gesagt: Afrika ist nicht arm. Ihr habt es arm gemacht. Afrika ist reich – an Menschen, an Kultur, an Lebendigkeit, an Ressourcen, an Landschaft. Afrika ist ein großartiger Kontinent: 85 Mal so groß wie Deutschland, auch in seiner Vielfalt.

Das ist auch Kern meines Marshallplans mit Afrika: Afrika ist reich! An diesem Punkt müssen wir den Rahmen setzen zu einer fairen, gleichberechtigten Partnerschaft auf Augenhöhe – in der Wirtschaftspolitik, in der Handelspolitik. Im Augenblick findet in vielfältiger Weise so etwas wie Neokolonialismus statt. Westliche Industriestaaten, multinationale Konzerne sichern sich die Ressourcen des Kontinentes, sichern sich große Reichtümer Afrikas und beuten diese aus.

Heutige Lieferketten kommen nicht ohne die Ressourcen Afrikas aus. Zum Beispiel funktioniert Ihr Handy nicht ohne Coltan, ohne Kobalt. Kein Elektroauto der Zukunft wird ohne Lithium aus dem Kongo funktionieren.

Die Welt der globalen Lieferketten kennt keine Grenzen. Ich kämpfe für eine gerechte Globalisierung. Das ist machbar. Gerechte Globalisierung heißt nicht freier Handel, sondern fairer Handel, mit Mindeststandards, die wir vor Ort umsetzen: in den Minen des Kongo, in Ghana, wo das Gold für unseren Schmuck herkommt. Mindeststandards heißt, dass Familien existenzsichernde Einkommen erhalten, wenn sie für uns Ressourcen abbauen.

Mindeststandards heißt auch, dass wir die Natur nicht grenzenlos ausbeuten, sondern mit den Freunden in Afrika ökologische Standards erarbeiten. Das ist mein Ziel.

Wir können und werden mit den afrikanischen Freunden eine neue Partnerschaft begründen. 2020 auch in Europa, wenn ein neuer Vertrag in Kraft treten soll. Aber Partnerschaft, Freundschaft wächst nicht über den Geldbeutel, sondern über das Herz.

Wir müssen an drei Punkten ansetzen. Wir brauchen natürlich eine Verstärkung der Entwicklungszusammenarbeit, weltweit. Wenn heute 1.700 Milliarden Dollar für Rüstung ausgegeben werden und dieser Etat immer weiter wächst, dann kann es nicht sein, dass wir in der Entwicklungspolitik am Rande stehen bleiben. Sondern ich fordere einen gleichberechtigten Aufwuchs auch unseres Haushalts.

Daran werden die Kirchen als unser privilegierter Partner ganz erheblich teilhaben. Ich brauche Sie in den Krisengebieten der Welt. Ein Pfarrer, den ich in einem Flüchtlingscamp in der Zentralafrikanischen Republik getroffen habe, hat mir gesagt: Es gibt keinen Staat in unserem Land, keine Gemeinden, oder Bürgermeister. Aber es gibt Pfarrer, die tief im Land die Kristallisationszentren sind für die Bevölkerung. Ich denke an einen Bischof im Südsudan, der dort die Hilfe für die hungernden Menschen organisiert hat. Mit den Kirchen haben wir die besten Partner vor Ort.

Die katholische Kirche ist die größte Friedens- und Entwicklungsbewegung der Welt. Die katholische Kirche ist eine Welt-Kirche. Und wir müssen diese Aufgabe hineintragen in die junge Generation auch hier in Deutschland. Deshalb freue ich mich, dass viele junge Leute hier sind.

Was der Staat tun kann, ist das Eine. Die zweite Säule ist die Privatwirtschaft. Wir müssen die Privatwirtschaft noch viel stärker interessieren, in afrikanischen Ländern zu investieren, der afrikanischen Jugend Chancen einzuräumen – zu fairen Bedingungen, mit Ausbildung. Der Erfolgsfaktor sind Frauen. Und die beste Familienplanung sind Ausbildung und Gleichberechtigung.

Afrikas Bevölkerung wird sich bis 2050 verdoppeln. Das heißt: Es wächst eine afrikanische Jugend heran, die jedes Jahr 20 Millionen Arbeitsplätze braucht, in 20 Jahren 400 Millionen Arbeitsplätze. Hier sind wir mit gefordert, der reiche Westen.

Es gehört auch noch eine dritte Säule dazu: Wir müssen den Handel fair gestalten. Wir müssen vom freien zum fairen Handel mit den Afrikanern kommen, damit sie Chancen haben, damit die Jugend Chancen hat vor Ort.

Ausbildung, Beschäftigung und Zukunft.

Dafür kämpfe ich, mit euch und mit Ihnen. Danke.