7. September 2023 Rede von Ministerin Svenja Schulze bei der Dialogveranstaltung „Just Transition – Klimaschutz sozial gerecht gestalten“
Es gilt das gesprochene Wort!
Liebe Frau Haase,
lieber Herr Pao-Yu Oei,
liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer,
ich freue mich, dass Sie die heutige Veranstaltung dem schönen Wetter vorgezogen haben. Das zeigt, wie engagiert Sie sind.
Indien hat dieses Jahr erneut einen Hitzerekord aufgestellt. Ich habe es im Juni selbst erlebt, als ich nach Indien gereist bin. Ich hatte aber das große Privileg, dass ich der Hitze nur punktuell ausgesetzt war. Aber dieses Privileg hat der Großteil der Menschen, die in Indien leben, eben nicht. Und es sind diese weniger privilegierten Menschen, für die ich mich – für die wir uns gemeinsam – einsetzen.
Sie wissen, dass Indien als Hotspot des globalen Klimawandels gilt. So müssen zum Beispiel die Menschen in den Sundarbans, der Mangrovenregion im Ganges-Delta, immer öfter Wirbelstürme erleben. In dieser Region leben etwa so viele Menschen wie in Belgien. Der Großteil dieser Menschen sind Kleinbauern und Kleinbäuerinnen oder eben landlose Menschen, ohne jede soziale Absicherung. Sie schaffen es kaum, ihre Familien zu ernähren. Und wenn die Ernte dann ausfällt, müssen die Menschen sich verschulden. Und sie fällt oft aus, wenn diese Zyklone über die Region fegen, im Schnitt passiert das inzwischen alle anderthalb Jahre.
Und die Folgen des Klimawandels sind nicht nur in Indien schon lange die wirklich harte Realität.
Sie stellen die ganze Welt vor große Herausforderungen. Sie bedrohen die Menschenrechte. Und wie so oft sind es eben die am wenigsten privilegierten Menschen im Globalen Süden, die ganz besonders hart getroffen sind. Oft sind das Frauen und Mädchen oder Menschen auf der Flucht, die ganz besonders betroffen sind.
Die Weltgemeinschaft hat sich im Klimaabkommen von Paris zum Ziel gesetzt, die Erderhitzung zu stoppen. Denn wir haben keinen zweiten Planeten, auf den wir einfach ausweichen können. Es geht darum, dass die Menschen auch morgen noch gut auf dieser Welt leben können. Und ich meine alle Menschen, gerade auch die Ärmsten. Diejenigen, die sich am allerwenigsten gegen die Folgen des Klimawandels wehren können. Das Klima zu schützen, ist also eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Die reicheren Länder haben versprochen, solidarisch zu sein. Und dazu gehört einerseits, dass wir den Globalen Süden dabei unterstützen, sich besser an die Folgen des Klimawandels anzupassen und widerstandsfähiger gegen klimabedingte Risiken zu werden. Und andererseits gehört dazu, dass wir diese Länder dabei unterstützen, Reformen und Innovationen für ihre eigene Klimaneutralität voranzubringen.
Wichtig dabei ist, dass der gesamtgesellschaftliche Umbau hin zur Klimaneutralität wirklich allen Menschen zugutekommt und wir niemanden zurücklassen. Und diejenigen, die im Zuge von Reformen, wie zum Beispiel dem Kohleausstieg, ihren Job und Lebensunterhalt verlieren, die müssen Unterstützung und müssen neue Perspektiven erhalten. Ich setze mich daher für eine sogenannte „Just Transition“ ein: eine sozial gerechte Transformation. Und eine Just Transition, die kostet viel Geld, das ist allen, glaube ich, klar.
Deswegen ist das Versprechen der Industrieländer, ab 2020 pro Jahr 100 Milliarden US-Dollar für Klimaschutz im Globalen Süden zu mobilisieren, wirklich zentral für die Glaubwürdigkeit der Industrieländer. Deutschland steht zu diesem Versprechen: Der Bundeskanzler hat angekündigt, bis 2025 jährlich sechs Milliarden Euro für die internationale Klimafinanzierung zu verwenden. Im Jahr 2022 – das sind die aktuellsten Zahlen, die wir haben – hat die Bundesregierung das Ziel bereits übertroffen und 6,3 Milliarden Euro deutsche Haushaltsmittel investiert. Das ist eine Summe, die sich sehen lassen kann. Diese Summe wollen wir jetzt jedes Jahr erreichen. Doch auch die anderen Industriestaaten müssen ihren Anteil beitragen. Das ist nicht nur effektiver Klimaschutz, es zeigt in konfrontativen Zeiten auch, dass wir Industrieländer vertrauenswürdig sind und liefern. Diesen Beweis müssen wir insgesamt antreten.
Ich bin davon überzeugt, um eine globale Just Transition zu meistern, braucht es neben Geld – das brauchen wir – aber wir brauchen auch starke Allianzen. Das Entwicklungsministerium setzt deshalb auf langfristige Partnerschaften, die Klimapolitik und Entwicklung zusammendenken und die inklusiv sind. Sie beziehen nicht nur Regierungen, sondern auch die Zivilgesellschaft und den Privatsektor ein. Zwei Beispiele dieser Partnerschaften sind die Just Energy Transition Partnerships, die so genannten JETPs, und bilaterale Klima- und Entwicklungspartnerschaften. Die Ziele dieser beiden Partnerschaften sind wirklich ambitioniert.
Deswegen möchte ich sie kurz für alle nochmal vorstellen:
Im Rahmen der JETPs arbeitet Deutschland gemeinsam mit ausgewählten Ländern des Globalen Südens und G7-Staaten in der frühen Phase der Energiewende zusammen am Klimaschutz. Bisher machen wir das mit Südafrika, mit dem Senegal, mit Vietnam und Indonesien. Und da geht es einmal darum, dass sich diese Länder zu einem früheren Ausstieg aus fossilen Energieträgern bereiterklären und dass sie den Ausbau von erneuerbaren Energien schneller und sozial gerecht vorantreiben. Es geht auch darum, strukturell bei den Rahmenbedingungen für die Energiewende anzusetzen. Zum Beispiel im Steuersystem. Oder eben bei den Voraussetzungen, damit die Privatwirtschaft mehr in Verkehrswesen, in Landwirtschaft oder in Energieinfrastruktur investiert. Und im Gegenzug verpflichten sich die beteiligten Länder, zusätzliche Finanzierung, Expertise und Technologie bereitzustellen. Wir werden nachher in den Diskussionen sicherlich auf die Beispiele eingehen.
Neben diesen Partnerschaften baut Deutschland auch breiter angelegte bilaterale Klima- und Entwicklungspartnerschaften mit klimapolitisch ambitionierten Partnerländern auf, die so genannten P+-Partnerschaften. Diese Partner unterstützen wir sowohl beim Klimaschutz als auch dabei, ihre Widerstandsfähigkeit gegen die Folgen des Klimawandels zu stärken und sich besser anzupassen. Dafür finanzieren wir eine Vielzahl von Projekten und beraten zum Beispiel beim Hochwasserschutz, beim urbanen Transport oder im klimaresilienten Weidemanagement. Bisher haben wir diese P+-Partnerschaften mit Kolumbien, Kenia, Pakistan, Peru, Ruanda, Serbien und Indien auf den Weg gebracht.
Die Ziele der JETPs und der P+-Partnerschaften sind wirklich ambitioniert und sie sind ein ganz wichtiger Teil des deutschen Beitrags zum weltweiten Klimaschutz. Es braucht das Engagement aller, um diese Ziele zu erreichen und daher werden Wissenschaft, Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft systematisch und von Anfang an mit einbezogen. Wir machen das schon in Südafrika und es ist wichtig, dass die Partnerschaften so breit angelegt sind.
Ich möchte den Erfahrungsaustausch mit Ihnen und die Vernetzung mit lokalen Akteuren fördern und gegenseitiges Lernen ermöglichen. Dabei zähle ich auch auf Sie.
Weil es unsere Verpflichtung als Weltgemeinschaft ist, das Klima zu schützen. Und damit uns Menschen zu schützen. Vor allem diejenigen, die selbst nicht die entsprechenden Möglichkeiten haben. Nicht die finanziellen Mittel, woanders hinzuziehen. Die keinen Zugang zu klimatisierten Räumen haben. Keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Keinen Zugang zu genügend Nahrung – wenn bei ihnen die Ernte ausfällt, kommt der Hunger. Die Menschen, für die der Klimawandel eine echte Lebensbedrohung ist. Wie eben bei den Menschen in den Sundarbans.
Das ist soziale Gerechtigkeit weltweit. Und das ist mein Anspruch als Entwicklungsministerin. Und ich weiss, dass das auch das Ziel vieler, vieler zivilgesellschaftlicher Akteure ist.
Und deshalb ist mir der Austausch mit ihnen zu Just Transition, zum Klimaschutz wichtig und ich freue mich, dass wir heute dazu wieder die Gelegenheit haben. Wir haben eine ganze Reihe solcher Veranstaltungen gemacht, um miteinander zu diskutieren. Ich freue mich, dass wir hierzu die Gelegenheit haben.