Hauptmenü
Hauptinhalt
Deutsche Entwicklungspolitik
Wirtschaft und Menschenrechte
Bitte beachten Sie:
Unsere Informationen zum Thema Menschenrechte werden zurzeit grundlegend überarbeitet. Die aktualisierte Version finden Sie demnächst hier.
Die Menschenrechte regeln in erster Linie das Verhältnis zwischen dem Staat und seinen Bürgerinnen und Bürgern. Bestimmte Menschenrechte regeln jedoch auch Bereiche des Arbeitslebens. So legt zum Beispiel der Zivilpakt das Verbot von Zwangsarbeit und die Vereinigungsfreiheit, einschließlich der Gewerkschaftsfreiheit, fest. Nach dem Sozialpakt haben alle das Recht auf einen angemessenen Lohn, sichere und gesunde Arbeitsbedingungen sowie Arbeitszeitbeschränkungen einschließlich eines regelmäßigen Urlaubsanspruchs mit Bezahlung. Die Staaten sind verpflichtet, die Rechte auf Eigentum, Berufsfreiheit und menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu achten, schützen und gewährleisten.
Zusätzlich zu den Grundrechten, die in den internationalen Menschenrechtsverträgen festgelegt sind, setzen die Arbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) universelle Mindeststandards für menschenwürdige Arbeit. Die sogenannten Kernarbeitsnormen der ILO, die unabhängig vom Entwicklungsstand eines Landes Gültigkeit haben, umfassen die vier Bereiche Vereinigungsfreiheit, Verbot von Diskriminierung, Kinderarbeit und Zwangsarbeit. In der ILO-Deklaration über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit haben sich alle 184 ILO-Mitgliedsstaaten verpflichtet, diese in acht ILO-Kernarbeitsnormen niedergelegten Bereiche selbst dann zu respektieren, wenn sie eine der internationalen Konventionen noch nicht ratifiziert haben.
Einfluss der Wirtschaftsunternehmen
Auf die weltweite Verwirklichung der Menschenrechte haben neben den staatlichen Instanzen auch die Wirtschaftsunternehmen einen erheblichen Einfluss. Einerseits tragen Investitionen und unternehmerische Tätigkeit zur Verwirklichung von Menschenrechten bei: Sie erhöhen Einkommen und Beschäftigung, lassen das Steueraufkommen anwachsen und steigern die soziale Sicherheit. Andererseits kann unternehmerisches Profitstreben – bewusst oder unbewusst – auch zur Verletzung von Menschenrechten führen, etwa durch Zwangsvertreibungen, Umweltschädigungen, Kinderarbeit, Beschränkung von Gewerkschaftsrechten oder Gesundheitsschädigungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.
Anders als die völkerrechtlich gebundenen Staaten sind Unternehmen keine direkten Pflichtenträger von Menschenrechten, sie sind jedoch an die jeweiligen nationalen Gesetze gebunden. Viele Entwicklungsländer verfügen allerdings nicht über eine ausreichende Gesetzgebung und haben keine entsprechenden Institutionen, um privatwirtschaftliches Handeln angemessen zu steuern und zu kontrollieren. Insbesondere die Regulierung weltweit agierender Konzerne und multinationaler Unternehmen ist daher teilweise sehr lückenhaft.
Um diese Lücke zu schließen, wurden im Juni 2011 die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte durch den UN-Menschenrechtsrat verabschiedet. Die Vorarbeiten dazu leistete der damalige UN-Sonderbeauftragte für Unternehmen und Menschenrechte John Ruggie unter breiter Beteiligung privater und staatlicher Akteure. Unter der Überschrift "Protect, Respect, Remedy" (Schutz, Achtung, Abhilfe) wurden drei Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte formuliert:
- Schutz der Menschenrechte durch den Staat
Jeder Staat ist verpflichtet, die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen für Unternehmen und Investitionen zu setzen, um den Schutz der Menschenrechte und Arbeitsnormen zu gewährleisten. Dazu gehört beispielsweise eine Umweltaufsicht und Arbeitsinspektion. - Respekt der Unternehmen vor den Menschenrechten
Zur Unternehmensverantwortung gehört es, angemessene Vorkehrungen zu treffen, um menschenrechtliche Gefahren innerhalb der unternehmerischen Einflusssphäre zu vermeiden. Unternehmen sind aufgefordert, bei großen Investitionsprojekten eine umfassende Menschenrechtsverträglichkeitsprüfung durchzuführen. Weiterhin sollen menschenrechtliche Aspekte systematisch in die Prozesse und Instrumente der Unternehmensführung und das reguläre Risikomanagement integriert werden. - Durchsetzung und Wiedergutmachung
Personen, deren Menschenrechte durch Unternehmen verletzt wurden, müssen Zugang zu wirksamer Abhilfe und Wiedergutmachung erhalten. Dazu gehören der Zugang zu Beschwerdestellen sowie die Möglichkeit, den Rechtsweg effektiv beschreiten zu können.
Mit den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte liegt erstmals ein internationaler Referenzrahmen vor, der bereits Einzug gefunden hat in die 2011 neu gefassten OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen. Die EU-Kommission hat alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union aufgefordert, nationale Aktionspläne zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien zu erarbeiten. Auf UN-Ebene wird ihre Umsetzung und weitere Konkretisierung durch die Arbeitsgruppe zu Wirtschaft und Menschenrechten begleitet.
In Deutschland gibt es mit dem Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien eine freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen. Die Einhaltung dieser Verpflichtung wird jetzt erstmals bei großen Firmen mit mehr als 500 Mitarbeitern überprüft. Dazu hat das Bundesentwicklungsministerium Ende 2018 gemeinsam mit dem Wirtschafts-, Arbeits-, Finanz- und Außenministerium 7.000 deutsche Unternehmen angeschrieben. Die Firmen sind aufgerufen, detailliert darzulegen, wie sie Menschenrechte und Sozialstandards in ihren Lieferketten einhalten. Von den Antworten wird die Bundesregierung abhängig machen, ob die Verantwortung von Unternehmen für ihre Lieferketten zukünftig gesetzlich geregelt werden muss.
Bedeutung für die Entwicklungszusammenarbeit
Wirtschaftliches Wachstum ist eine wichtige Voraussetzung für Entwicklung. Um es nachhaltig, inklusiv und breitenwirksam zu gestalten, müssen die Menschenrechte und die Kernarbeitsnormen der ILO eingehalten werden. Sie sind weltweit gültige Mindeststandards, die die wirtschaftlichen Entwicklungschancen nicht einschränken, sondern für faire und gleiche Marktbedingungen sorgen. Die Einhaltung von Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsstandards schafft Rechtssicherheit und verhindert, dass sich Unternehmen unfaire Wettbewerbsvorteile verschaffen können, indem sie Mensch und Natur ausbeuten.
Viele Unternehmen stellen sich ihrer sozialen und damit auch menschenrechtlichen Verantwortung (Corporate Social Responsibility, CSR). So entstand in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Initiativen zur freiwilligen Selbstverpflichtung von Unternehmen. Dazu zählen die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen, die zehn Prinzipien des UN Global Compact sowie zahlreiche weitere Verhaltenskodizes. Beschwerdemechanismen sind in Ansätzen vorhanden. Ein Beispiel sind die nationalen Kontaktstellen der OECD-Leitsätze, die inzwischen in 44 Staaten eingerichtet sind, in Deutschland am Ministerium für Wirtschaft und Technologie.
Da jedoch in vielen Fällen Beschwerde- und Sanktionsmechanismen fehlen, reichen die freiwilligen Selbstverpflichtungen allein oft nicht aus, um umfassend vor Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen zu schützen. Es bedarf weiterhin der staatlichen Aufsicht und des Willens der internationalen Gemeinschaft, sowohl die staatliche Schutzpflicht als auch die Unternehmensverantwortung in Kooperation mit allen Beteiligten kontinuierlich zu stärken und gegebenenfalls auch einzufordern.
Konkrete Maßnahmen
Die Förderung verantwortungsvoller Unternehmensführung ist ein wichtiger Bestandteil der deutschen Entwicklungspolitik. Das BMZ-Menschenrechtskonzept und das übergreifende entwicklungspolitische Konzept "Chancen schaffen – Zukunft entwickeln" legen fest, dass die Bundesregierung bei Gefahr von Menschenrechtsverletzungen Werte über Wirtschaftsinteressen stellt. Um die Menschenrechte auch im Wirtschaftssektor weltweit durchzusetzen, bezieht das BMZ alle Akteure mit ein: Regierungen, Unternehmen, Gewerkschaften, Zivilgesellschaft und Wissenschaft.
So werden die Regierungen von Kooperationsländern zum Beispiel beraten, damit sie ihre Wirtschafts- und Sozialpolitik stärker an den Menschenrechten und Sozialstandards ausrichten und entsprechende Rahmenbedingungen für verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln schaffen können.
In Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft entwickelt das BMZ Methoden und Verfahren zur Erfüllung der unternehmerischen Menschenrechtsverantwortung. Ein Ziel ist die stärkere Verbreitung freiwilliger Selbstverpflichtungen. Die vom BMZ eingeführte Überprüfung aller Vorhaben der bilateralen staatlichen Entwicklungszusammenarbeit auf menschenrechtliche Wirkungen und Risiken müssen auch die Programme der Wirtschaftsförderung und der Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft durchlaufen.
Im Rahmen der finanziellen Zusammenarbeit und seines Engagements in multilateralen Finanzinstitutionen wie der Weltbank und den regionalen Entwicklungsbanken setzt sich das BMZ für die Einhaltung und Fortentwicklung der Umwelt- und Sozialstandards ein, die in zunehmendem Umfang menschenrechtliche Mindeststandards reflektieren.
Zusätzlich fördert das BMZ den Dialog zwischen Staat und Sozialpartnern über Themen wie Berufsbildung, Arbeitsschutz und Mindestlöhne. Die Arbeit von Gewerkschaften wird unterstützt. Gerichtliche und außergerichtliche Beschwerde- und Klagemöglichkeiten für Opfer von Menschenrechtsbeeinträchtigungen durch Unternehmen werden auf- und ausgebaut.
Forschungsvorhaben
Um praxisgerechte entwicklungspolitische Ansätze zur Stärkung der menschenrechtlichen Verantwortung von Unternehmen zu identifizieren, hat das BMZ das Institut für Entwicklung und Frieden (INEF) mit einem Leuchtturmforschungsvorhaben "Menschenrechte, Unternehmensverantwortung und nachhaltige Entwicklung" beauftragt.
Ein vom BMZ gefördertes Forschungsvorhaben am Deutschen Institut für Menschenrechte unterstützt zudem die nationalen Menschenrechtsinstitutionen in den Kooperationsländern dabei, den Aufgabenbereich Menschenrechte und Wirtschaft stärker zu berücksichtigen.
Weitere Informationen
Informationen
Siehe auch
- Thema: Wirtschaft, Wachstum und Beschäftigung
- Thema: Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft
- Thema: Sozialstandards
- Internationale Arbeitsorganisation
Externe Links
- Nationaler Aktionsplan | Umsetzung der VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte 2016–2020 (PDF 624 KB)
- Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (PDF 485 KB)
- Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (PDF 78 KB)
- Deutsches Institut für Menschenrechte
- Institut für Entwickung und Frieden
- Leuchtturmvorhaben "Menschenrechte, Unternehmensverantwortung und Nachhaltige Entwicklung" am Institut für Entwicklung und Frieden
- Protect, Respect and Remedy: a Framework for Business and Human Rights
Bericht des UN-Sonderbeauftragten für Menschenrechte und Unternehmen John Ruggie
(PDF 152 KB, englisch)
Publikationen
-
Die Menschenrechte in der deutschen Entwicklungspolitik
FaltblattNeues Fenster, PDF 2,3 MB, barrierefrei 11/2014 | pdf | 2,3 MB | 12 S. | barrierefrei