17. April 2018 Laudatio von Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller

bei der Veranstaltung des Naturschutzbunds Deutschland NABU zur Verabschiedung und Würdigung von Josef Göppel

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Damen und Herren,

lieber Josef Göppel, das ist Dein Abend und Deine Würdigung. Ich wurde gebeten, eine Würdigung aus der Sicht des CSU-Bundesministers vorzunehmen, und das tue ich sehr gerne. Wir wollen Dich heute für Dein Lebenswerk ehren.

Seit 1994 haben wir gemeinsam im Bundestag gesessen. Du bist immer vorausgegangen, Josef. Dein innerer Kompass war der Erhalt der Schöpfung. Vernetztes Denken, globale Verantwortung übernehmen, Ressourcenschutz – um nur ein paar dieser grundlegenden Werte und Themen herauszugreifen. Das Thema Schutz der globalen Güter auch mit neuen Instrumenten umzusetzen, wie beim Thema Green Economy, oder auch in der Landwirtschaft.

Wir brauchen diese Ideen, die Sie verkörpern, lieber Josef Göppel, liebe Gäste hier und Ihre Verbände. Und zwar gerade die Gestaltungsideen für die Mutter Erde, in allen Teilen, in allen Kontinenten.

Nur wenige haben den Mut neu zu denken, lieber Josef Göppel. Das erleben wir in der Bundestagsfraktion leider immer mehr. Aber es gibt schon noch welche, bei uns und in anderen Fraktionen. Aber allzu oft werden die, die mal neu denken, sehr schnell ausgebremst, auch das hast Du ertragen. Ich denke da an Heiner Geißler, an Dich und an andere. Und hätten wir nur mehr solche, die auch mal aufstehen und sagen: „Ich sehe das anders“.

Aber Du hast neu gedacht und hast Paradigmen in Frage gestellt. Zum Beispiel das Paradigma des immerwährenden Wachstumsglaubens in der Welt. Da würde ich an anderer Stelle gerne mal diskutieren und auch an alte Diskussionen anknüpfen, an die Enquete-Kommission. Nicht zuletzt Ihre Verbände weisen immer wieder darauf hin, dass wir mit unserem Konsummuster 1,3 bis 1,5 Erden verbrauchen: Erden, Boden, Natur, Wasser, Klima.

Aber in der Welt, nicht nur in Deutschland, international, wird nach wie vor unbegrenztes Wachstum propagiert. Ob das Schrott, Müll oder Abfall ist – Wachstum, das kann nicht das Modell für Indien und für Afrika sein, für eine wachsende Weltbevölkerung.

Du bist 1950 geboren, wir haben in unserer Lebenszeit Veränderungen erlebt, wie sie die Menschheit niemals zuvor in dieser Geschwindigkeit, in dieser revolutionären Umwälzung erlebt hat. Meine Damen und Herren, 1950 gab es etwa drei Milliarden Menschen, jetzt sind es 7,5 Milliarden Menschen auf dem Planeten. In unserer Lebensphase hat sich die Menschheit mehr als verdoppelt. Und jeden Tag kommen 230.000 bis 250.000 dazu! Achtzig Millionen im Jahr, die auf den Planeten treten, Raum für sich einnehmen, die Belastungsdruck auslösen. Natürlich auf Natur, auf die Böden, auf die endlichen Wasserressourcen aber auch auf die Tierwelt.

Hier können wir nicht, ein unendliches „Weiter so“ propagieren. Denn der Planet selber, die Ressourcen sind endlich. Deshalb müssen wir uns an der Stelle, auch in Richtung Natur, Landschaft, Landschaftsschutz auf neue Pfade begeben. Du hast diese Paradigmen schon lange infrage gestellt.

Wir tragen Verantwortung für den Erhalt der Schöpfung und uns alle hier eint die Überzeugung, dass wir an einer Weggabelung stehen. Sie haben sich alle entschieden. Aber ich sage immer, gehen Sie mit mir, mit uns raus. Es ist eine große Chance, dass wir in einem Ministerium sind, das nicht unbedingt als unionsgeführt erwartet ist. Man sollte sich nicht einigeln in der eigenen Wahrheit und in der eigenen Klasse. Sie haben so viel an Fachkompetenz, an Wissen, an Verbindungen in der Welt zu bieten. Das müssen wir hinaustragen, aus der eigenen Blase hinaus. Auch hinein in andere Parteien, in gesellschaftliche Gruppierungen, in die Wirtschaft.

Sie haben sich entschieden, an der Weggabelung, wo wir stehen, den Weg der Nachhaltigkeit zu gehen: nachhaltiger Konsum, Wachstum neu zu definieren. Andere, in Deutschland, in Europa, in der Welt haben sich noch längst nicht entschieden, und nicht nur die Amerikaner.

Auch in Deutschland haben wir enorme Probleme. Ich habe in der letzten Legislaturperiode beim Thema Nachhaltigkeitsberichte der Bundesregierung schwer gekämpft, aber wir haben nicht ausreichend erreicht. Ich plädiere dafür nicht auszugrenzen, sondern sich wirklich zu bündeln, damit wir gemeinsam den richtigen Weg gehen. Nämlich den Weg zur Lösung der Herausforderung, zur Bewahrung der Schöpfung des Planeten.

Und dazu müssen wir diese Ideen und Konzepte der Entkopplung von Wachstum und Ressourcen umsetzen. Das ist ein Thema, was Du, Josef Göppel, immer propagiert hast. Das Thema Ressourcengerechtigkeit, was mir gerade in Richtung Afrika wichtig ist, das Thema faire Lieferketten, wo Du mich immer unterstützt hast, und das Thema Gerechtigkeit.

Meine Damen und Herren, wenn zehn Prozent der Menschen auf dem Globus neunzig Prozent des Vermögens besitzen, und zwanzig Prozent, wir die Industrieländer, achtzig Prozent der Ressourcen verbrauchen, zum Teil in sklavenähnlichen Bedingungen von Menschen in den Entwicklungsländern von uns gefördert, dann kann das nicht unsere Welt sein.

Seit einem halben Jahrhundert hast Du Dich engagiert, lieber Josef. 1970 bist Du zeitgleich in CSU und BUND eingetreten. Das war für Dich ganz selbstverständlich. Und wenn Sie sich fragen, wie passt das zusammen? Der Erhalt der Schöpfung, der Natur, aller Geschöpfe, Mensch, Tier und Landschaft, Boden, Klima, Wasser, die öffentlichen Güter – das ist zutiefst christlich. Verantwortung unseres Tuns vor Gott, vor den kommenden Generationen, in der Generationenverantwortung.

Ich glaube, das ist auch der Punkt, der uns alle verbinden soll. Ob wir bei der oder bei jener Partei sind, diese Verantwortung muss gemeinsamer Wertekanon sein. Du, Josef, hast die Beharrlichkeit eines Försters. Ich war auch mal bei Dir zu Hause, in Deinem Dorf. Und dann weiß man auch, was Dich geprägt hat. Wir sind beide auf einem Bauernhof aufgewachsen, und Du weißt: wenn man pflanzt, muss man Geduld haben.

Einen „grünen Schwarzen“ haben sie Dich genannt. Aber ich sage, Du bist schon bei der richtigen Partei. Wir müssen weiter kämpfen, dass Leute wie Du nicht außen stehen, sondern mittendrin, das Mainstream wird, was Du vertreten hast. Das hat Dir Freunde und Gegner eingebracht, Du bist aber weiter marschiert. Und auch beim Abschied hast Du uns in der Politik, der gesamten Regierung ins Gewissen geredet.

Du hast gesagt, ich zitiere: „Menschen abschotten und dem Kapital keine Grenzen setzen, das ist nicht christlich“. Das ist ein Kernsatz. Ich habe den Bundesfinanzminister gerade aufgefordert, seine Bundesratsinitiative von vor zwei Jahren als Regierender von Hamburg jetzt umzusetzen, und die Finanztransaktionssteuer zumindest in Europa einzuführen und diese 60 Milliarden einzubringen in unsere Themen, in den Erhalt der Schöpfung und eine gerechte Gestaltung der Globalisierung.

Du hast gesagt: „Alle zahlen Mehrwertsteuer, nur der Handel mit Geld, der zahlt nichts“. Aber ich kriege für solche Themen leider keine Resonanz mehr, das verhallt einfach. Das müssen wir einfordern an solchen Stellen. Es muss wieder mehr Leben in die Diskussion, in die Gesellschaft kommen. Ihr dürft nicht, wenn ich Euch mal wachrütteln darf, in einer großen Koalition einschlafen, Ihr müsst diese Themen, und andere, die Josef Göppel gesetzt hat, auch weiter offensiv in die parlamentarische Diskussion hineintragen.

Lieber Josef, Du hast viele Auszeichnungen bekommen. Adam-Smith-Preis vom Forum ökologisch-soziale Marktwirtschaft, das ist unser Leitbild. Ökologisch-soziale Marktwirtschaft, wo sind die Grünen, die uns in diesem Sektor unterstützen? Neue oder gerechte Wachstumsphilosophie, das heißt ökologische Grundlagen müssen erhalten werden. Nicht nur in Deutschland, weltweit. Sozialer Ausgleich, Gerechtigkeit, das ist die ökologisch-soziale Marktwirtschaft.

Du hast Staatsmedaillen bekommen, Verdienstorden, zuletzt den bayrischen Naturschutzpreis: Das sind herausragende Würdigungen. Jetzt freue ich mich besonders, lieber Josef, dass Du – gemeinsam mit Bärbel Höhn - angenommen hast, unser BMZ-Botschafter für Afrika zu werden – als „one-dollar man“, wir können ihn nämlich gar nicht bezahlen, mit seinen Erfahrungen, seiner Kompetenz.

Aber ich möchte Ihnen allen hier im Saal sagen: Das, was in Deutschland an Themen diskutiert wird - Insektensterben, Artensterben, Biodiversität, das Thema Wasser, Bodenerosion – das sehen wir natürlich in der ganzen Dimension und in einer unglaublichen Dramatik in den Ländern Afrikas.

Wir müssen in den Hirnen der Politiker, der Wirtschaft verankern, auch hier in Deutschland, in Europa: Machst Du dort Landschaft, Boden, Tier und Natur kaputt, brauchst Du nicht zu glauben, dass wir hier in Frieden mit der Schöpfung weiterleben können. Es hat Auswirkungen in dieser einen gemeinsamen Welt.

Deshalb bin ich so froh und danke Dir, dass Du jetzt Botschafter für uns in der Entwicklungspolitik bist. Und dabei insbesondere den Schwerpunkt Energie, Bürgerenergie, regenerative Energien voranbringst.

Meine Damen und Herren, das Thema Klimaschutz entscheidet sich nicht in Deutschland. Wir sind zwar Mit-Hauptverschmutzer pro Kopf, aber der Klimawandel entscheidet sich ganz erheblich in Afrika, in Indien. Hier stellt sich nämlich die Grundsatzfrage: auf welcher Basis wird dort die Mobilität, das zukünftige Bauen, der Fortschritt und das Wachstum passieren? In welcher Form erfolgt dieser Fortschritt? Man stelle sich vor, es würden Kohlekraftwerke in Indien in Betrieb genommen wie bei uns in den Fünfzigerjahren, dann gehen die Lichter aus. Aber der Energieminister in Indien sagte zu mir, als ich ihm symbolisch eine Solartaschenlampe mitgebracht habe: „Ja Ihr Deutschen, Sie bringen mir eine Solartaschenlampe, ich verstehe den Hinweis, aber bei mir liegt Kohle im Boden. Ihr habt Euren Wohlstand auf der Basis von Kohle aufgebaut, und nun sollen wir in Indien darauf verzichten.“

Deshalb müssen wir unsere Technologien, unser Wissen, Know-how über erneuerbare Energien für die Entwicklung zukunftsfähiger Strukturen in diesen Ländern nutzen. Da greifen wir Deine Ideen auf, Ideen des NABU. Ich lade Euch alle ein, mitzumachen an der globalen nachhaltigen Entwicklung weltweit.

Herzlichen Dank lieber Josef für Dein Lebenswerk. Ich freue mich, dass Du mein Freund bist, dass ich Dein Freund sein darf. Du hast mich stark geprägt und beeindruckt. Denn ich bekenne sehr, vor zehn Jahren habe ich auch noch nicht so gesprochen und noch nicht so gedacht.

Man braucht Leute, die vorausgehen und die einem auch manchmal die Augen öffnen. An vielen Stellen hast Du mir die Augen geöffnet. Du bist mutig vorausgegangen, das zeichnet Dich aus, und deshalb bist Du für uns alle ein Stück Vorkämpfer und Vorbild. Herzlichen Dank.